Nothilfe, die ankommt
Livenet: Vlad,
du verteilst seit 2014 regelmässig mit «Licht im Osten» Lebensmittelpakete,
Brot, Hygienepakete und Kleider in der Kriegszone. Wie bist du dazu gekommen?
Vlad: Alles fing 2014 mit dem Kriegsausbruch
an. Unsere Hilfe war eine Antwort auf die Nöte der Menschen. Die Städte und Dörfer
wurden vom echten Krieg überrollt: Zerstörung, Leid, Tod, Krankheiten, Hunger
gehörten auf einmal zur Tagesordnung. Die
Menschen mussten unerwartet fliehen. Sie liessen ihre Häuser, ihr ganzes Hab
und Gut zurück, viele von ihnen haben alles verloren. Wir wurden Augenzeugen
von diesen Ereignissen und zugleich Teilnehmer.
Gott liess uns die Angst, den Gräuel und die Schrecken des Krieges persönlich spüren! Das einzige, was wir Christen in dem Augenblick tun konnten, war diesen Menschen zu helfen.
Wie läuft
so ein Hilfseinsatz ab?
Unser Team organisiert dank der
Finanzen von «Licht im Osten» den Einkauf und die Verteilung von
Lebensmittelpaketen und Broten. Wir sind 15 Helfer und Helferinnen im
Sozialen Hilfszentrum Saporoschje. Ich selbst bin für die Fahrten und Verteilung im
Kriegsgebiet verantwortlich. In der Regel fahren wir zweimal pro Woche zu
sechst zu verschiedenen Ortschaften hinaus. Unser Team bekommt regelmässig Informationen,
welche Dörfer beschossen wurden und wir sind bemüht gerade diese Ortschaften zu
besuchen. Aber auch die lokalen Einwohner informieren uns immer über die Lage
in ihrem Dorf. Vor jeder Fahrt beten wir und entscheiden je nach Notlage, wohin
wir fahren und wie viele Lebensmittel wir mitnehmen.
In der Regel versammeln sich die Leute und warten auf uns an einem sicheren Ort, manchmal ist es ein Luftschutzkeller. Wir sagen den Leuten immer vor der Verteilung der Hilfe, wer wir sind und warum wir das tun. Wir lesen aus dem Evangelium und verteilen danach die Pakete und Hilfsgüter an alle Anwesenden. Auch sagen wir immer den Leuten, dass es Menschen in der Schweiz gibt, denen die Ukrainer nicht egal sind.
Wie ist die
Lage aktuell im Kriegsgebiet?
Die Situation im Kriegsgebiet ist
seit einiger Zeit unverändert: totale Arbeitslosigkeit, Stockungen bei den
Lieferungen der Lebensmittel und Wasser, geschlossene Krankenhäuser und
Kindertagesstätten, ständige Verzögerung der Auszahlungen der Sozialleistungen
und Renten. Es wird ständig geschossen. Die Ortschaften mit der zivilen
Bevölkerung werden nicht geschont. Das Traurigste dabei ist, dass in den
Gebetshäusern Pastoren und Freiwillige fehlen und Menschen ohne geistliche
Unterstützung geblieben sind.
Es bleibt immer die Gefahr, unter Beschuss zu geraten oder zum Schussziel eines Scharfschützen zu werden oder auf eine Mine zu treten. Es sind viele Fälle bekannt, dass Scharfschützen der besetzten Seite auf die ehrenamtlichen Helfer geschossen haben. Wir wissen, dass seit dem Kriegsausbruch ein paar Dutzend Ehrenamtliche ums Leben gekommen sind, viele von ihnen, wie ich selbst, gefangengenommen wurden. Wir versuchen, Schutzwesten zu tragen. Wir haben leider keine eigenen. Je nach Möglichkeit leihen wir sie von den Militärleuten aus.
Warst du
und dein Team schon mal selbst in Lebensgefahr?
2014 während einer Fahrt wurde ich von
bewaffneten Militärleuten gefangen genommen. Sechs Tage lang erlebte ich brutale
Misshandlung, Schläge und Torturen im Gefängnis. Ehre unserem Gott! Dank der
Gebete der Gemeinden wurde ich von den Erlebnissen geheilt und bin heute frei. Nicht
selten wurden wir als Team von den Scharfschützen beschossen oder gerieten in
die Schusslinie der Granatwerfer. Mehrmals mussten wir mit der lokalen
Bevölkerung im Schutzkeller Zuflucht suchen.
Du beendest deine Posts auf Facebook mit dem Zitat: Tue Gutes und verzage
nicht! Ist das dein Lebensmotto? Was hat das für eine Bedeutung?
Diese Stelle aus der Heiligen Schrift
steht im Galaterbrief, Kapitel 6, Vers 9: «Lasst uns aber Gutes tun und nicht
müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht
nachlassen.» Das spiegelt meinen Glauben an Jesus Christus wider und motiviert mich
zum Dienen und Verkündigen.
Hat der Krieg dich
und die Ukrainer generell verändert?
Ja, der Krieg hat mich verändert. Er hat mir gezeigt, wie vergänglich und wertlos das Irdische ist. Schmerz, Tod und Sorgen der Menschen sind ein Teil meines Lebens geworden. Es wurde mir bewusst, dass mein Auftrag ist, Gottes Wort weiterzugeben und den Menschen zu helfen. Ich sehe, dass der Krieg die Herzen der Menschen für geistliche Werte empfänglicher gemacht hat. Für uns ist das eine wunderbare Möglichkeit, ihnen die Liebe Gottes über die Lebensmittelpakete und Kleider zu bringen!
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Datum: 11.10.2018
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet