«Das Leben bejahen und gestalten»
Andreas Steiner, früher oder später stellt sich jeder die grossen Fragen des Lebens. Weshalb ist das so?
Andreas Steiner: Weil wir als Menschen unser Leben reflektieren können. Wenn wir es bewusst gestalten, geben wir ihm einen Sinn. Es gibt drei Hauptphasen für die Sinnsuche: Die Pubertät (Wer bin ich, was macht mich aus, woran orientiere ich mich, wo will ich hin?), die Lebensmitte (Ist das alles gewesen, was möchte ich noch erreichen?) und das Alter (Finde ich ein Ja zu meiner Lebensgeschichte mit allen Höhen und Abgründen?).
Was tun, um Antworten auf die Sinnfragen zu finden?
Das Wichtigste ist, diese Fragen zuzulassen. Das Überdenken seiner Lebensführung kann Krisen und damit Veränderung zur Folge haben, darum ist Verdrängen nicht sinnvoll. Während früher die vorherrschende Religion Sinn und Orientierung vermittelte, gilt heute die Suche auf dem Markt der Sinnversprecher-Angebote. Ich schlage vor, entsprechende Bücher zu lesen, mit Kollegen zu reden, deren Lebensgestaltung ich als sinnvoll wahrnehme, und meine eigenen religiösen Wurzeln zu ergründen. Wie wäre es, mal wieder in der Bibel zu lesen?
Ist jeder seines Glückes Schmied?
Glück ist für mich ein Nebenprodukt. Ich kann es dankbar annehmen und geniessen; wenn ich es erzwingen will, zerrinnt es mir zwischen den Fingern. Niemand kann beeinflussen, wo er geboren wird, in welchem familiären und gesellschaftlichen Umfeld er aufwächst, welche Gene er trägt und welche Schicksalsschläge er erleidet. Es geht darum, sein Leben anzunehmen, es innerhalb seiner Möglichkeiten und Grenzen gut zu gestalten, ihm einen Sinn zu geben und sich zu freuen am Schönen und Guten. Glücksversprechen gilt es kritisch zu hinterfragen!
Was sagt die Bibel zur Sinnsuche/-findung?
Nach biblischem Verständnis hat der Mensch den Auftrag, die Erde zu hegen und zu pflegen. Das sollen wir in Verantwortung und nach bestem Wissen und Gewissen tun. Das Leben ist ein Geschenk. Weil Gott die Menschen liebt, wünscht er sich, dass diese Liebe erwidert wird. «Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst» (Markus-Evangelium, Kapitel 12, Verse 29-31). Jesus bezeichnet sich selber als das Leben. Er ist ein Vorbild sinnvoller Lebensgestaltung. Jeder darf dazu beitragen, die Welt ein bisschen besser zu machen. Andererseits bezeichnet Salomo, der König und Philosoph im alten Israel, das Leben als «Haschen nach Wind», also als sinnlos. Diese Spannung gilt es auszuhalten.
Weshalb stehen Sie jeden Morgen auf? Was gibt Ihrem Leben Sinn?
Weil ich genug geschlafen habe oder der Wecker rasselt… Auch weil ich mich auf das Frühstück freue. Die Beziehungen in meinem Leben erlebe ich als sinnstiftend. Freunde, Kollegen, Frau, Kinder und Grosskinder. Auch für den Genuss des Lebens und die Freude an der Natur, am Velofahren, Lesen, Musik hören lohnt es sich für mich aufzustehen. Mit der Pensionierung stehe ich auch vor der Aufgabe, den Sinn der letzten Lebensphase für mich zu definieren. Mein spirituelles Leben auf der Grundlage des christlichen Glaubens erlebe ich sinnbildend in allen Lebenssituationen.
Andreas Steiner (Jg. 1952), Lebens- und Paarberater, bietet Impulse zur Lebensgestaltung (www.sinnbb.ch). Er lebt in Wynigen BE.
Dieser Beitrag stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 42 zum Thema «Unsere Suche nach Sinn». Hier können Sie es kostenlos herunterladen, abonnieren, bestellen und weitergeben.
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Datum: 20.09.2020
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Jesus.ch-Print Nr. 42