«Wir wohnen alle unter dem gleichen Dach»
Die globalisierte Welt ist intensiv vernetzt, die sozialen Räume werden kleiner, es findet eine Beschleunigung von technischen und kulturellen Veränderungen statt. Reichtum ist immer ungleicher verteilt, und die Schöpfung leidet. Miroslav Volf fasste damit einige unerwünschte Auswirkungen der Globalisierung zusammen, die nach einer Korrektur rufen. Ressourcen dazu liegen vor allem in den Weltreligionen, sagte Volf an den Studientagen des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft vom 10. – 12. Juni an der Universität Fribourg. «Denn wir leben alle unter dem gleichen Dach».
Nach der Überzeugung von Miroslav Volf haben alle Weltreligionen, nicht nur das Christentum, ein Potenzial, den Auswüchsen der Globalisierung etwas entgegenzustellen. Denn sie kennen neben der diesseitigen Welt auch eine jenseitige mit andern Werten. Und sie sind überzeugt, dass jene Werte die diesseitige Welt verändern können. Das gelte zum Beispiel für die Wertschätzung der Schöpfung, die durch die globalisierte Wirtschaft bedroht ist.
Laut Miroslav Volf ist die heutige Welt durch zwei Nihilismen bedroht: Den Nihilismus derjenigen, die mit einer extremen Ideologie die Welt zerstören und den Nihilismus jener, die eigene Werte entwickeln, die auf einen höchstmöglichen Lebensgenuss zielen, und die wiederum die Welt gefährden. Auf der einen Seite der Terror des Islamischen Staates, auf der andern die Banker der Wallstreet. Beide bekämpfen sich und unterstützen sich gleichzeitig bei der Weltzerstörung, lautet die Analyse des Yale-Professors.
Letztlich gehe es um die Suche nach Sinn, und dieser müsse mit dem Genuss verbunden werden. Nur wer hinter der Welt einen Gott der Liebe erkenne, werde die Dinge der Schöpfung wirklich geniessen können. Volf zog den Vergleich zu einem Meisterwerk, das der Käufer geniesse und teuer bezahle, weil es das Originalwerk des Meisters sei. Eine Kopie des gleichen Werkes sei vergleichsweise wertlos und biete wenig Genuss. Letztlich müsse sich die Welt die Frage stellen, wonach sich die tiefste Sehnsucht des Menschen richte, sagte Volf kürzlich den Besuchern des WEF in Davos. Die Globalisierung und ihre negativen Auswirkungen seien davon getrieben, dass die Menschen dem Bisherigen unzufrieden seien. Wenn die Menschen zufrieden seien, habe dies Auswirkungen bis hin zur Ökologie.
Die Weltreligionen seien gerufen, sich zu Wort zu melden, denn sie hätten viel Potenzial. Seit 1970 hätten sie zahlenmässig massiv zugelegt und auch politisch an Bedeutung gewonnen, erklärte Volf in einem zweiten Vortrag. Auch dies sei eine Folge der Globalisierung, stellte Volf fest.
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Datum: 12.06.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet