«Wir können mehr als eine Prise Salz sein»
Die zwei Politiker und die Politikerin kommen aus unterschiedlichen Parteien, doch sie glauben alle an den gleichen Gott: Die Rede ist von Erich von Siebenthal (SVP), Marianne Streiff (EVP) und Philipp Hadorn (SP). Bei Livenet in Bern diskutierten sie am 27. September 2019, direkt nach der letzten Session vor den Wahlen, über Christsein und Politik. Moderiert wurde das Gespräch von Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich.
Freuden und Frust während einer Session
Zu Beginn des Talks teilten die drei Nationalräte ihre Highlights der vorangegangenen Session im Bundeshaus. «Ich konnte relativ viel dazu beitragen, dass ab jetzt Rundholzlagerplätze im Wald möglich sind. Das freute mich, da es ein persönliches Anliegen war», berichtete SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal, der im Berner Oberland zuhause ist. «Erfreulich war für mich von der Familienpolitik her, dass das Postulat der Frühförderung der Kinder angenommen wurde», meinte Marianne Streiff, Parteipräsidentin der EVP aus dem Kanton Bern. Ihr selber gefiel ausserdem der Beschluss, dass auch Familien, die ihre Kinder selber betreuen, einen höheren Steuerabzug machen können.
«Heute haben uns ein paar Leute verlassen, die nicht mehr antreten werden. Deshalb hat mich das Zusammensein mit all den verschiedenen Leuten mit unterschiedlichen Hintergründen besonders gefreut», sagte Philipp Hadorn, SP-Nationalrat aus dem Kanton Solothurn, rückblickend. Das hinterlasse bei ihm etwas Bleibendes.
Mit Herz und Glaube
Als Christen stehen die drei Nationalräte immer wieder vor der Herausforderung, einen Weg zu finden, ihr Herz und ihren Glauben in ihrer politischen Tätigkeit einzubeziehen. «Ich habe grossen Respekt, wenn ich jeweils über den Bundesplatz laufe. Mir ist es ein Anliegen, dass der Herr mir zeigt, was ich letztendlich hier drinnen soll», erzählte von Siebenthal.
«Mit der Grundhaltung, dass wir von Gott angenommen sind, können wir uns überlegen: Welche Politik dient dem, dass wir auch andere Menschen annehmen?», erklärte Hadorn. Doch obwohl die drei denselben Glauben haben, kommen sie auf andere Ansätze. «Wir beten alle zum selben Gott, lesen die gleiche Bibel und achten einander sehr. Und wir kommen zu unterschiedlichen Lösungen in den politischen Fragen», zeigte Streiff auf. Die Prüfschnur für sie sei dabei, ob es der Bewahrung der Schöpfung diene, ob man die Menschenwürde achte oder ob man nur Finanzen als Ziel im Kopf habe. «Das sind die Messschnüre, die unser Christsein tief ausmachen.»
Das Evangelium im Parteiprogramm
Auf die Frage, wie man sich in der Politik als Christ positionieren kann, wies Streiff auf das «E» in ihrer Partei hin: «Für uns als Partei ist es in dem Sinne einfacher, weil wir das Christsein schon im Parteinamen haben.» Man wisse grundsätzlich, dass die ethischen Grundwerte der EVP auf dem Evangelium basieren.
Doch auch Hadorn kann seinen Glauben mit seiner Parteiausrichtung vereinbaren: «Die sozialen, ethischen und wirtschaftlichen Themen kann man vom Evangelium ablesen und eins zu eins im Parteiprogramm der SP wiederfinden, auch wenn dieses an sich nicht christlich ist.» Für ihn sei es ein Privileg, in einer Partei mitwirken zu dürfen, in der diese Werte vorkommen, die unter anderem die Kernpunkte des christlichen Glaubens ausmachen. «Es ist eine zusätzliche Ressource, mit dem Schöpfer verbunden zu sein, der diese Werte geprägt hat», führte er aus. Siebenthal äusserte sich dankbar: «Seinen Platz als Christ in einer grossen Fraktion zu finden, ist ein Geschenk und eine Gnade.»
Knöpfe der Verantwortung
«Im Zeitalter, in dem wir eine Medizin haben, die das Sterben fast verunmöglicht, kommen plötzlich ethische Fragen auf, die man sich vor 100 Jahren gar nicht stellen musste», stellte Hadorn fest. Alle seien hier gefordert, christliche Lösungsansätze darauf zu suchen und zu finden. Tatsächlich müssen sich die Nationalräte im Allgemeinen mit vielen Fragen und Antworten auseinandersetzen. In einer Session werden nämlich gegen 300 Entscheidungen per Knopfdruck gefällt. «Wir haben eine rechte Verantwortung bei unseren Entscheidungen. Es geht um die Zukunft von nächsten Generationen und unserem Land», betonte Streiff. Die Antworten seien dabei nicht immer schwarz-weiss. «Es ist ein Ringen um jeden einzelnen Kopfdruck. Was erachte ich jetzt mit allen Gewichtungen als das Richtige?», verdeutlichte sie.
Wählen: ein Geschenk
Die Verantwortung tragen in einer Demokratie aber nicht nur die Politiker, es liegt auch am Volk, sich einzubringen. «Es ist ein riesen Privileg, dass wir überhaupt diese Möglichkeit haben», stellte Siebenthal klar. «Das Wichtigste ist, das Couvert überhaupt auszufüllen. Ohne das funktioniert unser Staatswesen nicht.» Streiff ergänzte: «Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun. Wir tragen auch die Verantwortung für das, was wir nicht tun. Und nicht wählen gehen, ist auch eine Wahl.» Besonders die Christen sollen ihre Verantwortung wahrnehmen, so die Nationalrätin. «Ich freue mich sehr, dass viele Christen für die Politik und unser Land beten», teilte Hadorn mit. Doch genauso wichtig sei es, dann wirklich zu stimmen und zu wählen. «Was kann ein Christ in der Politik ausmachen? Ich denke, wir können mehr als eine Prise Salz sein. Das machen wir auch, wenn die Christen uns wählen.»
Was die drei Nationalräte sonst noch beschäftigt und was sie von der aktuellen Klimadebatte halten – das erfahren Sie im Video. Hier finden Sie den Livenet-Talk in voller Länge:
Zum Thema:
Christsein im Parlament: Gemeinsam im Bundeshaus
Pro und Kontra: Wer garantiert die Menschenrechte?
Umgang mit Macht: Nationalrat Philipp Hadorn über Politik, Einfluss und die Kraft des Gebets
Datum: 02.10.2019
Autor: Annina Morel
Quelle: Livenet