«Freikirchen.ch» fordert Wiedereinführen des Singens
Auftritt von professionellen Solistinnen und Solisten möglich. Dagegen hat der Dachverband Freikirchen.ch nun ein Argumentarium verfasst.
«Freikirchen Schweiz» spricht sich klar für das Wiedereinführen des gemeinsamen Singens aus. Damit ist auch das Singen von nichtprofessionellen Chören und ehrenamtlichen Sängerinnen und Sängern gemeint.
«Die Menschen brauchen etwas für die Seele»
Vom Singen gehe eine heilsame Wirkung aus, schreibt der Freikirchenverband in seiner Medienmitteilung vom 12. April 2021 und zitiert dabei seinen Präsidenten Peter Schneeberger: «Nach über einem Jahr vorbildlichem Einhalten der Schutzmassnahmen brauchen die Menschen etwas für ihre Seele. Wir plädieren daher für die Wiedereinführung des nichtprofessionellen Gesangs in Chören und Kirchen!»
Weiter führt der Dachverband aus, dass eine Gesangseinschränkung nur dann verhältnismässig sei, wenn es nicht mit milderen Mitteln umgesetzt werden könne. «Wir empfehlen unseren Mitgliedern schon seit Juni 2020, dass zum Gemeindegesang Masken getragen werden sollen.»
Massiver Eingriff in Gottesdienstkultur
Liturgisches Singen während eines Gottesdienstes ist ein elementarer Bestandteil in allen kirchlichen Traditionen. Durch die Gesangseinschränkung wurde massiv in die Gottesdienstkultur eingegriffen und eine würdige Feier verunmöglicht. Schneeberger: «Fällt das Singen im Gottesdienst weg oder wird es reduziert, leiden nicht nur die Einzelnen, sondern es leiden in der Folge auch die Menschheit und die Umwelt.» Mit der Einhaltung der Schutzkonzepte sei es auch bei der gegenwärtigen epidemiologischen Lage möglich, dass Gesangsanlässe nicht zu einem «Spreader-Anlass» werden, sondern zu einem «Hope-Spreading».
Argumentarium für Gesang im Gottesdienst
Das Verbot für nichtprofessionelle Chöre sowie Sängerinnen und Sänger, das der Bundesrat am 29. Oktober 2020 erlassen hat, habe «einschneidende Wirkung auf die Chorarbeit und den Gesang in Kirchen, Vereinen und im sozialen Leben», heisst es weiter im Medienkommuniqué. Das BAG stützt sich in der Einschätzung über das Singen auf die Studie «Risikoeinschätzung einer Coronavirus-Infektion im Bereich Musik» des Universitätsklinikum Freiburg. Neben dieser Studie gibt es weitere Studien aus der Charité Berlin, der Universität der Bundeswehr und vor allem eine österreichische der Universität Wien. Die letztgenannte Studie hält fest: «Ruhiges der Norm entsprechendes Aus- und Einatmen zeigte um den Bereich von Mund und Nase aller ChorsängerInnen eine Nebelwolke von maximal 0,5 Meter. Hingegen heftiges Ausatmen, vor allem durch den 'Bass', führte zu einer Ausdehnung der Aerosolwolke von rund 1,5 Meter!» Das führt für Peter Schneeberger zur Folgerung: «Damit lässt sich festhalten, dass mit einem Abstand von 1,5 Meter die Ausbreitung des Virus zentral eingedämmt werden kann.»
Singen fördert soziales Verhalten
Hans-Jürgen Feulner ist seit 2002 Universitätsprofessor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Er hält in seinem Buch «Gottesdienst auf eigene Gefahr – Die Feier der Liturgie in der Zeit von Covid-19» fest: «Es wird immer wieder kolportiert, dass Chorproben ein Virus-Spreader sind. Das hat sich jedoch als haltlos erwiesen, vielmehr ist es das 'Socialising' nach den Chorproben, wo auf Abstandsregeln weniger geachtet worden ist.» Schneeberger ergänzt: «Durch das Einhalten der Abstandsregel ist somit das nichtprofessionelle Singen möglich.»
Singen fördere zudem prosoziales Verhalten, führt «Freikirchen Schweiz» ein weiteres Argument ins Feld. Michael Tomasello und Sebastian Kirschner vom Leipziger Max-Planck-Institut für menschliche Evolution hätten in einer Studie mit Vorschulkindern herausgefunden, dass Vierjährige, die spielerisch miteinander singen und musizieren, sich anschliessend mehr spontan helfen und besser miteinander kommunizieren und kooperieren.
Zu «Freikirchen Schweiz»:
Der Dachverband der Freikirchen und anderer christlicher Gemeinschaften ist ein nationaler Kirchenverband mit 20 freikirchlichen Bewegungen aus der Deutschschweiz, zu denen über 750 örtliche Kirchen mit ihren diakonischen Werken gehören. Neben der Schweizer Bischofskonferenz und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund versteht sich der Dachverband «Freikirchen.ch» als dritte Kraft der christlichen Kirchen in der Schweiz und als Sprachrohr für die gemeinsamen Anliegen der Freikirchen. Mehr auf www.freikirchen.ch.
Als Hintergrund: Das Nationale Forschungsprogramm «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» (NFP 58) hat für ein normales Wochenende in der Schweiz 690'000 Personen ermittelt, die an einem religiösen Ritual teilnehmen. Davon entfallen 261'510 (37,9%) auf katholische Gemeinden, 200’790 Personen (29,1%) gehen in einen freikirchlichen Gottesdienst, 96'600 Personen (14%) sind in reformierten Kirchen und 72'450 Personen (10,5%) in muslimischen Versammlungen.
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Datum: 12.04.2021
Autor: Florian Wüthrich / Markus Baumgartner
Quelle: Livenet / Freikirchen Schweiz