Können wir das biblische Ehekonzept verständlich machen?
Wilf Gasser: Die Frage löst bei mir ein Schmunzeln aus. Noch vor 25 Jahren war die Ehe out, nun will man sie für alle haben. Es gab damals ein Buch, «Heiraten ist unmoralisch». Darin wurde argumentiert, wer verheiratet sei, leide ebenso wie Singles, die sich eine Ehe wünschen…
Interessant ist ja, dass das Partnerschaftsgesetz offenbar nicht mehr genügt. Die Frage stellt sich aber schon, welches Verständnis die Leute von der Ehe haben. Auch die Osterbotschaft ist zum Beispiel vielen nicht mehr verständlich, und der Osterhase bestimmt das Bild. Ist «Ehe für alle» vielleicht so weit entfernt vom biblischen Konzept wie der Osterhase? Ich bin unsicher wie viel Energie ich darauf verwenden soll, den Osterhasen zu bekämpfen. Oder anders gefragt: Sollte ich nicht einfach mehr investieren, um das biblische Bild der Ehe zu vermitteln?
Um welche Inhalte geht es dabei vor
allem?
Mit der Einführung des Begriffs «Ehe»
wollen die Initianten wohl primär die Möglichkeit der Volladoption für
Homopaare vorbereiten. Es ist aber absehbar, dass die Entwicklung weiter
geht und in Zukunft auch Forderungen zum Beispiel nach der Legalisierung der
Polyamorie («Liebe» zu mehreren Partnern) kommen. Wir müssen auf jeden Fall
bezüglich dem biblischen Verständnis sprachfähiger werden und so kommunizieren
lernen, dass wir verstanden werden. Vielleicht ist die gegenwärtige Diskussion
auch ein Anlass, unser Eheverständnis intern zu klären und gegen innen wie
gegenüber der Gesellschaft plausibel zu machen.
Was bedeutet uns denn ein «Ehe-Bund»? Was macht die Ehe aus, in der sich Menschen verbindlich zusammenfügen, sich einander verschenken? Nicht nur um glücklich zu werden, sondern auch mit der Bereitschaft zum Verzicht und zum Beistand. Und zum Durchhalten auch in schwierigen Zeiten. Das biblische Konzept der Ehe, so wie ich es verstehe, ist grundlegend anders, als es heute von der Gesellschaft verstanden wird.
Aber wir müssen wohl am Begriff «Ehe»
festhalten, oder nicht?
Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft die Eheschliessung
verstärkt dem Staat überlassen müssen, angesichts dessen, dass die Kirchen
nicht mehr hinter dem gesellschaftlichen Ehebegriff stehen können.
Könnte es dadurch zu einer weiteren
Entflechtung zwischen Kirche und Staat kommen?
Bislang schrieb der Staat die Ziviltrauung als Voraussetzung
für die kirchliche Trauung vor. Solche Verflechtungen werden aufzulösen sein.
Wir werden uns aber verstärkt auf unsere Rolle besinnen müssen. Dass sich die
Kirchen vorwiegend auf die Eheschliessung beschränkten und die Paare dann
meistens allein gelassen haben, muss sich radikal ändern.
Wenn man einige Jahre verheiratet ist,
kann man das gut nachvollziehen...
Ich hörte ein gutes Beispiel von Pfarrer Duda. Wer bereit
ist, sich durch ihn mit einer «Ehegarantie» verheiraten zu lassen, wird
jährlich zu einem Gespräch aufgeboten, wo die aktuellen Fragen und Bedürfnisse
des Paares zur Sprache kommen. Die Kirchen dürften in dieser Art noch viel
kreativer werden.
Peter Schneeberger, Präsident des VFG –
Freikirchen Schweiz, sagte kürzlich in einem Livenet Talk, er sehe in der
Diskussion die Chance, die Bedeutung und Schönheit der Ehe öffentlich zu
thematisieren.
Das sehe ich auch so. Aber gemäss
Umfragen ist es gar nicht unbedingt nötig, die Attraktivität der Ehe zu
promoten, denn sie ist nach wie vor sehr attraktiv. Das Konzept der Ehe als
einer lebenslangen, von Liebe getragenen Beziehung, wird in der Gesellschaft
auch unabhängig von den christlichen Kirchen hoch geschätzt. Auch von jungen Menschen.
Ich höre bei Peter Schneeberger und bei
Ihnen heraus, dass man nicht zu viel Energie in die Bekämpfung der aktuellen
Entwicklung investieren sollte.
Richtig. Ich habe, zum Beispiel in
Diskussionssendungen wie dem Zyschtigs-Club, erfahren, dass es äusserst
schwierig geworden ist, mit der säkularen Öffentlichkeit noch eine gemeinsame
Diskussionsbasis zu finden. Dies führt dazu, dass wir als diejenigen gesehen
werden, die schon wieder und chronisch dagegen sind.
Weshalb sind Sie selbst so begeistert
von der biblischen Sicht der Ehe?
Ich profitiere vom guten Beispiel meiner Eltern und auch von
meiner eigenen Ehe. Ich erfahre, dass ich dank der Herausforderungen dieser
Beziehung als Mensch gereift bin. Das Ideal, dass man sich gegenseitig in der
Entfaltung unterstützt, erlebe ich in der eigenen Ehe sehr konkret. Ich stelle
aber andererseits in meiner täglichen Arbeit als Therapeut fest, dass viele
Verheiratete diese positive Erfahrung nicht im gleichen Mass machen.
Wie lange dauert Ihre Ehebeziehung schon
an?
Es sind jetzt 36 Jahre und ich habe es noch nie bereut. Es
gibt den hübschen Witz eines Ehemanns, der an seinem 75-jährigen
Hochzeitsjubiläum gefragt wurde, ob er auch mal an Scheidung gedacht habe.
Nein, sagte er, aber an Mord schon! Das Eheleben ist nicht immer Friede, Freude
Eierkuchen, aber eine grossartige Lebenserfahrung und eine Gelegenheit zur
Reifung.
Vielen Dank für das Gespräch, Wilf Gasser! Wir sind gespannt auf die bevorstehende Debatte.
Zum Livenet-Video:
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Datum: 06.02.2019
Autor: Florian Wüthrich / Fritz Imhof
Quelle: Livenet