«Gott will Wachstum»
Artur Siegert: In unserer Gemeinde fragten wir uns, wie wir Menschen auffangen können, die neu zum Glauben finden. Uns wurde sehr schnell klar, dass wir in Leiter investieren müssen, um die Strukturen zu stärken. Wir entwickelten ein Konzept, das besonders für Vielbeschäftigte interessant ist. Schulungstage finden nur alle drei Monate statt. Zudem ist der Kurs absolut praxisorientiert. Nur Personen, die selbst in Führungsverantwortung stehen, unterrichten. Das sind Leute aus der Wirtschaft, aus dem Gesundheitswesen und aus dem Gemeindekontext. Wir gehören zudem keiner Denomination an, damit möglichst viele verschiedene Personen zusammenkommen. Wir glauben, dass auf der gegenseitigen Wertschätzung geistlicher Segen liegt.
Macht es für Sie keinen Unterscheid, ob man in einem Unternehmen oder einer Gemeinde führt?
Ich würde sagen, dass es komplexer ist, eine Gemeinde zu führen als
ein Unternehmen, weil man es im Wesentlichen mit Ehrenamtlichen zu tun
hat. Es ist auch eine schönere Aufgabe, weil man niemanden zu etwas
zwingen will, sondern eine Plattform bietet, damit Leute ihr Potenzial
entdecken und sich gerne engagieren. Aber es gibt auch viele Parallelen.
Ein guter Leiter, der eine Gemeinde leiten kann, könnte
höchstwahrscheinlich auch eine Firma leiten. Andersherum ist das nicht
unbedingt der Fall. Die Gemeinde gehört Gott, als Leiter sehe ich mich
nur als Vertreter. Darum muss ich eine starke Verbindung zu Jesus haben,
um eine Gemeinde zu leiten.
Was kann ein Pastor von einem Unternehmer lernen?
Zum Beispiel Schritte zu wagen, grösser zu denken und Ziele zu
setzen, die über das hinausreichen, was man gerade macht. Wenn ich als
Leiter keine Vision habe, dann passiert in der Gemeinde dasselbe wie in
einem Unternehmen. Es geht darum, die Mitarbeiter von Veränderungen zu
überzeugen und sie mitzunehmen, aber auch die Geschwindigkeit
anzupassen. Doch wenn man nur über Vision redet, sich aber nichts tut,
dann verlieren die Leute die Lust, sich einzusetzen. Jeder will an etwas
mitarbeiten, das Sinn macht und wo sich Erfolge einstellen.
Wie definieren Sie Erfolg in der Gemeinde?
«Erfolg» ist für mich ein Synonym für das biblische Wort «Frucht» und
für Wachstum. Das ist nichts Weltliches, im Gegenteil, Gott will
Wachstum, die ganze Schöpfung ist auf Wachstum angelegt. Wenn Pflanzen
nicht wachsen, dann sind sie tot. Alles, was gesund ist, wächst. Daran
orientiert sich unser Denken in allen Bereichen. Aber wir können das
Wachstum nicht selbst generieren, das Wachstum schenkt Gott. Ich kann
eine Pflanze nicht grossziehen, aber ich kann sie ans Licht stellen und
giessen, dann wird sie wachsen. In der Gemeinde müssen wir begiessen und
ins Licht stellen, dann werden wir früher oder später auch Wachstum
erleben.
Sie haben gesagt, dass viele Pastoren nicht wissen, wie man «eine Wirkung» erzielt. Was meinen Sie damit?
Wirkung erzielen heisst «Einfluss haben», etwas zum Positiven
verändern. Das ist übrigens die wichtigste Aufgabe von uns Christen. In
der Bibel wird das Bild von «Salz und Licht» gebraucht. Sowohl Salz als
auch Licht hat eine Wirkung. Oft erzielen wir Pastoren sehr einseitig
durch Lehre Wirkung, aber weniger durch Leitung. In der Bibel gibt es
die Gabe der Leitung. Wir müssen dieses Mandat mutig und gleichzeitig
demütig annehmen.
Ist der «fünffältige Dienst», das gabenorientierte Arbeiten wichtig, um eine Wirkung zu erzielen?
Ich glaube, es war schon immer die Idee, dass wir im Team arbeiten.
Bei uns in der Gemeinde arbeiten lauter fitte Leute mit, aber jeder kann
nur etwas Bestimmtes besonders gut. Ich bin kein besonders guter
Prediger, darum predige ich nicht oft. Andere machen das dagegen
leidenschaftlich gerne. Wenn man die vielseitigen Begabungen
berücksichtigt, macht alles nicht nur mehr Spass, es drückt auch
gegenseitige Wertschätzung aus. Das hat etwas mit Demut zu tun. Ich
nehme mich in einzelnen Bereichen zurück und sehe das Potenzial im
anderen. Die Gaben sind dazu da, dass wir alle unser Potenzial entdecken
und einsetzen können. Wenn wir unsere Augen darauf richten, können wir
in unseren Gemeinden Grosses leisten.
