Was bringt die staatliche Anerkennung einer (Frei)Kirche noch?
Im Kanton Basel haben in den letzten Jahren mehrere Religionsgemeinschaften die staatliche Anerkennung angestrebt und auch erhalten, so die Neuapostolische Kirche und zwei alevitische Gemeinschaften. Ihnen sei es aber mehr um die öffentliche Wertschätzung gegangen als darum, die damit verbundenen Rechte wie den Einzug von Steuern oder das Recht auf Religionsunterricht an staatlichen Schulen und Seelsorge in Gefängnissen und Spitälern zu erwerben, erklärte der Kirchenrechtler Christoph Winzeler an einer Tagung in Freiburg am 31. Oktober. Sie hätten auf diese Rechte verzichtet.
Auch der Kirchenrechtsspezialist René Pahud de Mortanges meinte an der Tagung, das «Anerkennungs-Paket», das vor rund 50 Jahren für die christlichen Volkskirchen entwickelt wurde, «scheine aus der Mode zu kommen». Im Vordergrund stehe bei den Basler Religionsgemeinschaften die Symbolwirkung der gesellschaftlichen Anerkennung.
Privilegien ohne Anerkennung
Umgekehrt nutzen laut Pahud de Mortanges die Behörden ihre rechtlichen Freiräume, um Religionsgemeinschaften Privilegien ohne vorgängige Anerkennung zu gewähren. Beispiele sind die Zulassung von Imamen an Gefängnissen oder die Errichtung von muslimischen Grabfeldern auf Friedhöfen.
2006 hatte auch der Verband «VFG – Freikirchen Schweiz» den Kanton Bern ersucht, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Freikirchen sich staatlich anerkennen lassen können. Das Gesuch stand im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Steuerbefreiung für freikirchliche Gemeinden. Das Gesuch wurde negativ entschieden. Die Berner Kirchendirektion liess dabei durchblicken, dass mit einer Anerkennung von Freikirchen auch der Druck wachse, muslimische Religionsgemeinschaften anzuerkennen.
Wenig Interesse bei den Freikirchen
Heute sei das Interesse der meisten Freikirchen an einer staatlichen Anerkennung dennoch klein, meinte dazu auf Anfrage VFG-Präsident Max Schläpfer gegenüber Livenet. «Freikirchen heissen ja so, weil sie eben unabhängig vom Staat ihre religiöse Überzeugung leben wollen», so Schläpfer. Dazu sei ein liberaler Staat notwendig, der die Ausübung der Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert und entsprechende Rahmenbedingungen dazu schafft. Dazu gehöre auch der Schutz und die Durchsetzung der Definition der Religionsfreiheit gemäss UN-Menschrechtskonvention: Seine Religion frei zu wählen, frei auszuüben und frei wechseln zu können. Dies sei für Freikirchen viel wichtiger als eine öffentliche Anerkennung, glaubt Max Schläpfer. Parallel dazu wünschten sich Freikirchen aber auch die Anerkennung ihrer Leistungen für den Staat, wie sie von der Fakir-Studie aufgezeigt worden seien.
Beobachtungen zeigen laut VFG-Präsident Schläpfer, dass der Aspekt einer öffentlichen Anerkennung quasi als Gütezeichen für die Arbeit von Freikirchen von untergeordneter Bedeutung ist. Kirchen müssten sich heute mehr und mehr in einer Art freiem Markt bewegen. «Die Menschen fragen weniger nach einer staatlichen Anerkennung als danach, ob die Religionsgemeinschaft ihnen wirklich Lebenshilfe geben kann.»
Zur Webseite:
Zur Fakir-Studie (PDF)
VFG Freikirchen
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Datum: 06.11.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / Kipa