Übergänge des Lebens im Gottesdienst begehen
Darin werden Orientierungen aus freikirchlicher Perspektive zu Gottesdiensten und Liturgien wie Abdankungen, Abendmahl, Kindersegnung, Taufe oder Trauungen ausgeführt.
Was sind eigentlich religiöse Veranstaltungen bei einer Freikirche? Diese Frage ist interessant, weil in der Schweiz auch die Freikirchen von der Ausnahmeregelung des Bundesrates profitieren und sich weiterhin für Gottesdienste bis zu 50 Personen treffen können.
Jugendsegnung gehört auch dazu
Anders als nur die «Big Four» – christliche Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung – haben die Freikirchen sich entschlossen, auch Unterlagen für Jugendsegnung und den biblischen Unterricht aufzunehmen. Dabei handelt es sich – ähnlich einer Konfirmation oder Jugendweihe – um eine gottesdienstliche Feier, die nach der Vorbereitung den bedeutsamen Übergang von der Kindheit zum Erwachsenen begleitet.
Jede dieser grossen Veränderungen im Leben und Sterben von Menschen wird von Unsicherheit und offenen Fragen begleitet. Weil Gewohntes verlassen wird, braucht die Überwindung der Ungewissheit Mut, Neues anzugehen. «Dabei möchte Gott als Schöpfer des Lebens vertrauenswürdigen Segen und begleitende Nähe schenken», erklären die Verfasser der Kasualien-Unterlagen.
126 seitiges Grundlagenpapier
Insgesamt haben die drei Freikirchenverbände «Bund Freier Evangelischer Gemeinden» (FEG), «Chrischona Schweiz» und «Vereinigung Freier Missionsgemeinden» (VFMG) ein 126-seitiges Grundlagenpapier für die Kasualien ausgearbeitet. Kasualien bezeichnet man auch als «rites des passages» oder Schwellenrituale, da sie an unterschiedlichen Übergängen des Lebens begangen und öffentlich im Gottesdienst gefeiert werden. «Bei jedem dieser besonderen gottesdienstlichen Anlässe geht es darum, die frohe Botschaft von Jesus Christus konkret in und über das Leben der Menschen zu stellen, die sich neu orientieren müssen in ihren jeweiligen Lebensphasen», so die Verfasser.
Der etwas veraltete Begriff der «Amtshandlungen» weist darauf hin, dass es sich bei den Kasualien um eine pastorale Kerntätigkeit handelt, die auch «Königsklasse des pastoralen Dienstes» genannt wird. Peter Schneeberger, Präsident des Dachverbandes Freikirchen.ch, freut sich über das neue Werk: «Mit der Lancierung der Kasualien-Unterlagen ist ein wichtiger Beitrag zur Objektivierung der freikirchlichen Liturgie entstanden, was wohl ziemlich einmalig ist in der Schweiz.»
Ideen für Gestaltung der Gottesdienste
Im vorbereitenden Kasual-Gespräch, der liturgisch-homiletischen Durchführung im Gottesdienst und der persönlichen Begleitung im Nachhinein wird deutlich: Es ist anspruchsvoll, Menschen in ganz privaten Situationen seelsorglich zu begleiten und Menschliches mit Göttlichem in Verbindung zu bringen.
«Der Sinn und Zweck dieser Handreichung besteht darin, dass wir einen Beitrag leisten wollen, damit kasuale Handlungen in Gottesdiensten für alle Beteiligten zu geistlich lebendigen Ereignissen werden. Sie sollen etwas von der unsichtbaren Realität Gottes in unserem Leben segensvoll sichtbar machen», erklärt Dr. Jürg Buchegger. Er hat als Leiter Theologie und Pastoren FEG Schweiz die Neugestaltung der Kasualien-Unterlagen zusammen mit Christian Seitz (Regionalleiter Chrischona Schweiz) und Gerhard Prigodda (Theologe VFMG) geleitet. Buchegger: «Wir erhoffen uns damit, eine praktische Hilfestellung für die geistliche Vorbereitung und wertvolle Ideen für die konkrete Gestaltung der Gottesdienste zu bieten.»
Professoraler Support
Professor Stefan Schweyer arbeitete als Fachbeirat an den Kasualien-Unterlagen mit. Er hat 2020 an der Universität Freiburg habilitiert und arbeitet nun als Ordentlicher Professor für Praktische Theologie. Seine Promotion in Liturgiewissenschaft trägt das Thema «Freikirchliche Gottesdienste - Empirische Analysen und theologische Reflexionen». Die Habilitationsschrift wurde zu einem Grundlagenwerk für die praktische Gestaltung der freikirchlichen Anlässe. «Ich wurde bisher in über 60 Kirchen und Werken zu Workshops und Seminaren zum Thema Gottesdienst und Gottesdienstgestaltung eingeladen», erklärt Stefan Schweyer. Das weise darauf hin, dass es sich nicht nur um eine wissenschaftliche Studie im Elfenbeinturm der Theologie handle, sondern dass hier eine Wechselwirkung zwischen universitärer Forschung und freikirchlicher Praxis erkennbar sei. Entsprechend sind wichtige Erkenntnisse in die Kasualien-Unterlagen eingeflossen.
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Datum: 15.02.2021
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: freikirchen.ch