Zwischen Toleranz und Verbot von Diskriminierung
Da dem Tod in allen Religionen eine besondere spirituelle Bedeutung zukomme, sei es den meisten Religionsgemeinschaften ein grosses Anliegen, eigene Friedhöfe oder zumindest ein eigenes Grabfeld im allgemeinen Friedhof zu haben. Dieses Anliegen solle wo immer möglich berücksichtigt werden, schreibt die SP.
Die Partei erwartet, dass die hier tätigen Imame mit den hiesigen Verhältnissen und der Rechtsordnung gut vertraut sind und entsprechend auch die vor Ort gesprochene Landessprache beherrschen. Dies sei wichtig, damit sie für die hier ansässigen Muslime auch eine Hilfestellung bei der Integration einnehmen können. Die SP erwartet von den muslimischen Gemeinden, dass sie selber dafür sorgen, dass keine Imame predigen, die eine Koranauslegung vertreten, die mit der hiesigen Lebensart nicht vereinbar ist und welche die Gläubigen gegen die Gesellschaft aufhetzen. Hassprediger in Moscheen sind für die SP nicht akzeptabel. Nötigenfalls soll diesen die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden.
Das Projekt der Imamausbildungen an schweizerischen Hochschulen solle weitergeführt und ausgebaut werden, auch wenn es im ersten Anlauf auf wenig Interesse gestossen sei.
Gottesstaat und Scharia
Die Errungenschaften der Säkularisierung und der Aufklärung, die Werte in der Bundesverfassung und der demokratische Rechtsstaat sind Grundwerte, die aus Sicht der SP nicht in Frage gestellt werden dürfen. Jede ernsthafte Diskussion über einen Gottesstaat erübrige sich daher. Dasselbe gelte für die Scharia. Vorschläge, religiöse Minderheiten insbesondere bei Familienangelegenheiten «ihr eigenes Recht» zuzugestehen, lehnt die SP entschieden ab.Islam nicht besser gestellt als andere Religionen
Die Partei spricht sich für religiöse Toleranz und die kritische Auseinandersetzung in Religionsfragen aus. Wenn kritische Schriftsteller, die «den Propheten beleidigt haben, sich auch in unseren Breitengraden nur mit Polizeischutz bewegen können, ist das inakzeptabel». Die hiesige Gesellschaft habe auf der Basis der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsäusserungsfreiheit, der ein hoher Stellenwert zukomme, eine Diskussionskultur entwickelt, in der auch Kritisches, Freches und ausnahmsweise auch Blasphemisches seinen Platz habe, auch wenn religiöse Gefühle nicht unnötig heftig verletzt werden dürfen. Es dürfe deshalb nicht sein, dass über den Islam nicht in der gleichen Offenheit debattiert werden könne wie über andere Religionen und Weltanschauungen.Die SP erwartet von den hier ansässigen Muslimen, dass sie diese Diskussionskultur als Teil der Werteordnung akzeptieren und mittragen und sich von allen Drohungen wegen kritischer Äusserungen gegenüber dem Islam oder wegen «Beleidigungen des Propheten» distanzieren.
Kopftuch
Die von «vielen Musliminnen und Muslimen befürwortete Pflicht der Frau», ein Kopftuch zu tragen, ist aus Sicht der SP frauenfeindlich und entspricht nicht den hiesigen Wertvorstellungen. Die Pflicht zur muslimischen Verschleierung sei aufgrund der dahinter stehenden Ideologie auch nicht vergleichbar mit einem Kopftuch, das als Schmuck getragen werde.Andererseits könne festgestellt werden, dass gerade junge Musliminnen in Europa, die ansonsten ihren Körper nicht verhüllten und versteckten, das Kopftuch als «identitätsstiftende Referenz an ihre Religion und Herkunft tragen ohne dabei den ganzen patriarchalen und ideologischen Ballast mitzutransferieren». Die SP will darum nicht festlegen, was und wie der Kopf unter dem Tuch denkt. Ein Verbot des Kopftuchtragens in der Öffentlichkeit kommt für die SP deshalb nicht in Frage. Es wäre unverhältnismässig und würde zu sehr in die persönliche Freiheit eingreifen.