Im Kurs sollen sowohl CEO als auch 18-Jährige zusammen lernen. Was kann ein Geschäftsführer von einem Teenager lernen?
Ich habe einen Freund, der ein Unternehmen leitet und regelmässig
junge Leute einlädt, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Jungen
lernen sehr viel von ihm, weil er seine Werte vorlebt. Sie erfahren
Ermutigung, weil er an sie glaubt. Gleichzeitig hält ihn das sehr jung.
Er wird herausgefordert, über Dinge neu nachzudenken. Die junge
Generation tickt ganz anders. Wenn es darum geht, die Gesellschaft zu
erreichen, dann können wir sehr viel von ihnen lernen.
Dennoch hat man den Eindruck, dass die Unterschiede zwischen den
Generationen immer grösser werden. Die Entwicklungen gehen immer
schneller.
Ich glaube nicht, dass der Generationenkonflikt grösser geworden ist,
aber es gibt ein Geschwindigkeitsproblem. Viele haben den Eindruck,
etwas verpasst zu haben. Ich sehe die verschiedenen Generationen aber
als Chance und nicht als Problem und benutze das Bild von einem Pfeil,
der aus drei Teilen besteht. Die jungen Leute sind die Pfeilspitze, die
mitten in der Gesellschaft stehen. Wenn wir ihnen helfen, eine
Schlagkraft zu entwickeln, dann liegt da unglaublich viel Power drin.
Der Schaft ist meine Generation, die versucht, die Generationen
zusammenzubringen. Die älteren Leute sind die Federn, die dafür sorgen,
dass der Pfeil in der Spur bleibt und sein Ziel trifft. Junge Leute
wollen von Älteren lernen, solange Neues nicht immer gleich verteufelt
wird.
Sie wollen auch die Denominationen von der Brüdergemeinde über
Charismatiker bis zur Landeskirche zusammenbringen. Müssen dafür die
theologischen Unterschiede in den Hintergrund rücken?
Ich vermute, dass 95 Prozent der Unterschiede mit Kultur und
Tradition zu tun haben und nichts mit Theologie. Also legen wir den
Fokus nicht auf die Unterschiede, sondern auf den Auftrag, den Gott uns
gibt: Menschen mit dem Evangelium in Berührung zu bringen, damit sie
anfangen, Gott und einander zu lieben. Ich rede nicht darüber, ob Frauen
leiten dürfen oder ob ein Schlagzeug auf der Bühne stehen darf. Der
erste Schritt ist immer, gemeinsam in die Bibel zu schauen und zu
fragen, wozu Gemeinde überhaupt da ist. Gemeinde heisst nicht, jeden
Sonntagmorgen einen Gottesdienst zu veranstalten oder Lobpreismusik zu
spielen. Wenn wir uns auf unseren Auftrag konzentrieren, wird es
einfacher, Dinge zu verändern.
Sie sagen, dass es in Gemeinden eine «Lernkultur» braucht. Müssen Christen lernen, zu lernen?
Ich glaube, dass wir Christen von allen lernen können, wir sind aber
oft relativ hochmütig. Mit Lernkultur meine ich aber noch viel mehr als
das. Junge Leute brauchen eine Plattform, auf der sie etwas ausprobieren
können – auch wenn es nicht rund läuft. Ich bin dafür, dass wir unser
Bestes geben, aber ich bin nicht für Perfektion. Man muss Fehler machen
dürfen. Wenn das in einer Gemeinde nicht geduldet wird, bringt es
nichts, die Leute zu uns in die Schulungen zu schicken.
Das K5-Leitertraining kommt in die Schweiz
Das Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) bringt das
K5-Leitertraining per Livestream in die Schweiz. In Deutschland ist das
Konzept überraschend schnell gewachsen. Über 3'200 Personen haben sich
bereits für den erst dritten Durchgang angemeldet. In der Schweiz führt
das IGW die Kurse
in Aarau, Basel und Zürich durch. Die neun
Schulungstage sind über drei Jahre verteilt. Start: 9. Juni 2018, Ende:
29. August 2020.
Zur Webseite:
K5-Leitertraining bei IGW
Artur Siegert
Artur Siegert (48) ist verheiratet mit Lena und hat zwei eigene und zwei adoptierte Kinder. Er ist Pastor der Kirche für Oberberg in Gummersbach, Nordrhein-Westfalen, und leitet das K5-Leitertraining in Deutschland. Sein Lebensmotto: Mit Gott im Gespräch bleiben, Menschen authentisch lieben und sich auf die Stärken konzentrieren.
Zur Webseite:
K5-Leitertraining
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Datum: 09.04.2018
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: idea Spektrum Schweiz