25 Jahre Gebet nonstop

Eine Bewegung feiert Geburtstag

Pete Greig
Den ersten Gebetsraum starteten Pete Greig und einige Mitstreiter 1999 nach einem Besuch im sächsischen Dorf Herrnhut. Die Idee breitete sich weltweit aus und die 24-7 Prayer-Bewegung wuchs. Ein Geburtstagsinterview mit Gründer Pete Greig.

Ein grosser Gemeindesaal im Stadtzentrum von Rotterdam. Über tausend Freunde von 24-7 Prayer sind zum jährlichen Gathering gekommen. Seit zwei Tagen feiern sie hier das 25. Jubiläum der Bewegung. Gerade ist eine Main Session zu Ende gegangen. Menschen stehen auf, unterhalten sich, holen Kaffee. Vorne in einer dunklen Ecke ganz am Rand sitzt Pete Greig mit geschlossenen Augen und betet still. Vor Wochen haben wir den Interviewtermin verabredet, wagen nun aber kaum, ihn zu stören. Leise erinnert ihn seine Frau Sammy, dass ein Termin im Kalender steht. Sofort ist Pete hellwach und begrüsst uns. Er führt uns in einen Backstage-Raum, bietet uns Snacks an und lehnt sich bequem zurück.

Herzlichen Glückwunsch zum 25. Jubiläum von 24-7 Prayer, Pete!
Ehre sei Gott!

25-Jährige sind ja sehr unterschiedlich in ihrer Reife. Wie würdest du die 24-7 Prayer-Bewegung heute beschreiben?
Ich habe gelesen, dass das menschliche Gehirn erst im Alter von 25 Jahren ausgereift ist. Der Frontallappen, der Teil des Gehirns, der logische Entscheidungen trifft und Belohnungen aufschieben kann, entwickelt sich bis dahin erst noch. Manche Leute sind der Meinung, dass 25 die ideale Lebensphase ist, weil man immer noch voller Abenteuerlust und Idealismus ist und die Träume und die Energie der Jugend hat, aber andererseits logisch denken und sich beherrschen kann. Ich hoffe also, dass wir uns nach 25 Jahren noch Idealismus und Träume und etwas von unserer Naivität bewahrt haben – wir glauben einfach, dass Jesus real ist, dass das Evangelium wirkt, dass Gebet mächtig ist und dass wir die Welt verändern können.

Aber gleichzeitig sind eure Frontallappen jetzt ausgereifter…?
Genau. Ich hoffe, dass uns jetzt klarer ist, wie man gut führt, wie man Menschen angemessen wertschätzt, wie man im Herzen dieser Bewegung effektive Strukturen aufbaut. Hoffentlich ist es ein guter Lebensabschnitt für uns. Alle Anzeichen machen jedenfalls Mut. Wir sind nah dran, die Zahl der 24-7-Gebetsräume dieses Jahr im Vergleich zum letzten zu verdoppeln.

Ihr sagt gern, das Beste liegt noch vor euch… Erzähl uns ein bisschen davon.
Auf der einen Seite blicken wir zurück und haben viel zu feiern. Gott war unglaublich grosszügig und treu. Auf der anderen Seite schauen wir uns um und sehen die Welt in einem katastrophalen Zustand. Wir stehen möglicherweise am Rande eines Weltkriegs, die Umweltkrise wird immer schlimmer, der Kirche im Westen geht es schlecht und Verantwortliche, denen wir vertraut haben, haben uns enttäuscht. Die Welt hatte das Gebet noch nie so nötig wie jetzt.

Wie geht ihr damit um?
Wir glauben, dass Gott uns für diese Zeit berufen hat. Durch Gottes Gnade haben wir Verbindungen zu fast allen Kirchen. Gott hat Türen für Versöhnung und Einheit geöffnet, sowohl international als auch zwischen Konfessionen. Er hat uns eine Menge Ressourcen an die Hand gegeben: Bücher, unsere App Lectio365 mit 300'000 Nutzern, eine Familie von Gemeinschaften und Missionaren auf der ganzen Welt. Gott hat uns eine Menge geschenkt. Die 25 Jahre fühlen sich fast an wie eine Schwangerschaft – und jetzt ist es Zeit, geboren zu werden.

Euer Motto ist «Prayer, Mission, Justice» – also Gebet, Mission, soziale Verantwortung. Warum gehört für euch als Gebetsbewegung all das zusammen?
Diese Drei waren von Anfang an Teil unserer DNA. Wahrscheinlich auch deshalb, weil wir aus einer Gemeindegründungsbewegung heraus entstanden sind. Wenn man Gemeinden gründet, kann man nicht nur beten, man muss auch das Evangelium verkünden. Man kann nicht nur das Evangelium predigen, man muss sich auch um die Armen kümmern. Das ist das, was die Kirche von Jesus tut. Biblisch gesehen gibt es daran keinen Zweifel.

