EKD-Vorsitzender sucht Zusammenarbeit mit gemässigten Muslimen
Der EKD-Ratsvorsitzende muss gewusst haben, dass seine Ankündigung starke Proteste hervorrufen würde. Zu sehr sind der Islam und ein «richtiger» Umgang damit im Fokus des allgemeinen Interesses. Wie berechtigt sind aber die Ängste, dass das Christentum weiter an Profil verliert? Oder die Kritik, dass ein evangelischer Bischof in solch einem Rahmen nichts verloren hat? Wie berechtigt ist die ebenfalls vorhandene Erwartung, dass Bedford-Strohms Einsatz das Zusammenleben in München positiv beeinflussen kann?
Grundsätzliche Gedanken
Keine Frage: Das Thema ist emotional aufgeheizt. Es ist also wenig hilfreich, mit dem roten Tuch «Islam» zu winken und Stimmung gegen Bedford-Strohm zu machen, ohne zu klären, worum es bei seiner geplanten Mitarbeit eigentlich geht. So wurde z.B. im deutschen evangelischen Nachrichtenmagazins Idea anfänglich eine falsche islamische Organisation als Gesprächspartner beschrieben, die zitiert und aufgrund dieser Zitate dann kritisiert wurde. Inzwischen veröffentlichte Idea eine Gegendarstellung und entschuldigte sich dafür.
Genauso wenig hilfreich ist es, das Zauberwort «Dialog» voranzustellen, ohne zu fragen, wer hier mit wem worüber ins Gespräch kommen soll. Oder ob es sich tatsächlich um Gespräche auf Augenhöhe handeln wird. Es ist offensichtlich schwierig, Bedford-Strohms Position zu bewerten oder zu einer eigenen Meinung zu finden, ohne anderen vorschnell – je nach Prägung – Rückwärtsgewandtheit oder einen Ausverkauf des christlichen Glaubens vorzuwerfen. Beides ist nicht hilfreich.
Was ist geschehen?
Der EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, erklärte letzte Woche seine Bereitschaft, zusammen mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, und Vertretern anderer Religionen im Kuratorium des Münchner Forums für Islam (MFI) mitzuarbeiten. Gegenüber Idea erklärten beide, dass sie Imam Idriz und mit ihm «jene Kräfte im Islam stärken wollen, die die Werte des Grundgesetzes bejahen, und mit ihnen gemeinsam Wege in die Zukunft bauen». Das MFI ist ein lokales Projekt, das sich zur Aufgabe gemacht hat, einem Islam ein Forum zu bieten, der jegliche Gewalt im Namen Gottes scharf zurückweist und sich für Religionsfreiheit und Menschenrechte einsetzt.
Manche sagen: Vorsicht!
Wie andere evangelikale Christen mit ihm fürchtet Ulrich Neuenhausen, Leiter des Arbeitskreises Islam der Deutschen Evangelischen Allianz, dass die grundsätzlichen Unterschiede zwischen der evangelischen Kirche und dem Islam zunehmend kleingeredet würden. Er vermisst laut Idea «die Überzeugung, dass auch Muslime die gute Nachricht brauchen». Der Vorsitzende der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern, Andreas Späth, fragt, «wie man gleichzeitig Bischof sein und eine andere Religion fördern kann». Auch kommen Bedenken zur Sprache, die islamistische Einflussnahme durch die geplante Finanzierung des Projektes durch Spenden aus den Golfstaaten befürchten. Die meisten Bedenken und Vorwürfe gehen in die Richtung, dass ein evangelischer Bischof sich mehr um «seine» Christen als um Muslime kümmern sollte – und sich ihnen nicht so stark annähern dürfte, dass er dabei eigene Überzeugungen verleugne.
Andere sagen: Das ist eine Chance!
In München leben Menschen unterschiedlicher Religionen, auch sehr viele Muslime. Eine lokale Initiative, die nicht glaubensmässige Unterschiede einebnen möchte, sondern nach funktionierenden Formen des Zusammenlebens sucht, kann dadurch zu einer Kraft des Friedens und der Versöhnung werden. Dies gilt gerade angesichts von weltweiten Unruhen und von IS-Anhängern auch in Deutschland. Bedford-Strohm betont in einer Facebook-Stellungnahme die «Bringschuld der Religionen» und unterstreicht: «Es gibt … die Realität des Islam und der Muslime, gerade auch in Deutschland, die den Mut haben, sich gegen den radikalen Islam zu stellen und die die Werte unseres Grundgesetzes bejahen … Dafür ist das geplante Islamzentrum in München ein wichtiges Forum.» Wer Bedford-Strohms Engagement positiv bewertet, sieht es meist als Chance, sich vom christlichen Glauben her für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Den Islam dabei per se als Religion der Gewalt abzutun ist aus dieser Sicht genauso verkehrt wie das Christentum nur durch die Kreuzzüge zu charakterisieren.
Entscheidungen im Hier und Jetzt fällen
Und welche Meinung ist jetzt richtig? Wirklich «biblisch» ist jedenfalls keine von ihnen, denn solch eine Situation wird in der Bibel nicht beschrieben. Und ein frommer Schlagabtausch zwischen «Zieht nicht am Joch mit den Ungläubigen» und «Soweit es an euch liegt, lebt mit allen Menschen in Frieden» bringt die Diskussion auch nicht weiter. Je nach theologischer Prägung und persönlichen Erfahrungen kommen Christen bei diesem Thema zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wichtig ist es, beide Seiten mit ihrem Anliegen ernstzunehmen – und von einigen verbalen Entgleisungen abgesehen geschieht dies auch bereits. Allerdings kann man schlecht beim Gegenüberstellen von Pro und Contra stehenbleiben. Irgendwann muss man zu einer Entscheidung kommen, auch wenn sie von manchen kritisiert wird. Genau das hat Heinrich Bedford-Strohm getan. Er hat eine – wie ich finde – vertretbare Entscheidung getroffen und arbeitet jetzt an ihrer Umsetzung. Erfolgsgarantie hat er keine. Doch er hat eine kritische, aber auch positive Unterstützung verdient.
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Datum: 10.08.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet