Fasten ja, aber nicht allein
Fasten erlebt seit Jahren eine Renaissance. Galt es vor einer Weile noch als schrecklich veraltet, ungesund oder gesetzlich, so ist es längst für viele Menschen «mitten im Leben» angekommen. Ein bewusster Verzicht wird als modern und offen wahrgenommen, und von krankmachenden Auswirkungen ist schon lange keine Rede mehr: Wer den Begriff «Heilfasten» googelt, erhält in Sekundenbruchteilen Millionen Angebote und Informationen zu einem offensichtlich sinnvollen Verhalten. In Kirchen und Gemeinden herrscht beim Thema Fasten auch kein druckvolles «du musst» vor. Stattdessen gibt es ein vielfältiges Angebot, aus dem Einzelne sich das herausnehmen können, was sie möchten.
Mehr als eine Einzelaktion
Diese Eigenentscheidung – Was tut mir gut? Was will ich in meinem Alltag umsetzen? – ist dabei in erster Linie lebenspraktisch. Sie hilft dabei, einen für sich selbst gangbaren Weg zu finden. Gleichzeitig führen die zahlreichen Fastenangebote zu einer gewissen Vereinzelung: Wenn jede sich ihr eigenes Paket schnürt und jeder auf seine Art fastet, dann geschieht das kaum gemeinsam. Wer ins Neue Testament hineinschaut, kann den Eindruck gewinnen, dass genau das richtig wäre. Sagt Jesus nicht in der Bergpredigt, dass man nicht öffentlich fasten sollte? «Damit es nicht von den Leuten bemerkt wird, dass du fastest, sondern von deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten»? Doch was Jesus kritisiert, ist kein verbindendes Miteinander, sondern Schein-Heiligkeit und das Image von fastenden Superheiligen. Diesen Menschen zeigt er die rote Karte und sagt: «So nicht.»
Gemeinsamkeit erleichtert das Fasten
Tatsächlich ist ein Miteinander im Fasten sehr sinnvoll. Das ist die Grundidee, die hinter der aktuellen kirchlichen Aktion «Komm rüber! 7 Wochen ohne Alleingang» steht. Eine Fastengruppe zu gründen, hört sich erst einmal ungewohnt an, aber der Austausch kann sehr bereichernd sein, mit Ideen versorgen und vor allem mit Motivation. Andreas Fauth, Chefredakteur des Magazins indeon, hält darin für sich selbst fest: «Alleine fasten ist gar nicht so einfach: Wenn aber viele mitfasten, dann fällt es deutlich leichter. Die Verführungen in meinem Umfeld werden weniger, der Ansporn ist grösser.»
Die traditionelle Fastenzeit läuft längst, allerdings ist ein Spät- oder Quereinstieg jederzeit möglich. Und wer nach dem Start feststellt, dass das Fasten doch schwieriger ist als erwartet, kann sich auch jetzt noch ein Gegenüber oder eine Gruppe suchen, um nicht einfach aufzugeben, sondern gemeinsam weiterzumachen.
Gemeinsames Fasten öffnet Horizonte
In der Bibel gibt es etliche Beispiele für gemeinsame Fastenaktionen. Diese zeigen, dass beim Beten und Fasten – denn diese zwei gehören im christlichen Kontext untrennbar zusammen – Dinge in Bewegung kommen. Auch damals hatte Fasten Auswirkungen auf die persönliche Beziehung zu Gott, doch manchmal hat es die gesamte Geschichte verändert. Von den Christen in der Grossstadtgemeinde Antiochia wird berichtet, dass sie gemeinsam fasteten. Heutige Gemeinden planen eher gemeinsame Mittagessen, damals fastete man auch mal miteinander.
Und mitten in diese Gebets- und Fastenzeit hinein sprach Gottes Geist und machte den Verantwortlichen deutlich, dass sie die Zugpferde ihrer Gemeindeleitung auf Missionsreise schicken sollten: «Als sie nun dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe!» Lukas als Autor der Apostelgeschichte schreibt in seinem Bericht nicht, ob ihnen klar war, dass dies mehr war als eine Einzelentscheidung ihrer Gemeinde. Wahrscheinlich waren sie sich nicht bewusst, dass sie Geschichte schrieben. Im Rückblick gesehen war dies der Startpunkt für Mission schlechthin – von da an hat sich das Evangelium in Asien, Europa und der Welt ausgebreitet. Und der Beginn: Christen fasteten gemeinsam.
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