Welchen Stellenwert hat darin Gebet?
Wir sind zuerst dazu berufen, ein Haus des Gebets für Menschen aller Völker zu sein und dabei Jesus in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sprechen vom «Presence Paradigm»: Alles beginnt und endet in der Gegenwart Gottes. Die Kirche wurde in einem Gebetsraum geboren, in dem rund um die Uhr gebetet wurde. Aber die Jünger blieben nicht in dem Obergemach in Jerusalem. Sie gingen sofort raus, erfüllt von der Kraft des Heiligen Geistes, predigten das Evangelium und tauften 3'000 Menschen – noch am selben Tag. Gebet und Mission gehören also zusammen. Was tat die Urgemeinde als Nächstes? Sie begann, sich um Witwen und Waisen zu kümmern, weil sie wusste, dass der Auftrag Jesu aus Jesaja 61 lautet: «Der Geist des Herrn ist auf mir, den Armen eine gute Nachricht zu verkünden.» Für mich ist das wie ein dreibeiniger Hocker. Wenn wir nicht Gebet, Mission und soziale Verantwortung praktizieren, leben wir nicht wirklich das Evangelium.

Du sagst, ihr seid innerhalb einer Gemeindegründungsbewegung entstanden. 24-7-Gebetsräume werden aber oft von bestehenden Gemeinden eröffnet…
Wir werden die westliche Welt nicht für Jesus gewinnen, wenn wir nicht die alten Kirchen erneuern und zugleich neue gründen. Wer nur neue Gemeinden gründen will, ist verrückt. Wir werden Spanien nicht für Jesus gewinnen, wenn die katholische Kirche in Spanien nicht durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuert wird. Man kann übrigens keine Gebetsbewegung und gleichzeitig sektiererisch sein, denn das grosse Gebet von Jesus war, dass wir eins sein sollen. Gebetsbewegungen, die sagen: «Kirche muss so aussehen und nicht so» verfehlen den Sinn.

Aber es reicht auch nicht, die alten Kirchen zu erneuern?
Ich glaube, dass wir neue Gemeinden gründen müssen, und das tun meine Frau Sammy und ich seit 30 Jahren. Wir arbeiten mit allen Konfessionen zusammen, kommen selbst aber aus der freikirchlichen Richtung, in der wir die Freiheit haben, überall dort zu gründen, wo wir einen missionarischen Bedarf sehen.

Patrick Johnson hat in seinem Buch «The Church Is Bigger Than You Think» drei Arten von Kirchen ausgemacht: gemeindeorientierte, apostolische und monastische Formen. Die gemeindeorientierte Form ist die lokale Ortsgemeinde, wie wir sie heute kennen. Sie passt zum Lebensstil, bei dem man in der Woche arbeitet und sonntags irgendwohin geht – und wenn man besonders engagiert ist, trifft man sich auch noch in der Woche. Diese Form von Kirche hat tolle Seiten, aber auch problematische. Die Gemeinden müssen zum Beispiel dauernd sagen: «Geht raus» – denn ihr ganzes Modell ist darauf aufgebaut, Leute in ihr Gebäude zu holen.

Und die anderen Formen?
Die apostolischen Formen, die sich schon 2'000 Jahre zurückverfolgen lassen, gehen auf das griechische Wort apostolos zurück, was «Gesandter» bedeutet. Sie sind also missional wie der Franziskanerorden oder «Jugend mit einer Mission». Die dritte Form ist die monastische Tradition, die sich auf die Wüstenväter und wahrscheinlich noch weiter zurückverfolgen lässt. Ihr Impuls ist: Wie können wir in Zeiten grosser Kompromisse eine treue, betende, prophetische Gemeinschaft bleiben? Ich glaube, alle drei Traditionen sind wichtig und wertvoll, aber für sich genommen nicht vollständig. Eine Ortsgemeinde oder eine apostolische Form wird wesentlich mehr Errettung sehen als monastische Formen. Aber als Ortsgemeinde werden wir im Hinblick auf tiefes Gebet nicht gut abschneiden, weil alle von morgens um sieben bis abends um sieben Stress im Job haben.

Wie sehen eure Formen bei 24-7 aus?
Manche sind sehr monastisch, so wie unsere neue Gemeinschaft Waverley Abbey, wo wir nicht erwarten, dass hier viele Menschen ein Leben mit Jesus beginnen. Waverleys Aufgabe ist es, eine fruchtbare Gemeinschaft aufzubauen und viel zu beten. Wir brauchen das, um eine prophetische Gemeinschaft zu sein. Andere werden voll missionarisch sein, so wie unsere Arbeit auf Ibiza oder im Libanon. Solche Missionsstationen sind in der Regel recht klein. Die Menschen, die sie leiten, sind meist radikal und bringen grosse Opfer. Und dann gibt es noch einige eher klassische Formen in Gemeinden. So wie Emmaus Road in Guildford, die Sammy und ich leiten. Innerhalb von 24/7 haben wir, glaube ich, rund 100 verschiedene Gemeinschaften in der ganzen Welt. Das sind nicht viele, aber wir sind eine wunderbare Familie aus Gemeinden, monastischen Gemeinschaften und Missionsprojekten.

