Anpassung und Widerstand

Neue Kirchenschliessungen in Europa

Anfang November 2020: die «2.Welle» der Corona-Epidemie hat in den europäischen Ländern unterschiedliche Auswirkungen auf Kirchen und Gottesdienste. In England gibt es deutlichen Widerstand.
Eine Kirche in Belfast, Irland (Bild: Unsplash)

In England verbietet der Lockdown ab dem heutigen 5. November alle religiösen Treffen. «Individuelles Gebet» ist erlaubt, aber keine Versammlungen. Kirchenleitungen nehmen das nicht ohne deutliche Kritik an der Regierung hin.

«Kein Beweis für Ansteckungsherde»

Ein Offener Brief, unterzeichnet von über 1'000 Kirchenleitern, wurde an Regierung und Parlament gesandt: «Kirchen haben grosse Anstrengungen unternommen, dass Gottesdienste nicht wieder geschlossen werden müssen (…). Der Gottesdienstbesuch bedeutet ein sehr geringes Ansteckungsrisiko, viel niedriger als viele Aktivitäten, die während dieses zweiten Lockdowns offen bleiben dürfen» heisst es darin. «Es macht uns Christen sehr Mühe, dass die Regierung des Landes, das wir lieben, uns verbietet, uns zu versammeln, den Gott anzubeten, dem unsere höchste Loyalität gehört; vor allem, wenn es keine klaren Gründe gibt, warum das notwendig sein soll.» Anglikanische Bischöfe beklagten, dass sie von der Regierung nicht vorgängig konsultiert worden sind. Gleichzeitig rufen sie auf, den Monat ohne Gottesdienste als «Monat des Gebets» zu nutzen und zu den «grundlegenden geistlichen Disziplinen, die unser Christenleben formen», zurückzukehren.

Legale Aktion angekündigt

Siebzig Kirchenleiter unterzeichneten einen Warnbrief, in dem sie legale Massnahmen gegen das Gottesdienstverbot ankündigen. In Wales erklärten evangelische Pfarrer, dass das momentane Verbot einen «extremen Eingriff» in die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit darstellt. Anglo-katholische Bischöfe fordern ebenfalls die Regierung auf, die Verbote zu überdenken. «Wir werden nie zulassen, dass Gottesdienste als entbehrlich bezeichnet werden, und wir stehen gegen eine Kultur, die sie gern als eine Aktivität unter anderen sehen will». Sie verlangen von der Regierung, die Gründe zu erläutern, die eine Schliessung der Gottesdienste rechtfertigen und weisen darauf hin, dass die Massnahmen bei vielen Menschen Ärger und Zorn auslösen. 

Ähnlich die britische Evangelische Allianz (EAUK): «Das Fehlen jedes Beweises, dass Kirchen und Gottesdienstorte besondere Quellen der Übertragung des Virus sind, macht diese Entscheidung schwer verständlich.» Die EAUK verlangt von der Regierung Fakten, die begründen, warum das Schliessen von Gottesdiensten helfen soll, die Verbreitung des Virus zu stoppen. Die meisten dieser kritischen Stellungnahmen schliessen Dankbarkeit gegenüber dem Gesundheitspersonal ein sowie die klare Verpflichtung, die Hygiene- und Distanzmassnahmen einzuhalten.

Frankreich und die Schweiz

In Frankreich dürfen sich maximal 20 Personen in Gotteshäusern treffen, aber nur aus «technischen Gründen», zum Beispiel für die Übertragung via Internet. Kirchengebäude dürfen offen bleiben, aber nur für Trauungen (mit maximal 6 Teilnehmern) und Beerdigungen (maximal 30 lebende Personen).

Die Schweiz erlaubt Versammlungen in Gotteshäusern bis zu 50 Personen, wobei einzelne Kantone diese Obergrenze weiter reduzieren – so etwa Bern mit 15 und das Wallis mit 10 Personen. Die Schweizerische Evangelische Allianz SEA anerkennt, dass die Beschränkungen «schmerzhaft» sind und ihre Auswirkungen haben werden; sie sieht sie aber nicht als «unzulässige Einschränkung der Religionsfreiheit» an. In einer gemeinsamen Untersuchung mit dem VFG stellen sie fest, dass die meisten Kirchen und Gemeinden versuchen, «eine gute Balance zwischen Online-Treffen und Kleingruppen» zu finden, aber auch «Raum schaffen, dass Menschen ihre Klage, ihre Ängste und ihre Trauer» ausdrücken können. «Trotz Pandemie bleiben Kirchen hoffnungsorientiert», fasst die SEA zusammen.

Deutschland und weitere Länder

In Deutschland wird der neue «Lockdown Light», den Kanzlerin Angela Merkel am 29. Oktober ankündigte, die Situation für Kirchen nicht ändern. Gottesdienstorte bleiben offen, und Gemeinden können selbst entscheiden, ob sie weitere Massnahmen zur Ansteckungsbeschränkung einführen wollen. Dasselbe gilt auch für Österreich; in Gottesdiensten müssen die «soziale» Distanz von 1.5 Metern, sowie Händewaschen und das Tragen von Masken eingehalten werden.

Spanien hatte im ersten Lockdown mit die strengsten Ausgangsbeschränkungen. Jetzt im Oktober bestimmen die örtlichen Kommunen über Massnahmen. Kirchen dürfen offen bleiben mit einem Maximum von 50 Prozent oder 33 Prozent ihres Fassungsvermögens. Nur in besonderen Gebieten wie Aragon wurde das Singen verboten.

In Italien und Portugal haben die neuen Massnahmen der Regierungen keinen Einfluss auf die Situation für Kirchen und Gottesdienste.

Hier sehen Sie einen Livenet-Talk, wie man Nächstenliebe im Sturm der Meinungen ausüben kann:

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Datum: 05.11.2020
Autor: Evangelical Focus / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / Christian Today

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