«Im Zweifel für die Meinungsfreiheit»
Michael Diener nahm damit Stellung zu der Frage, ob von staatlicher Seite verstärkt gegen die Verhöhnung von Religion vorzugehen sei. Jüngste Anlässe für die Debatte waren ein Video und Karikaturen, die den islamischen Glauben ins Lächerliche ziehen wollten.
«Es gab schon immer die Verletzung religiöser Gefühle», sagt Dr. Diener. Trotz dieser Verunglimpfung sei das Christentum gewachsen, weil es von innen stark gewesen sei, «anstatt auf staatlichen Schutz oder auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit zu setzen.»
Wo liegt die Grenze?
Zudem sei die Frage, ab wann eine Religion vor Angriffen zu schützen sei, schwer zu beantworten. «Wir haben heute eine so plurale Gesellschaft, dass ein Empfinden darüber, was eine Religion beleidigt, sehr weit auseinander geht. Wir können heute keinen gesellschaftlichen Konsens darüber herstellen, was dem Menschen heilig ist.» Schon eine Aussage wie «Jesus Christus ist der einzige Weg zu Gott» stelle für einen Moslem bereits eine Beleidigung dar.
Halte sich der Staat bei diesen Fragen heraus, werde der Gegenwind auch für Christen rauer. Aber dadurch sehe man auch klarer, so Diener, «wer christliche Überzeugungen wirklich von Herzen mit trägt und wo es nur um Sitte oder Tradition geht. Das halte ich für gut.» Auch in der Zeit, in der Jesus lebte, habe es immer wieder Hohn und Spott für Gläubige und auch Christen gegeben.
Eigene Werte beibehalten
Als defensiv will Diener seine Position aber nicht verstanden wissen. «Wir machen deutlich, dass wir als Christen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen. Wir können nicht akzeptieren, in welcher Weise der Islam Mann und Frau ungleich behandelt und wir akzeptieren nicht, dass der Islam eine Trennung von Kirche und Staat ablehnt.»
Dass Moslems ihren Glauben in Deutschland lebten und Moscheen bauten, sei «völlig in Ordnung». Doch solle dies in einer «angemessenen Weise» passieren. «Ich spreche mich gegen alles aus, was in unseren Kontext das Signal vermittelt, ‚wir sind überlegen’. Dass also eine Moschee höher sei als der Kölner Dom oder das Ulmer Münster, um so den Machtanspruch des Islam zu demonstrieren, das lehne ich als Christ ab».
Miteinander umgehen
Michael Diener appelliert an die Menschen muslimischen Glaubens: «Verzichtet bitte auf Symbole, die auf dem Hintergrund des christlichen Abendlandes einfach nicht angemessen sind, weil sie den Eindruck vermitteln, Deutschland sei ein Gebiet des Islams, aber das ist nicht so!» Für Christen wie Moslems gelte, dass sie «in Demut und in Hörbereitschaft» miteinander umgehen. Dass sie dem anderen ihre Botschaft nicht um die Ohren hauen und imperialistisch aufträten, etwa nach dem Motto «Ich erobere dieses Gebiet für meinen Gott».
Diener ruft die Christen auf, gelassener mit dem Thema umzugehen. «Ich wundere mich, dass es nicht wenige Christen gibt, die Angst vor Moslems haben. Gott muss unser Herz hier ganz neu mit seiner Liebe füllen. Wer ist denn der Herr der Welt? Wer wird denn eines Tages alles zum Ziel führen?»
Offen bleiben
Seine Haltung zum Umgang mit Moslems in Deutschland beschreibt der Allianzvorsitzende so: «Ihnen gehört unsere Akzeptanz, unsere Liebe und unsere Zuwendung. Wir sollten uns als Christen um Gastfreundschaft und Offenheit bemühen und uns über ihren Glauben informieren, aber uns auch nicht scheuen, Zeugnis abzulegen für Jesus durch unser Leben und durch unsere Worte.»
Michael Diener ist seit Januar 2012 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und seit 2009 Präses des Gnadauer Verbandes. Zuvor war er evangelischer Dekan in Pirmasens. Diener ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Mehr zum Thema:
Muslime, reformierte Kirchen und die Gesellschaft
Datum: 03.10.2012
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet