Christen selbst bei grösster Kälte öffentlich in der Ukraine. Dies seit über fünf Jahren, seit Beginn des Konflikts mit Russland. In Erinnerung an den Kommunismus beten die Gläubigen für anhaltende Freiheit und dass die Ukrainer Jesus kennenlernen.«Ich mache das erst seit drei Tagen, während meine ukrainischen Freunde es seit fünf Jahren jeden Tag tun», tadelte sich Nicole Leigh, als sie sich frühmorgens wieder ins warme Bett zurückziehen wollte.
«Als ich das Hotel verliess, drehte ich meinen Kopf vom Wind weg, wickelte meinen Schal etwas enger und ging im frühen Morgenlicht zum Freedom Square in Charkiw.»
Dann traf sie auf bereits versammelte Christen, welche die Kälte nicht zu bemerken schienen. «Die ansteckende Freude erwärmte mich von innen heraus und ich war froh, dass ich gekommen war.»
Seit über fünf Jahren da
Im März 2014 dominierten Panzer, Gewehre und Männer mit Masken die Strassen von Charkiw; die Stadt ist mit 1,5 Millionen Einwohnern nach Kiew die zweitgrösste Stadt des Landes. Die nahegelegenen Städte Lugansk und Donezk wurden ebenfalls von Separatisten angegriffen.
Pastoren und evangelische Leiter riefen jeden Morgen um sieben Uhr auf dem Stadtplatz zum Gebet auf für jeden, der den wahren Kampf für seine Stadt, den geistlichen Kampf, führen wollte. Innerhalb einer Woche kamen bis zweihundert Gläubige, um auf den Knien zu kämpfen, weil sie sich an die geistliche Dunkelheit erinnerten, die ihr Land unter dem Kommunismus beschattete.
Ihre Väter wurden getötet
«Das ist die Generation der Kinder, deren Väter für ihren Glauben getötet wurden und deren Väter die meiste Zeit wegen ihres Glaubens im Gefängnis verbrachten. Wir kannten das wahre Gesicht des Kommunismus, und er versuchte, zurückzukehren», erinnert sich Pastor Vladimir (Name geändert), der regelmässig zu diesen Gebetstreffen erscheint.
Während der 72-jährigen kommunistischen Herrschaft wurden evangelische Kirchen und Aktivitäten verboten. Ukrainer, die aus der Schrift lehrten oder das Evangelium weitergaben, wurden in den Untergrund gedrängt und schwer verfolgt. Zwei Generationen von Kindern wurden in der Schule gelehrt, dass es keinen Gott gibt.
Unterdrückung in Ostukraine
Nach Jahren des Gebets brachte Gott Religionsfreiheit ins Land. Seitdem ist die Ukraine zum Bibelgürtel Osteuropas geworden.
Im Gegensatz dazu sieht das noch besetzte Gebiet in der Ostukraine derzeit die gleiche Haltung gegenüber evangelischen Christen, an die sie sich aus ihrer Kindheit nur allzu gut erinnern. Nach der Übernahme durch Separatisten im Jahr 2014 wurden evangelische Kirchen geschlossen und in den wichtigsten Städten des besetzten Gebietes mit Bussgeldern bedroht.
Nicola Leigh: «Jetzt, wenn sich diese Brüder und Schwestern versammeln, beten sie für die Menschen im Kriegsgebiet und für einen dauerhaften Frieden in dem Wissen, dass er nur dann kommen wird, wenn der Geist Gottes sich bewegt, die Menschen zur Umkehr und zum Glauben an Jesus zu bringen. Deshalb beten die Ukrainer jeden Tag auf den Knien, unabhängig vom Wetter.»
Es begann mit Reue
Als die Ereignisse im März 2014 stattfanden, empfand die ukrainische Kirche es als einen Weckruf. In den 23 Jahren nach dem Kommunismus war die Kirche schnell selbstgefällig geworden.
«Als wir anfingen auf dem Platz zu beten, musste ich Busse tun, weil ich nicht für unseren Präsidenten oder unsere Regierung gebetet hatte. Weil wir sie nicht mochten, haben wir nicht gebetet, obwohl wir Christen sind und die Bibel uns sagt, dass wir für sie beten sollen», sagt eine einheimische Christin.
Gefahr weg – Gebet bleibt
Obwohl die unmittelbare Bedrohung durch Gewalt in Charkiw vorüber ist, kommen weiterhin täglich rund 20 Personen treu zum Gebet. Durch die Ereignisse vor fünf Jahren wurden ihnen die Augen für die Gefahr des Kommunismus und das Privileg des Friedens geöffnet.
Sie beteten hektisch um Sicherheit vor unmittelbarer Gefahr. Jetzt, wenn sie sich versammeln, beten sie nicht nur um Gottes Segen, sondern um Erweckung in ihren Kirchen und auf ihren Strassen, damit der Name Gottes allen Ukrainern bekannt wird.
Zu Beginn im Jahr 2014 war die Gruppe von Polizisten und Soldaten bedroht worden – dies ist längst passé. Ivan, ein 80-jähriger Mann, der jeden Morgen erscheint, fasst zusammen: «Du musst verstehen, dass wenn du im Gebet kniest, grosse Dinge passieren. Gott gab uns die Kraft, die Angst zu überwinden.»
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Datum: 27.11.2019
Autor: Nicole Leigh / Daniel Gerber
Quelle: Baptist Press / gekürzte Übersetzung: Livenet