Welche Bedeutunghat Gebet für Gemeinde?
Eine Milliarde Christen gibt es bereits auf der Welt, und die Kirche wächst mit zwei Prozent pro Jahr doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung. Europa ist die Ausnahme. Unsere Aufgabe ist es, die Kirche Jesu Christi zu Jesus Christus zurückzurufen. Wenn wir die Bibel und die Geschichtsbücher lesen, dann ist absolut klar, dass ein erneuerndes Werk des Geistes in jeder Kirche mit dem Gebet beginnt. Jeder Missionar braucht es.

Eine unserer schönen kleinen Geschichten hat sich in einem 24/7-Gebetsraum in Uganda zugetragen. Gott hat dort jemandem ein Wort in den Sinn gegeben: Kacunga. Sie haben gegoogelt, was es bedeutet, und fanden heraus, dass es der Name einer von über achtzig Inseln im Viktoriasee ist. Sie hatten den Eindruck: Gott schickt uns auf diese Insel. Also fuhren sie fast einen Tag lang zum Viktoriasee, charterten ein Boot und fanden diese Insel. Dort gab es eine Gemeinschaft von Fischern, die noch nie den Namen Jesus gehört hatten. Es gab kein Krankenhaus, keine Schule, keine Elektrizität. Sie erklärten: «Wir wurden von Gott geschickt, um euch von seinem Sohn Jesus zu erzählen» und verkündeten das Evangelium. Fünfzig Menschen gaben an diesem einen Tag ihr Leben Jesus. An diesem Tag wurde eine Gemeinde gegründet, weil Gott in einem Gebetsraum in der Hauptstadt von Uganda ein Wort gesprochen hatte. Das ist ein Muster, das wir auch im Neuen Testament finden: Gebet verbreitet das Evangelium und setzt Gemeinden in Gang.

Ich schätze, du musst dein persönliches Gebetsleben schützen wie wir alle – selbst wenn du eine Gebetsbewegung gegründet hast. Wie machst du das?
Ich bin in einer christlichen Tradition aufgewachsen, in der die tägliche Stille Zeit gelehrt wurde, ein quasi heiliger Teil des Tages, an dem man Bibellesen und Gebet für den Tag abhakte – und sich schuldig fühlte, wenn man ihn mal versäumte. Und die kontemplative Tradition hat uns gelehrt, dass Momente allein mit dem Herrn in der Tat wichtig sind.

Aber Bibellesen, Gebet und Anbetung sind nicht die Momente, in denen wir das Gebet für den Tag verrichten, sondern die Momente, in denen wir zum Gebet für den Tag werden. Sie richten mein Denken so aus, dass ich gerade in diesem Gespräch Jesus in euch sehe und mich frage, wie ich seine Worte zu euch sagen kann. Ich kann die Nachrichten angucken und beten und muss nicht denken: «Oh, das ist ja schrecklich – ich muss es aufschreiben und morgen in meiner Stillen Zeit darüber beten.» Das ist wichtig, denn wenn wir über 24-7-Prayer sprechen, meinen wir eigentlich nicht die Gebetsräume. Wir sprechen von Menschen, die wandelnde, sprechende Gebetsräume werden und Gottes Gegenwart die ganze Zeit in sich tragen. Das ist das Ziel.

Und hast du trotzdem auch feste Gebetszeiten?
Ja, ich habe eine tägliche Gebetsdisziplin, und es wird niemanden überraschen, dass unsere App Lectio365 ein Teil davon ist. Ich weiss nicht, ob ich das schon einmal in einem Interview erzählt habe, aber Lectio365 dauert fast genauso lange wie das Ausräumen unserer Spülmaschine. Ich komme morgens also in die Küche, koche Kaffee, füttere den Hund, schalte Lectio ein, räume die Spülmaschine aus und dann setze ich mich hin und bete jeden Tag bestimmte Gebete. Dann bringe ich meiner Frau eine Tasse Tee ans Bett... Ich benutze bestimmte Andachtsmaterialien und versuche, jeden Tag mindestens fünf Minuten einfach nur dazusitzen, still und leise zu sein und mir der Liebe Gottes zu mir bewusst zu werden.

Pete Greig, der Gründer der 24-7 Prayer-Bewegung, ist Pastor der Emmaus Road Church in Guildford, die er zusammen mit seiner Frau Sammy leitet. Pete lehrt am St Mellitus Theological College in London, ist Botschafter für Tearfund und Autor mehrerer Bücher, unter anderem «Einfach Gott hören» (Fontis) als Paperback und «Red Moon Rising» (SCM R.Brockhaus) über die Geschichte der Bewegung als e-Book.

Interessiert an mehr solcher Impulse von andersLeben? Gönne dir oder Freunden jetzt einen günstigen Jahresabogutschein des Magazins hier.

Zum Thema:
Dossier: Gebet 
Susanna Rychiger: «Es ist unsere Verantwortung, im Gebet einzustehen» 
In England: Gebetsleiter Pete Greig spricht von einer Wende

Datum: 10.04.2025
Autor: Anja und David Schäfer
Quelle: Magazin andersLeben 01/2025, SCM Bundes-Verlag

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung