Was ist los in Nigeria?
Hintergründe
Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas (155 Millionen) – einer von sechs Afrikanern lebt in Nigeria. Allein in der Hafenstadt Lagos leben heute 17 Millionen Menschen. Das Land hat reiche Ölvorkommen, die dazu geführt haben, dass das Brutto-Inlandprodukt mittlerweile das von Südafrika übersteigt. Gleichzeitig öffnet die aufstrebende Wirtschaft die Schere zwischen Arm und Reich weiter und verschärft die Verteilkämpfe um Ressourcen, Bildung und politischen Einfluss.
Nord-Süd-Spannung
Ganz grob ist die Bevölkerung zur Hälfte islamisch und zur anderen Hälfte christlich. Das Land ist in der nördlichen Hälfte islamisch geprägt, der Süden ist überwiegend christlich. Viele konservative und fundamentalistische islamische Gruppen sind im Norden tätig, und es gibt zunehmend Druck auf Christen, vor allem durch das islamistische Terror-Netzwerk Boko Haram, das das Ziel hat, im Norden Nigerias einen islamischen Staat unter der Scharia aufzubauen.
Geissel des Landes
Die radikale islamistische Bewegung, 2002 gegründet, wurde 2009 international bekannt, als die nigerianische Armee ein Gelände der Boko Haram stürmte, wobei über 700 Menschen ums Leben kamen. Der Begriff «Boko Haram» kommt von dem Haussa-Wort «boko», das die westliche bzw. nicht-islamische Bildung umschreibt, und dem arabischen Wort «haram», was «verboten» bedeutet. Boko Haram richtet sich nicht nur strikt gegen westliche Bildung, sondern auch gegen westliche Kultur und moderne Wissenschaften. Die Bewegung verübt Anschläge gegen die nigerianische Polizei, gegen christliche Gemeinden und Einzelpersonen. Ihr Ziel ist, Christen aus dem Norden Nigerias zu vertreiben. Allein in diesem Jahr haben bereits 1'500 Menschen ihr Leben durch Attentate verloren.
Schulkinder besonderes Ziel
Gemäss ihrem Programm «Bildung ist Sünde» sind Bildungseinrichtungen ein bevorzugtes Ziel von Boko Haram. Am Montag, 14. April 2014, wurden über 200 Mädchen aus einem Mädchengymnasium in der Ortschaft Chibok entführt. Schwerbewaffnete Männer hatten am Montagabend die Schule überfallen und die Schülerinnen gezwungen, auf Lastwagen zu steigen. Einige konnten entkommen, aber entgegen ersten Berichten fehlt von der Mehrzahl der übrigen Mädchen, die zwischen 16 und 18 Jahren alt sind, noch jede Spur. Nach Angaben von Eltern werden noch 234 Mädchen vermisst. Bislang hatten die Behörden von 129 Entführten gesprochen, von denen sich jedoch mindestens 44 befreien konnten. Die verzweifelten Eltern warten weiter auf Informationen über den Verbleib ihrer Töchter. Die Extremisten missbrauchen Frauen häufig als Sexsklavinnen. Militär und Sicherheitskräfte suchen fieberhaft nach den verschleppten Mädchen. Medienberichten zufolge wurde die Suche am Osterwochenende auch auf die Grenzregionen zu den Nachbarländern Kamerun, Tschad und Niger ausgedehnt. Es wird befürchtet, dass die Täter die Mädchen aus dem Sambisa Forest, wo sie sich verschanzt halten sollen, in andere Länder schmuggeln wollen.
Bombenanschlag auf Bevölkerung
Mit einem schweren Bombenanschlag auf den Busbahnhof Nyanya Motor Park in der nigerianischen Hauptstadt Abuja töteten die Extremisten am 14. April zahlreiche Menschen. Die Zeitung «Premium Times Nigeria» berichtete von mindestens 200 Toten. Viele seien bis zur Unkenntlichkeit zerrissen worden, überall hätten Leichenteile gelegen. Journalisten, die kurz nach der Explosion vor Ort waren, zählten 60 Leichen. Augenzeugen zufolge soll ein Selbstmordattentäter mit einem roten Fahrzeug einen der Busse gerammt haben, wobei die Bombe detoniert sei.
