Frisches Wasser aus alter Getränkefabrik
aus der Factory Luzern angezogen. Bewohner und Passanten des kreativ-esoterisch geneigten Stadtteils finden bei spontanen Besuchen einen besonderen «Kraftort».
«Es war eine Getränkefabrik, als Symbolik ist das schon noch schön. Ab 1949 wurden diese Räume noch als Coca-Cola-Fabrik genutzt», sagt Andreas Fuhrer-Bernard, Leiter der Factory Luzern.
«Die Heilsarmee gibt es schon lange in Luzern, doch die Arbeit wurde immer kleiner – die Frage tauchte auf, ob der Standort aufgegeben werden soll.»
Andreas und Anne-Marie Fuhrer-Bernard wurden mit der Pionieraufgabe nach Luzern geschickt, um die Heilsarmee ohne Vorgabe neu zu erfinden. «Das bisherige Gebäude hätte aufwändig renoviert werden müssen. Auf der Suche nach provisorischen Räumen entdeckte unser Vorgänger diese alte Fabrik. Daraus entstand die Idee, dass dieses Lokal viel interessanter wäre, um hier mitten im kreativ-alternativen Bruchquartier eine neue, nicht-traditionelle Arbeit zu beginnen.»
Malatelier direkt neben Bühne
Die Nachbarschaft ist spirituell und kreativ mit beispielsweise zwei Shabby-Chic-Geschäften, Kunsthandwerkern, beliebten Bistros und einer Kaffeerösterei. Unter anderem siedelt hier auch ein Hexenladen und eine Synagoge, zu welcher Andreas gute persönliche Kontakte unterhält. «Die Factory Luzern ist ein Ort der Begegnung, die Kirche gehört ins Dorf. Deshalb wohnen wir auch selber im Quartier.»
Die Factory beinhaltet unter anderem eine Kunstgalerie, ein Malatelier direkt neben der Bühne und ein kleines Café, dessen Schaufenster mit Kreidestiften bemalt ist und das zum Eintreten lädt. «Es gibt Events wie Jazz-Konzerte, es ist ein Ort der Anbetung. Zunächst wollten wir auch ein Gebetshaus integrieren – zeitgleich aber ist nun bereits eines in Luzern entstanden.»
Löwe des Lichts
«Bevor wir nach Luzern kamen, waren wir in Genf in einer sehr multikulturellen Arbeit engagiert. Aus dieser Zeit kennen wir Scott MacLeod, den Autoren von 'Der Löwe des Lichts', wo das Luzerner Löwendenkmal eine zentrale Rolle spielt. Wir hatten ebenfalls die Möglichkeit, seine Creative-Ministry-Arbeit in Nashville zu besuchen. Daraus sind wesentliche Impulse für das Factory-Projekt entstanden, speziell im Bereich unserer Schwerpunktthemen Anbetung und Kreativität.» Daraus sind die Impulse für das Factory-Projekt entstanden.
Es gehe darum, das Umfeld zu erreichen und darum, Gesellschaftsrelevant zu sein und kontextbezogen zu arbeiten. «Die Factory ist sehr durch das Umfeld inspiriert. Sie fiel uns als himmlisches Geschenk in die Hände. Sonst hätten wir es wohl nicht gewagt, einen kreativen Standort zu entwickeln. Doch es passt genau in diesen Kontext und wir können zum Leben im Bruchquartier beitragen.»
«Was braucht unsere Welt für eine Kirche?»
Durch immer wieder neue künstlerische Installationen im Schaufenster und Kreativkurse soll das Umfeld erreicht werden. «Viele Leute schauen spontan in die Factory herein, darunter auch viele Kulturschaffende. Da meine Frau selber eine Ausbildung als Balletttänzerin hat, entstand zum Beispiel aus solch einer Begegnung die Idee, unser Schaufenster an den Luzerner Tanztagen als Bühne benützen zu dürfen. Mal schauen, was daraus wird…»
Der Traum ist, am lokalen Kulturleben teilzunehmen und nicht einzig in einer christlichen Blase zu leben. «Durch das Kulturelle können wir auf die Leute zugehen. Wir sollen Salz und Licht sein. Es geht darum, als Kirche ein Teil vom Leben sein, damit Menschen mit dem Reich Gottes in Verbindung und in seine Gegenwart kommen.»
Mit Gsus-Akkord raus aus dem Corona-Blues
Die Welt, die aus dem Corona-Blues rauskommt, brauche fröhliche Menschen, um weiter zu leben, erklärt Andreas Fuhrer-Bernard. «Wir organisierten für unsere Nachbarn ein Grillfest. Gegen 30 Leute aus dem Quartier kamen, vom Reisebüro, Coiffeur, Vermieter, Nachbarn und so weiter. Es gab keine evangelistische Message oder sonst ein Programm. Wir wollten einfach nur unsere Freude am Leben teilen. Wenn jemand Leben vermitteln kann, dann müssten das doch wir Christen sein!»
