Wenn die Vergangenheit ihre Kraft verliert
Michael Eymann (28) aus Schwarzenburg wuchs in einer intakten und liebenden Familie auf. «Meine Familie trug mich in schwierigen Zeiten», berichtet er und erwähnt dabei auch seine Grossmutter. Ausserhalb der Familie erfuhr er jedoch Ablehnung und Mobbing.
Ein auffälliger Junge
In der Schule galt Michael als auffällig. Er hatte Konzentrationsprobleme, seine Leistungen waren schlecht und die Tatsache, dass er lieber bei Erwachsenen war, als mit Gleichaltrigen zu spielen, fiel als untypisch auf. «Ich war irgendwie anders als andere Kinder.»
In der zweiten Klasse wurde entschieden, dass er untersucht werden sollte und so folgten viele Termine mit verschiedensten Fachpersonen. «Als Kind war ich dauernd unterwegs. Es gab so viele Abklärungen und das brauchte extrem viel Energie.» Nach einer gefühlten Ewigkeit gab es dann endlich eine Diagnose: Asperger – eine Form von Autismus.
Mobbing machte ihn zum Aussenseiter
Die ersten vier Schuljahre gingen noch relativ gut, doch dann begann das Mobbing. «Anfangs dachte ich, dass es bald wieder besser werden würde.» Fehlanzeige! Sticheleien, verletzende Worte und auch mal ein Bewerfen mit Bananenschalen – das war sein Alltag. Irgendwann kamen psychische Probleme dazu. «Von meinen Eltern unbemerkt, weinte ich mich in den Schlaf. Oft wünschte ich mir, am Morgen nicht mehr aufzuwachen.»
Michael wurde zum Aussenseiter. «Körperlich war ich schwach und konnte mich auch verbal nicht zur Wehr setzen.» Nach der achten Klasse wechselte er die Schule. «Die neunte und zehnte Klasse machte ich in einem anderen Dorf. Doch auch dort wurde ich gemobbt.»
Ihm war klar, dass er nie vergeben würde
Dank guter Unterstützung von Fachpersonen waren Michaels Noten besser geworden und so konnte er letztlich erfolgreich eine Lehre als Logistiker absolvieren. Schulisch und fachlich erfüllte er die Anforderungen, ein Aussenseiter blieb er trotzdem. «Inzwischen war dies für mich normal. Ich kannte nichts anderes als Mobbing und Ablehnung.» Rachegedanken hatte er nicht; seine Strategie bestand im Rückzug. «Niemals wäre ich zu einem Klassentreffen gegangen und es war auch klar, dass ich den Klassenkameraden der verschiedenen Schulen nicht vergeben würde.»
Life on stage
Schon als Kind hatte Michael Berührungspunkte mit dem christlichen Glauben – vor allem durch seine Grossmutter. Bei den sporadischen Gottesdienstbesuchen begegnete er freundlichen Leuten – richtig angesprochen fühlte er sich aber nie. Eines Tages drückte ihm eine Bekannte einen Werbeflyer von «Life on stage» in die Hände. «So ging ich am 30. November 2019 nach Bern.» Der Event sollte sein Leben nachhaltig verändern.
Das Musical und die darauf folgende Predigt berührten ihn. «Irgendetwas passierte in meinem Herzen.» Als dann die Einladung erfolgte, Jesus sein Leben zu übergeben, zog es ihn mit aller Kraft nach vorne. «Zum ersten Mal in meinem Leben sprach ich ein lautes Gebet.» Er übergab Jesus sein Leben, seine Vergangenheit, seinen Schmerz, einfach alles. Und es war, als würde er in eine neue Welt eintreten – eine Welt voller Annahme.
Alles neu!
Am Montag ging Michael zur Arbeit – wie gewohnt. Doch jetzt war alles anders und es schien, als sei nicht nur er selbst von der Kraft jahrelangen Mobbings und inneren Verletzungen befreit; nein, sogar sein ganzes Umfeld schien verändert. Plötzlich gab es kein Mobbing und auch keine Ablehnung mehr. «Es war wie eine neue Welt.»
Diese Tage liegen jetzt mehr als vier Jahre zurück – das Gefühl, Opfer von Mobbing zu sein, hat Michael nie mehr erlebt. «Ich habe Jesus meine Vergangenheit gegeben und damit wurde alles wie ausradiert.»
Die Kraft der Vergebung
Im Sommer 2021 liess sich Michael taufen – inzwischen war er längst schon ein verbindliches Mitglied einer Freikirche. Einige Zeit später machte er noch einmal eine einschneidende Erfahrung. «Als ich gerade Keyboard spielte, begann der Heilige Geist an mir zu wirken. Ich weinte und der starke Wunsch kam auf, all jenen zu vergeben, die mich in der Vergangenheit verletzt hatten.» Als er diesen Wunsch später in einem Gottesdienst öffentlich ausdrückte, erlebte er einen Durchbruch: «In diesem Augenblick empfing ich die Kraft zu vergeben! Ich wusste: Jetzt bin ich vollständig frei von der Vergangenheit.»
Im Mai 2023 folgte Michael einer Einladung zu einer Klassenzusammenkunft. Er ging tatsächlich hin! Und das Unvorstellbare geschah: Er genoss das Treffen mit seinen früheren «Peinigern». «Diejenigen, welche mich früher fertiggemacht hatten, waren auf einmal wie alte Freunde.» Es wurden sogar Entschuldigungen ausgesprochen. Michael freute sich, von seinem neuen Leben zu erzählen. Heute ist er nicht mehr ein Opfer. Er brennt dafür, anderen von Jesus zu erzählen und ergreift Gelegenheiten, Menschen Gutes zu tun oder für sie zu beten.
Sehen Sie hier ein Video mit Michael Eymann bei WunderHeuteTV:
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Datum: 02.03.2024
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Livenet