Viele Christen auf der Flucht
Viele Christen im Norden des Landes flüchten. Einige versuchen, im «christlichen» Süden des Landes neu Fuss zu fassen, andere landen in speziellen Auffanglagern. Nach Informationen des Büros für humanitäre Fragen der Vereinten Nationen (OCHA) sind 290'000 Menschen seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes 2012 vor der eskalierenden Gewalt in Nord-Nigeria geflohen. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge seien Kinder, berichten die Vereinten Nationen. Allein im März dieses Jahres sind weitere 50'000 Menschen in den ohnehin schon überfüllten Flüchtlingslagern angekommen. Während sie dort sicher sind, drohen ihnen nun Hunger und Krankheiten. Täglich sterben vor allem Babies und Kinder in den Flüchtlingslagern an ungenügend sanitären Einrichtungen. Das Schicksal der Christen ist ungewiss.
Ziel: Destabilisierung und Islamisierung
Boko Haram betreiben eine Politik der Destabilsierung des Landes; zunehmend bekämpfen sie auch Moslems, die sie als «gemässigt» und zu wenig radikal empfinden. So berichtete ein katholischer Kardinal schon vor zwei Jahren: «Was mir Sorge bereitet ist, dass die Angriffe dieser Gruppe zuzunehmen scheinen. Sie haben ein Militärcamp angegriffen, so was hat es zuvor nicht gegeben. Das zeigt, dass wir von Anfang an richtig lagen, weil wir gesagt haben, dass hier nicht einfach Muslime Christen töten, sondern dass diese Gruppe den nigerianischen Staat zerstören will. Die Opfer der jüngsten Angriffe sind nicht nur Christen, es sind arme Menschen und es sind Polizisten.» Kardinal Onaiyekan weist darauf hin, dass auch Muslime selbst zu Opfern werden, nämlich dann, wenn sie sich für Frieden einsetzen. «Vor zwei Tagen ist etwas Fürchterliches passiert, Boko Haram hat zwei muslimische Prediger geköpft, weil sie gegen die Gruppe gepredigt haben. Auch solche Dinge passieren, und das dürfen wir nicht vergessen.»
Massnahmen des Präsidenten
Chibok, Schauplatz der neuesten Entführung der Schülerinnen, liegt im Bundesstaat Borno, der Hochburg von Boko Haram. Die nigerianische Armee hatte im Mai vergangenen Jahres in den drei Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa eine Grossoffensive gegen Stützpunkte der Sekte begonnen, ohne diese aber entscheidend schwächen zu können. Anfang dieses Jahres hatte der nigerianische Präsident Jonathan Goodluck nahezu die gesamte Armeeführung entlassen, weil die Rivalitäten zwischen den Teilstreitkräften ein effektives Vorgehen gegen die Terroristen behinderten. Seither hat Boko Haram sein Wirkungsfeld aber bis in die Hauptstadt ausgedehnt. Dort soll vom 7. bis zum 9. Mai zum ersten Mal das Weltwirtschaftsforum für Afrika stattfinden, zu dem sich zahlreiche Politiker angemeldet haben. Die nigerianischen Behörden hatten am Montag versichert, die Konferenz sei «sicher». Präsident Goodluck selbst steht von verschiedenen Seiten unter Druck. Ihm wird vorgeworfen, er bekomme den Terror nicht in den Griff. Für 2015 sind die nächsten Präsidentenwahlen angesetzt.
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Konkrete Gebetsanliegen:
- Weisheit für Präsident Goodluck: Anerkennung der Gefahr, Mut, Massnahmen zu ergreifen, aber auch Augenmass
- Mut und Schutz, sowie Bewahrung vor Hass und Vergeltung für Christen
- Menschen des Friedens und Brückenbauer, die vermitteln können, besonders im Hinblick auf die Präsidentenwahlen von 2015
- Befreiung der über 100 entführten Mädchen, Bewahrung vor Sklaverei
Datum: 23.04.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
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