«Jesus und Zachäus ist eine meiner Lieblingsgeschichten – seine Kirche war da, wo die Leute sind, Jesus, der mit den Menschen isst und sie annimmt und ehrt, bevor sie umgekehrt sind», bilanziert Andreas Fuhrer-Bernard. «Wie können wir das Lokal, das uns Gott geschenkt hat, so anbieten, damit wir bei den Menschen daheim sind? Auf dem Sofa, mit einer Juke-Box und den guten, alten Schallplatten.» Und mittendrin steht die «Wunderbar», einzig Alkohol wird nicht ausgeschenkt, dies ist ein Markenzeichen der Heilsarmee. Die «Wunderbar» ist eine Maschine, mit vielen Riemen und Rädern, die mit einer Kurbel angetrieben werden. Die Musik, die erklingt, ist auf den G-sus-Akkord gestimmt; G-sus in Englisch ausgesprochen klingt wie «Jesus» auf Englisch.
Anbetung – wo Gott gegenwärtig ist
Für das Paar sei es zunächst eine Herausforderung gewesen, von Genf wegzuziehen. «Ich sah mich nicht als Pionierarbeiter und bin kein Evangelist. Ich kam mir vor wie jemand, der ein Haus bauen sollte, aber nicht weiss, wie er zu Konstruktionsmaterial kommt. Da sagte mir Gott: 'Du bist doch ein Anbeter! Das ist deine Ausrüstung als Gemeindebauer!' Das schenkte mir eine neue, evangelistische Perspektive der Anbetung: Das ist ein Moment, ein Ort, wo Menschen Gott begegnen und seine Kraft erfahren, auch wenn sie Jesus vielleicht noch gar nicht kennen. Zum Beispiel ein Esoteriker, der von Kraftort zu Kraftort geht, wird hier einen hoffentlich noch überzeugenderen Kraftort finden.»
Neue Zugänge
«Insbesondere im Bereich der Anbetung möchten wir einen freien Raum anbieten, wo vieles und auch Neues möglich ist. Während eine Person ein Bild malt, geniesst jemand anders einfach den Moment mit Gott auf dem Sofa», erklärt Andreas Fuhrer-Bernard.
«Kürzlich kam ein älterer Herr herein und ich erklärte ihm, was wir machen. Er sagte, dass er Kunstmaler ist und zu Live-Jazz-Musik Bilder malt. Wir machen etwas ähnliches, bei uns wird prophetisch gemalt. Er findet es gar nicht komisch, er findet einen Gleichgesinnten.»
Kein Köder
«Wenn wir zum Beispiel einen Jazz-Brunch organisieren, soll dies nicht einfach nur ein 'evangelistische Köder' sein. Wir sollen uns nicht nur für unsere Nachbarn interessieren, solange sie für uns potentielle 'Bekehrungsopfer' darstellen. Wir wollen echte Beziehungen aufbauen und etwas Wertvolles zum Quartierleben beitragen. Deshalb kaufen wir im Quartier ein und investieren uns im Komitee des Quartier-Weihnachtsfestes.»
Andreas Fuhrer stellt fest, dass es im Bereich der Kreativtät im Leib Christi vieles zu entdecken gibt. «Leute wie Lilo Keller von der Stiftung Schleife gehören da seit langem zu den Pionieren, aber es nicht noch nicht Allgemeingut.» Im Verlaufe der Kirchengeschichte sei vieles verloren gegangen, insbesondere in der Folge der Reformation. «Doch so, wie die Anbetung wieder zurück in die Kirche kam, erleben wir eine neue 'Renaissance' im Bereich des Kreativen.» Dem soll die Factory Raum bieten.
Entwickeln und entfalten
«Die Factory ist ein Ort, wo Gott, der Schöpfer, Raum gibt, ein Ort, wo man sich entwickeln und entfalten und sich als Christen vertiefen kann.»
Für den weiteren Aufbau des Factory-Betriebes sowie für die neue Gemeinde, soll das Pionier-Team ausgebaut werden. «Wir suchen Einzelpersonen oder Familien, die bereit sind, sich mit uns auf dieses Abenteuer einzulassen, um in Luzern eine neue Gemeinde aufzubauen und die dabei bereit sind, neue Wege zu gehen. Wir beginnen im September einen zweijährigen Gemeindegründungsprozess.»
Wer sich angesprochen fühlt, erreicht die Factory unter factory@heilsarmee.ch oder via Webseite.
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Datum: 10.08.2021
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet