Von Südkorea bis Mulhouse

Christen als Corona-Sündenböcke

Sie engagieren sich gerade in Krisenzeiten sozial-diakonisch und arbeiten mit den Behörden eng zusammen. Sie werden aber auch mit Argwohn bedacht: Es gibt Beispiele, wo gerade Christen als Corona-Sündenböcke den Zorn der Gesellschaft auf sich ziehen.
Asiatische Kirche
Gottesdienst in der Gemeinde «Porte Ouverte» in Mulhouse (Bild: Livenet)
Thierry Le Gall

Christen sind die unterdrückteste und verfolgteste Minderheit der Welt. Experten warnen jetzt: in Krisenzeiten sind diese Minderheiten noch gefährdeter als sonst.

Südkorea: Shitstorm über kleiner Kirche

So berichtet Jim Carr von der US-Kommission für Internationale Freiheit (USCIRF) von der kleinen Shincheonji-Gemeinde in Südkorea: «Vor einem Monat ging dort eine junge Frau zum Gottesdienst, die von dem Virus nichts wusste und leichtes Fieber hatte. Später wurde sie als Corona-positiv identifiziert, und die Regierung machte sie schuldig für 5'000 Ansteckungen (von 10'000 im ganzen Land). Sie gingen sehr hart mit dieser kleinen, sehr privaten Gemeinde um; sie wurden in den sozialen Medien lächerlich gemacht, und mehr als eine Million Menschen unterzeichneten eine Petition, diese Gemeinde zu verbieten», erklärt Carr und ergänzt: «Ich habe ähnliche Beispiele aus Kambodscha und Pakistan und aus vielen Ländern in der ganzen Welt, wo religiöse Minderheiten massiv ins Gericht genommen werden für etwas, was sie vielleicht gar nicht getan haben».

Nepal: Pastoren festgenommen

Das Nachrichtenmagazin «Evangelical Focus» berichtete bereits am 8. April, dass in Nepal wiederholt Pastoren von der Polizei festgenommen wurden, obwohl ihre Kirchen geschlossen waren und keinerlei Veranstaltungen stattfanden. In einem Fall hatte der Pastor lediglich mit seiner Familie vor der Kirche gefrühstückt; in einem anderen Fall schickte er Gemeindeglieder zurück, die unwissend in den Gottesdienst kommen wollten. Just in diesem Augenblick tauchte die Polizei auf; in beiden Fällen wurden die Pastoren in Handschellen abgeführt. «Glaube doch nicht, dass dein Jesus dich vor Corona bewahren kann», höhnte ein Polizeioffizier. «Er konnte sich ja nicht einmal am Kreuz befreien»

«Beide Pastoren haben COVID-19 ernst genommen, ihre Kirchen geschlossen und bemühten sich, Gläubige, die nicht lesen und schreiben konnten, von den Kirchen abzuhalten. Aber die Polizei, die anonyme Tipps erhalten hatte, verhaftete sie trotzdem», erklärte Pastor Sharma gegenüber der Agentur «Morning Star».

Mulhouse: Medien-Tsunami über «Porte Ouverte»

Der Fall der Gemeinde «Porte Ouverte» in Mulhouse schliesslich, die Ende Februar eine Konferenz mit 2'500 Besuchern abhielt, von denen mittlerweile mindestens 20 an Corona gestorben sind, hat in vielen Medien kritische bis bissige Kommentare hervorgerufen. «Evangelikale Versammlung hat den Corona-Virus in Frankreich verbreitet», titelte etwa «Le Figaro» am 5. März. Ein paar Tage vor der Konferenz hatte Präsident Macron nur 300 Meter von der Gemeinde entfernt noch das Bad in der Menge genommen und fleissig Hände geschüttelt. Dennoch erklärte Präfekt Josian Chevalier gegenüber den Medien, nachdem die Ansteckungen bekannt wurden, dass eine «evangelikale Versammlung» die nötigen Vorsichtsmassnahmen nicht getroffen habe. Ein anderer Senator war schnell mit der Beschuldigung zur Hand, dass «La Porte Ouverte» in ihrer Schule in Mulhouse «Kinder indoktriniert».   

Die Wirklichkeit: Bereits im Januar waren 12 Infektionen von Corona in Paris bekannt. Und die Konferenz in Mulhouse fand drei Wochen vor dem offiziellen Lockdown statt. «Hätten wir auch nur irgendeinen Zweifel über die Sicherheit der Konferenz gehabt, wir hätten unmittelbar alles abgesagt», erklärte Pastor Peterschmitt, der sich selbst mit dem Virus infiziert hatte. «In Wirklichkeit sind wir den Behörden zuvorgekommen, haben früher als nötig die Schule und alle Gottesdiensträume geschlossen.» Später bot die Gemeinde ihre Räumlichkeiten den Behörden als Feld-Spital an.

«Sündenböcke sind demagogisch»

Fake News und ungenaue Informationen führten in Mulhouse dazu, dass Gemeindeglieder Todesdrohungen erhielten, wie die, die dazu aufrief, «sie mit einer Kalaschnikov zu eliminieren». Sowohl die Gemeinde als auch der französische Bund der Evangelikalen CNEF bat die Behörden um ein Treffen, um die Situation klarzustellen, bekam aber keine Antwort. «Wir sind zu Sündenböcken geworden. Nur wenige verteidigen uns. Die Stille ist ohrenbetäubend», sagt Pastor Peterschmitt.

Thierry Le Gall, CNEF-Direktor des pastoralen Dienstes für Parlamentarier, erklärt: «In allen grossen Krisen entsteht die Notwendigkeit, einen Sündenbock zu finden. Es ist sehr demagogisch, aber so findet man scheinbar eine leichte Lösung: man reduziert ein nationales Problem auf eine kleine Gemeinschaft und gibt ihr die Schuld. Dieses Mal sind das wir, die Evangelikalen» Christel Lamère Ngnambi, Experte für Religion und Gesellschaft, ergänzt: «Wir sehen in Frankreich eine klare Stigmatisierung von evangelikalen Christen». Und er befürchtet: «Die schlechte gegenwärtige Presse kann den Evangelikalen ernsthaft schaden, die sich seit 10 oder 20 Jahren bemühen, zu zeigen, wer sie wirklich sind». 

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Datum: 14.04.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / CBN / Evangelical Focus

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