150 Jahre Albert Schweitzer

Christ, Organist und Pazifist

Albert Schweitzer
Der Begriff «Universal-Gelehrter» klingt hochtrabend. Doch wenn man, wie der gebürtige Elsässer Arzt, Theologie, Orgelbau und Anderes auf Doktorstufe studierte, ist er durchaus passend. Zudem waren Tierliebe und Gesundheitswesen sein Herzensanliegen.

Am 14. Januar konnte der 150. Geburtstag gefeiert werden: Ludwig Philipp Albert Schweitzers Vermächtnis ist so vielfältig, dass ihn die einen als Arzt, die anderen als Friedensnobelpreis-Träger und wiederum die nächsten als Theologen kennen. Er wird als einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts genannt. Gerade auf dem Gebiet des Geistlichen spornte er die Menschen an, persönliche Begegnungen mit Jesus zu suchen und nicht nur auf der Kultus-Ebene zu bleiben.

Lernbegierig und erste Leistungen

Dem kleinen Albert wurde die Theologie in die Wiege gelegt, als Sohn des Pfarrverwesers Ludwig (Louis) Schweitzer und dessen Frau Adele, der Tochter eines Mühlbacher Pfarrers. Er wuchs mit Französisch und Deutsch zweisprachig auf. Nach dem Abitur 1893 in Mülhausen studierte er an der Universität Strassburg Theologie und Philosophie; zudem in Paris Orgel und Klavier. 1901 folgte die theologische Dissertation zum Lic. theol. Später kam «das Messianitäts- und Leidensgeheimnis» dazu, mit dem er Dozent für Theologie an der Universität Strassburg wurde.

Von 1905 bis 1913 studierte er Medizin in Strassburg mit dem Ziel, in Französisch-Äquatorialafrika als Missionsarzt tätig zu werden. 1912 wurde er als Arzt approbiert, im gleichen Jahr wurde ihm aufgrund seiner «anerkennenswerten wissenschaftlichen Leistungen» der Titel eines Professors für Theologie verliehen. 1913 folgte seine medizinische Doktorarbeit.

Verheiratet, verfolgt, verhaftet und Vikar

Albert Schweitzer heiratete 1912 Helene Bresslau. 1919 wurde die Tochter Rhena Schweitzer-Miller geboren, die bis 1970 die Stiftung ihres Vaters weiterführte.

1913 setzte Schweitzer sein Vorhaben in die Tat um und gründete in Gabun das Urwaldhospital in Lambarene. Das Region gehörte damals zu Französisch-Äquatorialafrika. Schon ab 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden er und seine Frau Helene, aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, von der französischen Armee unter Hausarrest gestellt. 1917, erschöpft von mehr als vier Jahren Arbeit und Tropenklima, wurde das Ehepaar Schweitzer festgenommen, von Afrika nach Frankreich überführt und bis Juli 1918 interniert.

Gegen Kriegsende kamen sie 1918 ins Elsass zurück. Der Arzt bezeichnete sich gern als Elsässer und «Weltbürger». Er nahm wieder die Stelle als Vikar in St. Nikolai, Strassburg an und begann als Assistenzarzt in einem Strassburger Spital.

Konsequenter Nazi- und Kriegsgegner

In seiner Rede im Jahr 1932 warnte Schweitzer vor den Gefahren des aufkommenden Nationalsozialismus. Eine nach Lambarene versandte und «mit deutschem Gruß» unterzeichnete Einladung von Joseph Goebbels, der Schweitzer für die NS-Ideologie gewinnen wollte, beantwortete er mit einer höflichen Absage und unterzeichnete «mit zentralafrikanischem Gruß».

In seiner erst 1954 gehaltenen Dankesrede zur Verleihung des Friedensnobelpreises von 1952 sprach sich Schweitzer klar für eine generelle Verwerfung von Krieg aus: «Krieg macht uns der Unmenschlichkeit schuldig», zitiert Albert Schweitzer Erasmus von Rotterdam.

Konsequenter Pazifist wird Vegetarier 

Mitleid mit Tieren sei trotz ihrer angeblichen Seelenlosigkeit keine Sentimentalität, denn alles notwendige Töten sei ein Grund zu Trauer und Schuld, der man nicht entkommen, die man nur verringern könne, war Schweitzer überzeugt.