Mit einem Verbot allein ohne begleitende Integrationsmassnahmen wäre kein Problem gelöst. Nein sagt die SP hingegen zum Tragen eines «islamischen» Kopftuchs - so wie zu jedem anderen auffälligen religiösen Symbol auch - beim Erfüllen öffentlicher Aufgaben. Dies gelte insbesondere für Lehrer und Lehrerinnen.
Zur Zeit kein Burka-Verbot
Der Zwang zum Tragen einer Ganzkörperverhüllung (Burka oder auch die Kombination von Abaya, Kopftuch und Niqab) ausserhalb der eigenen privaten Räume sei ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit und «aus unserer westlichen Sicht eine Menschrechtsverletzung, weil eine adäquate persönliche Entwicklung und die Integration in die Gesellschaft massiv erschwert werden». Daran ändere sich auch nichts, wenn Mädchen oder junge Frauen diese Verhüllung «freiwillig» tragen. Es sei schwierig, die Burka nicht als Symbol der Unterdrückung der Frau zu begreifen. In der Schweiz gebe es - ausser bei wenigen Touristinnen - kaum Burkas, weswegen sich die Frage eines Verbots, das «vernünftigerweise nur hier ansässige Musliminnen betreffen könnte», zurzeit nicht ernsthaft stelle. Dazu komme, dass ein blosses Verbot die «unterdrückten Frauen» nicht schütze, sondern «deren Integrationsprozess sogar zusätzlich belasten könnte».Kinder vor Ausschluss schützen
Kinder, die hier aufwachsen, sollen sich in der Gesellschaft zusammen mit den anderen Kindern nach den hier geltenden Regeln sozialisieren können. Für Schüler und Schülerinnen, die nicht an Klassenlagern teilnehmen können, stelle dies eine deutliche soziale Benachteiligung dar, geschehen doch gerade bei solchen Anlässen wichtige gruppendynamische Prozesse in Schulklassen. Nicht Schwimmen zu können, könne in Notsituationen ein lebensbedrohlicher Nachteil sein. Die SP will keine Gesellschaft, «in der die Sphären von Männern und Frauen getrennt sind und sich Mädchen und Knaben voreinander nicht zeigen und miteinander in Kontakt kommen dürften». Ausser beim Schuldispens wegen religiösen Anlässen und natürlich beim Dispens von einem allfälligen christlichen Religionsunterricht sowie bei religiös begründeten Essensregeln lehnt die SP Ausnahmeregelungen für Kinder aus religiösen Gründen ab.Entsprechende Gesuche sollen aber nicht einfach nur abgelehnt werden, sondern als Anlass für vermehrten Kontakt seitens der Schulbehörden mit der Familie genommen werden. Dabei sollen die Sorgen der Eltern ernst genommen und Kontakt- und Integrationsangebote gemacht werden. Elternbildungsangebote sind dabei eine wichtige Voraussetzung - diese müssen in allen Kantonen vorhanden sein.
Zwangsheiraten und Polygamie nicht akzeptierbar
Zwangsheiraten sind eine nicht akzeptable Menschenrechtsverletzung. Die SP habe deshalb die gesetzlichen Massnahmen gegen Zwangsheiraten, die kürzlich in Kraft getreten sind, vorbehaltlos unterstützt. Zu unterscheiden seien Zwangsheiraten von arrangierten Ehen. Entscheidend sei, ob die Ehepartner sich frei für die Heirat entscheiden können, ohne bei einem Nein mit gravierenden Konsequenzen rechnen zu müssen. Polygamie ist in der Schweiz verboten, das gelte für alle. Bei den Genitalverstümmelungen von Mädchen und jungen Frauen handle es sich um schwere Körperverletzungen, die als solche strafrechtlich geahndet werden müssen.Datum: 06.07.2010
Quelle: KIPA