Die Reformierten arbeiten weiter am Ehe-Thema
Eine Arbeitsgruppe des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds SEK hat diese Fragen diskutiert und einen Bericht vorgelegt. Die laufende Debatte um die «Ehe für alle» und die jeweiligen Positionen sind darin einander gegenübergestellt. Der Bericht ist die Antwort einer siebenköpfigen, vom SEK-Ratsmitglied Daniel Reuter geleiteten Gruppe auf eine Motion der St. Galler Kirche aus dem Jahr 2016. Es geht um eine Bestimmung von Familie, Ehe, Partnerschaft und Sexualität aus evangelisch-reformierter Sicht.
Im Ehe-Verständnis gespalten
Im Bericht zeigt sich die Diskrepanz der Meinungen. Die eine Seite sieht die Ehe als «umfassende körperliche und seelische Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau», als von Gott eingesetzte Institution mit geistlicher Bedeutung: «Der Bund zwischen Mann und Frau weist zeichenhaft auf den Bund von Gott mit seinem Volk und von Christus mit seiner Gemeinde hin.» Die Ehe ist zudem auf die «potenzielle Weitergabe von Leben» gerichtet. Gleichgeschlechtliche Beziehungen dürfen nicht Ehe genannt werden. Und sie können in der Kirche nicht gesegnet werden, «da sich die Bibel ablehnend zu homosexueller Praxis äussert». Die andere Seite sieht die Ehe als «eine auf Dauer geschlossene, monogame Gemeinschaft von zwei Menschen», in der «Qualität und Stabilität der Beziehung» im Vordergrund stehen.
Zwei Ehe-Varianten
Zur staatlichen Regelung sind zwei Varianten möglich: a) eine rechtliche gleichgestellte Form der Beziehung, die nicht Ehe genannt wird; b) die Ehe kann auch gleichgeschlechtlich sein. Die Vertreter von a) kommen aus der Romandie und dem Tessin. Sie bemängeln, «dass die Ausweitung des Begriffs Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare eine Differenzierung verunmöglicht». Für die (Deutschschweizer) Vertreter von b) sind die in der Beziehung gelebten Werte massgeblich; aufs Geschlecht kommt es nicht an. Die Kirche kann demnach gleichgeschlechtliche Paare trauen, die «dem Glauben im gemeinsamen Leben Raum geben» wollen. Romands wollen dies nicht als Trauung verstanden wissen. Noch komplexer wird es in all den Fragen um Sexualität, Adoption und Erbrecht.
Belastung für Kirchengemeinschaft
Laut der Arbeitsgruppe lässt sich die Forderung, die «Ehe für alle» einzuführen, nicht beantworten ohne eine Klärung des Verständnisses von Ehe und Segen. Der Rat des Kirchenbunds strebt angesichts der gegensätzlichen Standpunkte eine breite Diskussion in den nächsten Jahren an. «Wir sind von Gott gewollt, so wie wir geschaffen sind. Unsere sexuelle Orientierung können wir uns nicht aussuchen. Wir nehmen sie als Ausdruck geschöpflicher Fülle wahr.» Diese Ansicht des Rates sei unter den Abgeordneten auf breite Zustimmung gestossen, heisst es in einer Mitteilung des SEK. Die Abgeordnetenversammlung mache sich diese Position zu eigen. Nach «differenzierten und respektvollen Debatten» habe die Versammlung entschieden, es sei verfrüht, diese Motion abzuschreiben. Die Engführung auf «Ehe für alle» werde der Motion nur teilweise gerecht. Der Rat ist damit aufgefordert, den Themenkreis in seiner ganzen Tragweite partizipativ weiter zu bearbeiten. Bis spätestens in einem Jahr muss er den Abgeordneten einen Bericht und einen Antrag vorlegen.
Diakonie, Völkerrecht, Klimawandel
Angenommen wurde die Motion «Diakonie», ein Projekt zur Bündelung diakonischer Gefässe in der neu geschaffenen «Konferenz Diakonie Schweiz». Die Motion «Achtung der Verfassung des Völkerrechts» wurde genau so angenommen wie die Interpellation «Klimawandel» der Zürcher Kirche. Der Rat soll sein Engagement in Bezug auf den Klimawandeln theologisch vertiefen und entscheiden, ob und wie er das Thema behandelt. Mit der neuen Verfassung hat sich die künftige Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz einen Auftrag zur «Bewahrung der Schöpfung» gegeben.
Zum Thema:
SEK-Versammlung in Winterthur: Die Reformierten vor der Ehe-Debatte
SEA-Präsident zu «Ehe für alle»: Können wir das biblische Ehekonzept verständlich machen?
Wende bei SRF-«Streitfragen»: «Ehe für alle»-Gegner bei SRF jetzt doch eingeladen
Datum: 19.06.2019
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: SEK / idea Schweiz