Wieviel Wohlstand braucht das Land?
Führende Repräsentanten wie der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sprechen von einem «Fetisch Wachstum» und fordern eine «Ethik des Genug». Aber ist Wachstum nicht unerlässlich, um den Wohlstand zu bewahren? Oder muss man künftig Abstriche am Lebensstandard machen? Dazu nehmen Wissenschaftler in der Zeitschrift der Studentenmission in Deutschland (SMD) Stellung.
Der frühere SMD-Vorsitzende, Wirtschaftswissenschaftler Prof. Hermann Sautter, stimmt einer Erklärung des «Forums Öko-Soziale Marktwirtschaft» zu, in der es heisst: «Der heutige Verbrauch fossiler Energieträger und Rohstoffe durch die Industrieländer ist weder weltweit ausdehnbar noch zukunftsfähig. Ohne eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Nutzung von Energieträgern drohen in gar nicht so ferner Zukunft massive Gefahren für das Ökosystem Erde und ernstzunehmende wirtschaftliche, aber auch weltpolitische Probleme.» Das bedeutet laut Sautter, «dass unser heutiges Wohlstandsdenken und die damit verbundene Wachstumserwartung nicht verantwortbar sind». Das westliche Wohlstandsniveau «und erst recht seine Steigerung» seien nicht auf die ganze Welt zu übertragen. Die «reichen Länder» hätten die begrenzte Aufnahmefähigkeit der natürlichen Umwelt so stark in Anspruch genommen, dass den Entwicklungsländern kein grosser Spielraum für ihr eigenes Wirtschaftswachstum bleibe, «wenn ein weltweiter Klima-Kollaps vermieden werden soll». Laut Sautter setzt eine verantwortbare Politik die Änderung des Wohlstandsdenkens voraus: «Immaterielle Komponenten des Wohlstands müssen in vermehrtem Masse die materiellen Komponenten ersetzen.»
Warum Wachstum gut ist
Der Volkswirtschaftler Prof. Christian Müller weist die Wachstumskritik zurück. Wirtschaftswachstum sei eine notwendige Voraussetzung für eine dauerhafte Zunahme des Konsumniveaus. Über eine bestimmte Rate hinausgehendes Wachstum gehe mit einem Rückgang der Arbeitslosenquote einher. Es schaffe zudem Spielräume für eine überproportionale Anhebung der Einkommen der unteren Einkommensschichten. Wirtschaftswachstum steigere ferner die Einnahmen der sozialen Sicherungssysteme und sei damit eine wesentliche Stütze des Gesundheits- und Rentenwesens.
Tipps: Mehr Gemüse essen und mehr selber herstellen
Der stellvertretende Direktor am Marburger Bildungs- und Studienzentrum, der Theologe Thomas Weissenborn, beschreibt, wie seine sechsköpfige Familie den Grundsatz «Weniger ist mehr» umsetzt. Dazu gehöre der bewusste Konsum: «Biofleisch hat seinen Preis, deshalb essen wir mehr Gemüse.» Dies sei auch besser für die Umwelt. Weissenborn plädiert auch dafür, Dinge wieder selbst herzustellen. Das beginne mit einfachen Reparaturen und grundlegenden Lebensmitteln – etwa Brot – und gehe weiter bis zum eigenen Garten. Wer einmal Zeit und Mühe in etwas investiert habe, dem falle es schwerer, es als Wegwerfprodukt zu behandeln. Seiner Familie sei es ferner gelungen, den Energieverbrauch und den Medienkonsum zu senken, so Weissenborn. Letzteres habe den positiven Nebeneffekt, «dass wir dadurch sehr viel weniger Werbung ausgesetzt sind, was wiederum die Kauflaune dämpft».
Datum: 05.10.2013
Quelle: idea