Wie fördert man echte Verbindung?
Die renommierte Paartherapeutin Esther Perel hat sich intensiv mit den Dynamiken von Beziehungen beschäftigt und beschreibt, was echte Verbindung fördert – und was sie zerstört. Einer ihrer zentralen Gedanken ist: Beziehungen brauchen sowohl Nähe als auch Freiraum. Wer einen dieser Pole vernachlässigt, riskiert, dass die Beziehung entweder erstickt oder sich im Unverbindlichen verliert. Was bedeutet das konkret fürs Dating?
Sechs wertvolle Tipps aus der Perspektive von Paartherapeuten:
Eigenständigkeit bewahren
Ein zentraler Beziehungskiller aus Sicht von Paartherapeuten ist es, sich selbst in der Beziehung zu verlieren. Perel sagt: «Es ist nicht die Aufgabe des anderen, uns glücklich zu machen.» Das gilt nicht nur für Beziehungen, sondern schon im Dating-Prozess. Viele Singles setzen grosse Hoffnungen auf den potenziellen Partner und vergessen dabei, dass eine erfüllte Beziehung nur zwischen zwei eigenständigen Menschen entstehen kann. Wer sein eigenes Leben spannend gestaltet, bleibt auch für andere interessant.
Tipp: Statt darauf zu warten, dass eine Beziehung das eigene Leben bereichert, ist es besser, bereits jetzt proaktiv ein erfülltes Leben zu führen. Eine Beziehung wird dann eine wunderbare Ergänzung – aber nicht die einzige Quelle fürs Glück.
Zu viel Nähe, zu wenig Spannung
Viele Singles haben die Vorstellung, dass eine gute Beziehung bedeutet, «alles miteinander zu teilen». Tiefe Gespräche, gemeinsame Werte, Gebet – all das sind wichtige Elemente. Doch wenn von Anfang an zu viel Nähe entsteht, kann man schnell die Faszination am anderen verlieren, weil man glaubt, ihn oder sie «sicher» zu haben. Anziehung entsteht dort, wo es noch etwas zu entdecken gibt. Wenn zwei Menschen sich kennenlernen, ist ein gesundes Mass an Geheimnis wichtig. Wer sich zu schnell völlig öffnet oder ständig verfügbar ist, nimmt der Beziehung die natürliche Entwicklung. Das bedeutet nicht, sich zu verstellen, sondern bewusst Raum für Neugier zu lassen.
Tipp: Statt alles bei den ersten Dates komplett offenzulegen, ist es oft klüger, Dinge nach und nach zu teilen. Interesse weckt, wer nicht alles sofort preisgibt, sondern ein wenig geheimnisvoll bleibt.
Kontrolle und Freiraum – die richtige Balance finden
Viele Singles haben den Wunsch nach Sicherheit in einer Beziehung. Doch Sicherheit bedeutet nicht Kontrolle. Wenn einer der beiden das Gefühl hat, sich ständig erklären oder rechtfertigen zu müssen, geht ein wesentlicher Bestandteil der Anziehung verloren. Eine gesunde Beziehung entsteht, wenn beide sich frei fühlen, sie selbst zu sein. Misstrauen, ständige Kontrolle oder das Bedürfnis, den anderen «festzuhalten», führen meist zum Gegenteil – Distanz.
Tipp: Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung. Wer sich selbst vertraut und seine Identität in Gott gefestigt hat, wird auch dem anderen mehr Freiheit lassen können. Das ist auch ein geistliches Prinzip: «Denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.» (2. Korintherbrief Kapitel 3, Vers 17)
Leichtigkeit bewahren
Eine Gefahr für Beziehungen sehen Paartherapeuten beim Kennenlernen auch in einer zu grossen Ernsthaftigkeit. Natürlich sind tiefe Gespräche und geistlicher Austausch wichtig, aber wenn Dating nur aus ernsten Themen besteht, kann das die Leichtigkeit nehmen, die es im Kennenlernen braucht. Lachen, spielerischer Umgang und die Freude am Moment sind entscheidend. Besonders im christlichen Dating kann es vorkommen, dass alles sofort sehr zielgerichtet wird. Natürlich ist es gut, ernsthafte Absichten zu haben, aber wenn der Fokus zu stark darauf liegt, ob der andere «der/die Richtige» ist, kann das die natürliche Entwicklung ersticken.
Tipp: Geniesse den Moment. Eine Beziehung beginnt nicht mit der Entscheidung fürs Leben, sondern mit kleinen Schritten, die Freude machen.
Ungeklärte Konflikte nicht mitnehmen
Viele Menschen gehen mit unsichtbarem Gepäck ins Dating – alte Verletzungen, Ängste, ungelöste Enttäuschungen. Paarberater sagen, dass einer der grössten Beziehungskiller Ärger ist, der nicht aufgearbeitet wurde. Wer mit einer neuen Person eine Beziehung aufbauen will, sollte sich fragen: Habe ich wirklich mit der Vergangenheit abgeschlossen? Oder projiziere ich alte Verletzungen auf eine neue Bekanntschaft?
Tipp: Vor einer neuen Beziehung lohnt es sich, ehrlich in sich hineinzuhören: Bin ich innerlich frei für etwas Neues? Falls nicht, kann eine Zeit der Reflexion und Verarbeitung hilfreich sein. Dabei können ein Coach, Berater oder ein Therapeut helfen.
Gott als Mittelpunkt – aber nicht als Ersatz für Beziehungskompetenz
Für christliche Singles ist der Glaube ein zentraler Bestandteil der Partnersuche. Doch manchmal kann die Vorstellung entstehen, dass eine gute Beziehung allein dadurch entsteht, dass beide gläubig sind. Aber genau wie im Glauben sind auch in Beziehungen Taten gefragt. Liebe wächst nicht nur durch gemeinsame Werte, sondern durch echtes Interesse, bewusste Entscheidungen und entwickelter Beziehungs- und Sozialkompetenz.
Tipp: Eine geistlich gesunde Beziehung zeigt sich nicht nur darin, gemeinsam zu beten, sondern auch darin, wie beide miteinander umgehen – mit einer guten Portion Eigenreflektionsfähigkeit aber auch mit Respekt, Emphatie und Wertschätzung füreinander.
Dating ist ein Balanceakt zwischen Nähe und Distanz. Wer zu viel klammert, erstickt die Anziehung. Wer zu distanziert bleibt, verpasst die Chance auf echte Verbindung. Eine gesunde Spannung entsteht, wenn beide sich selbst bleiben und gleichzeitig Raum für echtes Interesse und Wachstum lassen. Denn letztlich ist Liebe kein Besitz, sondern ein Geschenk, das wächst, wenn es mit Weisheit und Vertrauen gepflegt wird.
Christoph Hickert ist Dipl. Coach & Supervisor BSO, Lebens- und Laufbahn-Berater in eigener Praxis in Männedorf und Autor.
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Datum: 11.03.2025
Autor:
Christoph Hickert
Quelle:
Chringles / Livenet