Folgerichtig ging er zur vegetarischen Ernährung über. «Meine Ansicht ist, dass wir für die Schonung der Tiere eintreten, ganz dem Fleischgenuss entsagen und auch gegen ihn reden sollen. So mache ich es selber.»

Die Leben-Jesu-Forschung

In seinen Schlussbetrachtungen zeigt der Theologe auf, dass die Modernisierungsversuche am Jesusbild scheiterten, weil Jesus sich nicht in unserer Zeit festhalten lasse. Allgemein lasse sich keine Person durch historische Betrachtung wieder zum Leben erwecken. Daher sei unser Verhältnis zu Jesus ein mystisches. In Beziehung zu ihm träten wir dadurch, dass wir ein gemeinsames Wollen und Anliegen erkennten und uns selbst in ihm wiederfänden. Wir liessen dabei unseren Willen von seinem klären, bereichern und beleben. Die christliche Religion sei demnach nicht Jesuskult, sondern Jesusmystik. Ähnlich wie bei den Jüngern am See Tiberias komme Jesus auf uns zu (…) und er rufe uns zu: «Du aber folge mir nach!»

«Und denjenigen, welche ihm gehorchen, Weisen und Unweisen, wird er sich offenbaren in dem, was sie in seiner Gemeinschaft an Frieden, Wirken, Kämpfen und Leiden erleben dürfen, und als ein unaussprechliches Geheimnis werden sie erfahren, wer er ist.»

Musik

Ab 1895 übernahm Albert Schweitzer die Orgelbegleitung des international anerkannten Chors der Wilhelmskirche, welcher sich besonders Bach-Kantaten und Passionen widmet. Der Organist schrieb 1905 auf Französisch sein Buch über Johann Sébastien Bach, auf das 1908 eine Neufassung auf Deutsch folgte.

Schweitzers Ansichten zum Orgelspiel waren geistlich inspiriert. So meinte er zum Beispiel in Bezug auf die Wiedergabe von Orgelwerken im Konzertsaal: «Durch die Wahl der Stücke und die Art der Wiedergabe suche ich den Konzertsaal zur Kirche zu machen… Durch ihren gleichmäßigen und dauernd aushaltbaren Ton hat die Orgel etwas von der Art des Ewigen an sich. Auch in dem profanen Raum kann sie nicht zum profanen Instrument werden.»

Aussagen gegen Atomwaffen

Schweitzer war äusserst zurückhaltend im Äussern zu politischen Belangen. Er wurde dennoch von mehreren Freunden, unter anderem Albert Einstein und Otto Hahn, gedrängt, seine Autorität gegen die Atomrüstung einzusetzen.

Am 14. April 1954 schrieb er einen Leserbrief im Daily Herald von London: «Die Folgen der Wasserstoffbomben-Explosion bilden ein höchst beängstigendes Problem. (…) Erforderlich wäre, dass die Welt auf die Warnrufe der einzelnen Wissenschaftler hörte.»

Bei der Rede anlässlich der Übergabe des Friedensnobelpreises vom 4. November 1954 in Oslo äusserte er sich erneut zur Gefahr der Atomrüstung. Nachdem er sich intensiv mit den Folgen von Atomwaffentests auseinandergesetzt hatte und brieflich und persönlich befreundete Fachleute wie Albert Einstein befragt hatte, sendete er am 23. April 1957 über den Sender Radio Oslo einen «Appell an die Menschheit». Dieser Appell erfuhr weltweite Aufmerksamkeit und wurde in 140 Sendern übernommen.

Nach dem Abschluss des Versuchsstopp-Abkommens im Jahr 1963 beglückwünschte Schweitzer John F. Kennedy und Nikita Sergejewitsch Chruschtschow brieflich zu ihrem «Mut und Weitblick, eine Politik des Friedens einzuleiten».

Kritik und mächtiges Erbe

Natürlich war der vielseitige Kämpfer auch Kritik ausgesetzt, wurde als zu patriarchalisch oder autoritär gesehen. Die Bewunderer und Freunde waren jedoch in der Mehrheit, seine geistigen und handfesten Vermächtnisse wirkten viel stärker als die Schwächen.

Am 4. September 1965 starb Albert Schweitzer im Alter von 90 Jahren in Lambarene. Seine Frau und seine Tochter wurden später ebenfalls dort beigesetzt.

Der Theologe, Arzt und Universal-Gelehrte formulierte, dass das Einzige, was wir von unserem Leben behalten können, das ist, was wir anderen gegeben haben.

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Datum: 20.01.2025
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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