Ins Leid gepflanzt, ins Glück gewachsen
Die Haustür öffnet sich automatisch, dann ertönt die frische Stimme von Simea Schwab: «Nume inä!» Später offeriert sie Tee. Dazu schiebt sie die Tasse mit den Füssen unter den speziell konstruierten Heisswasserhahn, der ihr das Wasserkochen erspart. Simea sitzt auf einem Drehstuhl auf Höhe der Tischplatte, von wo aus sie ihren Tee mit einem Strohhalm trinkt. Küchen- und Badezimmerausstattung sind für ihre Grösse und Bedürfnisse massgefertigt. «So ist es einfach genial für mich!», strahlt sie. «Eine Frau hat das alles für mich gesponsert».
Schon viel Freundlichkeit erlebt
Die 46-Jährige lebt seit 20 Jahren allein in einer Wohnung in Kerzers. «Und der Garten ist mein viertes Zimmer», lacht sie. Freiwillige Helfer und Spitex-Mitarbeiterinnen sorgen dafür, dass ihr Zuhause gepflegt wird und sie sich zu Fuss oder mit dem Elektrorollstuhl darin bewegen kann. Sie ist oft barfuss, denn wofür andere ihre Hände einsetzen, benutzt sie ihre Füsse oder die Stirn. Zum Gehen schlüpft Simea flink in eine Prothese. Bei der Bedienung des Computers wird sie von einem Sprachprogramm unterstützt.
Morgens kommen Spitexfrauen für Körperpflege und Haushalt vorbei, ansonsten ist die zierliche Frau mit der Lockenmähne sehr selbständig. Sie besitzt ein Auto, das sie allerdings nicht selber fahren kann. Für Ausflüge mit dem öffentlichen Verkehr muss sie mindestens eine Stunde im Voraus melden, wann sie wo ein- oder aussteigen möchte, denn dazu braucht sie Hilfe. Doch sie erlebe viel Freundlichkeit, erzählt sie, und sei dankbar für alle Unterstützung.
«Jesus ist das Beste, was mir je begegnet ist»
Simea Schwab ist mit vier Schwestern auf einem Bauernhof aufgewachsen. Weshalb sie ohne Arme und mit ungleich langen Beinen geboren wurde, ist unklar. Vielleicht hat ein Spritzmittel oder eine Abbeizlauge, die ihre Eltern während der Schwangerschaft verwendet haben, dazu geführt. Erst in der Schule wurde ihr bewusst, dass sie anders ist. Eine kaufmännische Lehre schien eine gute Berufsmöglichkeit zu sein, doch glücklich war sie damit nicht. Als sich ihr die Möglichkeit bot, in England Theologie zu studieren, wagte sie es und schloss nach sechs Jahren mit einem Master ab. Seither lebt sie ihre Berufung. «Jesus ist das Beste, was mir je begegnet ist», betont Simea. Ihn zu verkünden und Menschen zu ermutigen ist ihre Leidenschaft. «Fundierte biblische Lehre ist so wichtig», sagt die begeisterte Theologin.
Neben der halben IV-Rente verdient sie ihren Lebensunterhalt mit Predigten, Referaten und Seminaren. Sie führt auch ab und zu Kasualien durch, muss ihre Kräfte aber bündeln. Zunehmend machen sich Schmerzen in den Gelenken bemerkbar, für die sie Medikamente braucht. «Mir geht es gut», hält die Single-Frau fest. «Ich habe gute Freunde, lebe in der Schweiz – hier wird viel für Menschen mit Behinderung getan. Ich erlebe Gottes Güte und kann von ihm erzählen und schreiben!»
In einem langen Prozess hat sich Simea Schwab mit ihrem Körper, ihrem Zivilstand und der Neigung zu schweren Gedanken versöhnt.
«Ich habe geniale Füsse!»
Auch wenn sie immer wieder Herausforderungen erlebt, sagt sie: «Wozu brauche ich denn Arme? Ich habe geniale Füsse und liebe meine Helfer!» Einmal betete ein Mann dafür, dass ihr Arme wachsen; eines ihrer Buchmanuskripte wurde als zu fromm zurückgewiesen. Dadurch sei sie gelassener geworden, erzählt Simea. «Gott hat uns keinen Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Liebe und Besonnenheit!» Und ihr einen Kämpfergeist und Mut dazu. Sie liebt es, an Konzerte zu gehen und Galerien zu besuchen. Sie freut sich schon wieder darauf, im Sommer ihrem liebsten Hobby zu frönen, dem Schwimmen.
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Datum: 13.02.2017
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: ideaSpektrum Schweiz