Waffenhandel, Burkaverbot, Präambel und Bibel
70 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind Katholiken, Protestanten oder gehören anderen christlichen Glaubensgemeinschaften an. Offenbar genügt das nicht mehr, um ein Land «christlich» zu nennen. Das liegt auch an der Haltung der Bevölkerung selbst. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer zögern, sich Christ zu nennen. Immer weniger wissen, was der Kern des Christseins ist. Die Grundlagen des Glaubens sind ihnen entweder entglitten oder sie wollen sie nicht. Die Arena-Macher beim Fernsehen SRF fragten mit Fug und Recht: «Wieso traut sich kaum jemand mehr, die Schweiz 'christlich' zu nennen, obwohl das Kreuz auf der Fahne prangt?»
Gerhard Pfister hat die Debatte befeuert
CVP-Präsident Gerhard Pfister hatte die Debatte befeuert mit einer Aussage in einem NZZ-Interview. Er sagte: «Muslime gehören zur Schweiz – der Islam nicht.» In der Ankündigung der Sendung fragte TV SRF: «Verrennt sich CVP-Präsident Pfister bei der vermeintlichen Verteidigung des Abendlandes – und führt er einen Kreuzzug gegen die Angehörigen anderer Religionen?» Davon ist Pfister allerdings weit entfernt. In einem Interview mit dem Wochenmagazin «ideaSpektrum» sagte er: «Die grösste Schwäche des Westens in der Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Islamismus ist ja, dass wir selbst nicht mehr zu unseren Werten stehen und sie auch nicht mehr kennen. Vielleicht trägt die Bedrohung durch den Islam dazu bei, dass wir uns wieder mehr um unsere Werte kümmern und überhaupt wieder eine Wertediskussion führen.» Diese hätten wir vernachlässigt und uns zu stark damit beschäftigt, «Party zu feiern».
In der Arena standen ihm Rosemarie Quadranti (BDP) und Cédric Wermuth (SP) gegenüber. Neben ihm diskutierte Walter Wobmann (SVP) mit, der für ein Verhüllungsverbot inklusive der Burka kämpft. Auffallend: Kirchenvertreter waren nicht an vorderster Front.
Mit Gottesbewusstsein gegründet
Ist die Schweiz ein christliches Land? Historisch und kirchengeschichtlich eher Ja; theologisch betrachtet eher Nein. Gottes Reich lässt sich nicht in Nationen eingrenzen. Es ist verbunden mit Menschen, in denen Christus lebt. Das einzige Volk, auf dem Gottes Augapfel speziell ruht, ist gemäss Altem Testament Israel. Die Juden nehmen innerhalb der Heilsgeschichte eine besondere Rolle ein. Das Neue Testament wiederum relativiert die Bedeutung der Völker und Nationen.
Das Schweizer Rechtssystem schützt die Menschenrechte, den Einzelnen. Es hält Gleichberechtigung und Gewissensfreiheit hoch. Die Wurzeln dieser Werte liegen im christlichen Denken. Unsere Verfassung beginnt mit «Im Namen Gottes, des Allmächtigen». Die Gründerväter der Schweiz handelten mit Gottesbewusstsein. In diesem Bereich droht unsere Gesellschaft die einende Mitte zu verspielen. Prägnant äusserte sich der Schriftsteller Thomas Hürlimann in einem aktuellen Tagi-Interview zur Säkularisierung unserer Gesellschaft. Eine seiner Beobachtungen bringt die geistliche Lage der Nation auf den Punkt: «Wo früher das Kreuz hing, hängt heute das Rauchverbot.» In der Arena war die Präambel der Bundesverfassung («Im Namen Gottes des Allmächtigen») ein Thema. Gerhard Pfister votierte am Einleuchtendsten dafür, sie beizubehalten: «Der Mensch soll sich nicht anmassen, allmächtig zu sein.»
Für was steht das Schweizerkreuz?
Seit bald 170 Jahren ist kein Krieg mehr über unser Land gegangen. Unser Lebensstandard ist hoch, die Arbeitslosigkeit tief. Wir sitzen in einer Falle, wenn wir meinen, dies liege an unseren besonderen Fähigkeiten. Das Schweizerkreuz ist kein Pluszeichen für Schweizerinnen und Schweizer – es ist das Zeichen der Gnade Gottes.
Im Blick auf die Geschichte der Schweiz und den Frieden im Land, sollten wir uns auf das Wesentliche besinnen. Unserem Selbstbewusstsein täte ein Schuss Demut gut. Die Aufgabe des Staates ist es, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Die Aufgabe von Christen ist es, Gottes Liebe zum Ausdruck zu bringen – überall wo sie sind – am Arbeitsplatz, in der Schule und indem, dass sie ihre Nachbarn lieben. Nicht Länder sind christlich. Es sind die darin lebenden Menschen und ihr Handeln, die sie «christlich» machen.
Im Fokus stand der Islam
So richtig in die Tiefe ging die Diskussion in der Arena nicht. Drei Viertel der Sendezeit stand der Islam im Fokus. Lässt er sich integrieren? Soll er die öffentlich-rechtliche Anerkennung erhalten? Was bewirkt ein allfälliges Burka-Verbot? Die eigentliche Frage des Abends wurde von den Kontrahenten Pfister und Wermuth behandelt. Der CVP-Präsident erinnerte an die historisch-christlichen Wurzeln der Schweiz. Der SP-Nationalrat entgegnete mit seiner Geschichtsauffassung, nach der die Französische Revolution unsere Werte geprägt hätte. Hier müsste man einmal geschichtlich in die Tiefe gehen. Alles Weitere war mehr oder weniger Polit-Geplänkel im Rahmen der Parteipolitik. Wermuth überforderte die Diskussion und wohl auch sich selbst mit einem Feuerwerk einzelner Themen - von Entwicklungshilfe, Steuerreform bis Saudiarabien.
«Unüberlegte Fragestellung»
Ist die Schweiz heute noch ein christliches Land? Die Diskussion in der Sendung Arena von Fernsehen SRF hat zweierlei gezeigt: Dass diese Frage öffentlich gestellt wird, hat mit dem Erstarken des Islams zu tun. Zweitens: Die Frage lässt sich in der Vielfalt des Meinungsspektrums in der Gesellschaft so gar nicht beantworten. Letztlich ist es die Verfassung, an die sich alle Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes zu halten haben. Diese schützt die Glaubens-, Gewissens-, Rede und -Versammlungsfreiheit. Johannes Wirth, Leiter der GvC-Bewegung, war im Arena-Publikum dabei. Er meinte auf Anfrage von idea: «Die Fragestellung war unüberlegt.» Ein Land könne gar nicht christlich sein. Christlich seien unsere Wurzeln, bestimmte Werte. Er habe die Argumentation von CVP-Präsident Gerhard Pfister nachvollziehbar und gut gefunden.
Jetzt ist das christliche Zeugnis gefragt
Beim Nachdenken über den Verlauf der Diskussion vor der Kamera tauchen die Aussagen von Jesus Christus bezüglich Staat und Reich Gottes vor dem inneren Auge auf: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Und Paulus erklärt den Jesus-Nachfolgern, den Christen: «Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel.» Und als Erdenbürger ist es ihre Aufgabe, das Doppelgebot der Liebe (vgl. Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Vers 27) zu leben, um so auf Gott und das Evangelium zu verweisen.
Zur Webseite:
Arena-Sendung vom 21.10.16
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Datum: 25.10.2016
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz