Der Kampf um Anerkennung und Steuergerechtigkeit
Über Jahre hinweg unterstützte der Berner Fürsprecher Peter Deutsch als juristischer Berater des VFG die Bemühungen um eine öffentlich-rechtliche Anerkennung sowie die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an freikirchliche Gemeinden.
Ein Gütesiegel
In der März-Sitzung der Leiterkonferenz 2006 informierte Deutsch über ein Gutachten der Uni Fribourg und über neue gesetzliche Grundlagen im Kanton Bern betreffend öffentlich-rechtlicher Anerkennung und Steuerbefreiung für Spenden mit gemeinnützigem Zweck.
In der Diskussion wurde betont, dass es dem VFG mit einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung nicht um Privilegien gehen dürfe. Für eine Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden wäre eine Anerkennung jedoch ein «Gütesiegel von hoher Bedeutung».
Zuerst der Erfolg: Der Kanton Bern revidierte 2001 sein Gesetz betreffend die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Stiftungen und weitete dieses auch auf Religionsgemeinschaften aus. Demnach konnten 50 Prozent der tatsächlichen Spenden an die freikirchliche Gemeinde in der Steuererklärung als Abzüge angegeben werden. Das VFG Info vom März 2001 drückte die Hoffnung aus, dass weitere Kantone die Berner Lösung übernehmen. Doch später ruderte Bern wieder zurück.
FAKIR macht Hoffnung auf Fortschritte
Anlass für einen neuen Vorstoss mit dem Ziel, gesamtschweizerisch eine Lösung für Freikirchen herbeizuführen, war die Auswertung der FAKIR-Studie, die den damaligen VFG-Präsidenten Max Schläpfer zum Schluss führte: «Wenn es um den gesellschaftlichen Nutzen geht, stehen Freikirchen den grössten Kirchen in nichts nach!» Zudem stosse laut FAKIR auch der seelsorgerliche und Verkündigungsauftrag – unbestrittener Fokus freikirchlicher Arbeit – in der Bevölkerung auf ein Bedürfnis.
Die Studie kam ausserdem zum Schluss, dass rund die Hälfte der freikirchlichen Aktivitäten als gemeinnützig einzustufen sind. Das nährte die Hoffnung auf einen Durchbruch in der Anerkennungs- und Steuerfrage.
Direkt zur Bundesrätin
Der VFG wandte sich daher 2012 direkt an die zuständige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Nationalrat Eric Nussbaumer fädelte ein Treffen mit der Bundesrätin ein. Zur Vorbereitung formulierte Peter Deutsch die juristische Seite des Anliegens in einem Brief an die Finanzministerin. Er empfahl darin, das Kreisschreiben Nr. 12 der Eidgenössischen Steuerverwaltung an die Kantone anzupassen. Nussbaumer schlug die Formulierung vor, «dass Zuwendungen an juristische Personen, die wegen Verfolgung von Kultuszwecken steuerbefreit sind, zu 25 Prozent abzugsberechtigt sind». Denn rund ein Viertel bis zu einem Drittel der Arbeit von Freikirchen fliesse gemäss FAKIR in soziale Dienstleistungen. Dieser Teil sei aufgrund der Ergebnisse von FAKIR als steuerrechtlich «gemeinnützig» einzustufen.
Eine enttäuschende Antwort
Die Antwort von Bundesrätin Widmer-Schlumpf fiel ernüchternd aus. Sie wies die Antragsteller auf die Position der Eidgenössischen Steuerverwaltung hin, die bei unterschiedlicher Zwecksetzung (kultisch und sozial) unterschiedliche «Rechtsträger» mit getrennten Rechnungen vorschreibt, damit gemeinnützige Spenden abzugsfähig sind. Sie sehe keine Möglichkeit für eine Praxisänderung. Mit dem gleichen Brief lud sie am 25. April 2012 auch die VFG-Delegation von der gewünschten Audienz aus.
Dennoch berichtete der Jahresbericht VFG 2013 davon, dass im Januar ein Gespräch mit der Bundesrätin stattgefunden habe, an dem nebst Eric Nussbaumer auch VFG-Präsident Max Schläpfer und Rechtsberater Peter Deutsch teilnahmen. Die Delegation konnte ihre Argumente vorbringen, jedoch ohne dass ein konkretes Ergebnis erzielt wurde. Widmer-Schlumpf delegierte die Entscheidung an die Steuerverwaltung.
Vorgeschobenes Argument
Diese leitete das Anliegen an die Schweizerische Steuerkonferenz SSK zur Stellungnahme weiter. In der Frühjahrssitzung der LK zitierte Peter Deutsch einen Brief des Finanzdepartements. Dieses anerkannte, dass die Freikirchen gemeinnützige Arbeit leisteten. Es argumentierte aber, dass Kirchensteuern auch nicht abzugsfähig seien, und dass für eine Abzugsfähigkeit von Spenden an Freikirchen ein neues Gesetz nötig wäre. Peter Deutsch empfand dieses Argument als vorgeschoben. Das Protokoll hält fest: «Die aktuelle Situation ist nach wie vor ungerecht, und ein Lösungsansatz ist nicht in Sicht.» Denn mit «einem Kreisschreiben hätte die Situation geregelt werden können», so Deutsch. «Es muss angenommen werden, dass die Kantone dies verhindert haben.»
Den Freikirchen bleibe somit nur die Möglichkeit einer separaten Spartenrechnung, mit der die Spenden und Ausgaben für gemeinnützige Arbeit der Gemeinden in einer separaten Buchhaltung ausgewiesen werden. Darüber, wie viele Gemeinden diese zeitaufwändige Lösung gewählt haben, liegen keine Angaben vor.
Ein Spannungsfeld unter den Freikirchen
Bezüglich öffentlich-rechtlicher Anerkennung sieht sich zumindest ein Teil der Freikirchen in einem Spannungsfeld, das Max Schläpfer im Idea Spektrum Schweiz 51/52/2012 wie folgt umschrieb: «Freikirchen dürfen auch in Zukunft ihre freiheitlichen Gedanken nicht aufweichen. Dazu gehört es, einen Glauben zu vertreten, der auf einem freien Willensentscheid basiert, woraus auch folgt, dass sie für den christlichen Glauben werben und versuchen, andere für ein Leben mit Jesus zu begeistern. Auch die finanzielle Unabhängigkeit, die demokratischen Strukturen und der Einsatz für Religions- und Gewissensfreiheit sind Aspekte, über die Freikirchen auch in Zukunft wachen müssen.»
Vielleicht ist es gerade diese Unabhängigkeit, welche die Freikirchen zu einer gesellschaftlichen Kraft gemacht hat. Max Schläpfer zitierte dazu den Bochumer Konfessionskundler Erich Geldbach mit den Worten: «Ohne den Einfluss der Freikirchen sähe unsere heutige Welt anders, d.h. weniger zivilisiert und weniger demokratisch, aus.»
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Zum Thema:
Diskussion: Was bringt die staatliche Anerkennung einer (Frei)Kirche noch?
Leiterwechsel beim VFG: «Freikirchen sind die dritte Kraft»
Gründungsjahr 1919: Zwei spezielle 100-Jahrfeiern von evangelischen Christen
Datum: 10.09.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet