«Wie viel Blut steckt in deinem Smartphone?»
Seit 2007 nehmen die beiden kirchlichen Hilfswerke die Hightech-Branche im Rahmen ihrer Kampagnen unter die Lupe. Die gute Nachricht: Es hat sich seither durchaus etwas getan. Die Konzerne seien aktiver geworden und mehrheitlich daran, für bessere Herstellungsbedingungen zu sorgen, berichten die Hilfswerke. Vor allem dem Umweltschutz werde mehr Beachtung geschenkt. Die schlechte Nachricht: Die Arbeitsbedingungen in vielen Produktionsstätten insbesondere in China, sind nach wie vor miserabel. Und deshalb stellen die Hilfswerke in ihrer neuen Kampagne die provokative Frage: «Wie viel Blut steckt in deinem Smartphone?»
Die Rangliste
Weil sie es genauer wissen wollten, haben die beiden Hilfswerke im Sommer 2014 die zehn geläufigsten Marken bei Smartphones und Computern unter die Lupe genommen. Untersucht wurden die Hersteller bezüglich Arbeitsrechten, Umwelt und «Konfliktrohstoffen» – Rohstoffen also, die in Konfliktregionen wie der Demokratischen Republik Kongo unter höchst problematischen Umständen beschafft werden.
Das Ergebnis dieses in der Schweiz erstmals durchgeführten «Ethik-Rankings»: Die Unterschiede sind teilweise enorm. Zwar noch nicht Musterschüler, aber «auf gutem Weg» sind bloss zwei der zehn Marken: HP (Hauptsitz USA) und Nokia (Finnland). Apple (USA) und Dell (USA) sind «mittelmässig», Lenovo (China), Acer (Taiwan), Samsung (Südkorea) und Sony (Japan) «ungenügend». Klare Schlusslichter sind die Marken Asus (Taiwan) und HTC (Taiwan): Beide erhalten das Prädikat «inakzeptabel».
Der Fluch der Bodenschätze
Kupfer, Coltan, Gold, Kasserit: Diese Rohstoffe werden bei der Produktion von Smartphones verwendet. Es sind Bodenschätze, die sich gehäuft in der Demokratischen Republik Kongo finden. Der Abbau dieser Mineralien vor allem in der Region Kivu führt dort seit Jahren zu Vertreibungen, zu Umweltzerstörungen und zu kriegerischen Konflikten. Bewaffnete Banden kämpfen um diese Ressourcen.
Die Zeche bezahlt die Bevölkerung: «Der Bergbau trägt wenig zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in den Bergbaugebieten bei», sagte der kongolesische Bischof Fridolin Ambongo, Präsident der Bischofskommission für natürliche Ressourcen, vor den Medien. Was ein Reichtum sein könne, sei zur Ursache des Unglücks geworden. Hauptgrund: Die kongolesische Regierung nimmt ihre Verantwortung nicht wahr. Sie sei zu schwach, um dafür zu sorgen, dass der Abbau der Bodenschätze unter gesetzlich klar geregelten Bedingungen stattfinden könne, sagte Ambongo.
Schuften bis zu 14 Stunden pro Tag
Dort, wo die Smartphones und Computer heute weitgehend produziert werden, insbesondere in China, liegt gemäss Untersuchung noch sehr viel im Argen. Etwa bei der Verwendung von giftigen Stoffen in der Herstellung der Geräte. Es würden noch immer Chemikalien verwendet, die in Europa längst verboten seien, heisst es etwa. Und dies habe fatale Folgen sowohl für die Arbeitenden wie für die Umwelt.
Bis zu 14 Stunden täglich arbeiten in ungezählten chinesischen Produktionsstätten Hunderttausende am Fliessband. Und dies zu einem Lohn, der zum Leben nicht reicht. Pui-Kwan Liang, Projektverantwortliche bei der Nichtregierungsorganisation Sacom aus Hongkong, schilderte die Situation so: «Um Lagerkosten zu sparen, bestellen die Konzerne extrem kurzfristig. Den Druck geben die Zulieferunternehmen an ihre Beschäftigten weiter: Bis zu 50 Überstunden pro Woche müssen sie leisten, um die Lieferfristen einzuhalten.» Und dies, obwohl die chinesische Gesetzgebung nur maximal 36 Überstunden pro Monat erlaubt. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter hätten jedoch keine andere Wahl, weil die Grundlöhne zum Leben nicht ausreichten.
Als passiv und minimalistisch kritisiert werden die auftraggebenden Marken in der Frage der Arbeitsrechte. Mehr als die Hälfte der bewerteten Marken begnüge sich damit, einen Verhaltenscodex zu verabschieden, ohne jedoch wirksame Massnahmen zu ergreifen, heisst es in der Untersuchung. Grundsätzlich fehlten bei allen Unternehmen «glaubhafte Massnahmen, um die Arbeitenden zu stärken». Davon wären allein in China sehr viele Menschen betroffen. Im Jahr 2006 arbeiteten dort rund 7,6 Millionen Menschen in der Produktion von Elektronikprodukten – was fast die gesamte Bevölkerung der Schweiz ausmacht.
Datum: 10.09.2014
Autor: Josef Bossart
Quelle: Kipa