Loyaler Stammesfürst

Jemen: Christlicher Scheich denkt kurz vor Abreise im Hafen um

Ein Scheich aus dem Jemen dachte, er sei der einzige Christ im Land. Aus Sicherheitsgründen wollte er das Land verlassen. Nachdem alles gepackt war, erreichte er den Hafen, von dem aus er abreisen wollte. Dort traf er einen anderen jemenitischen Christen, der Hilfsgüter ins Land brachte und ihm riet, in der Nation zu bleiben. Im Wissen, dass er nicht alleine war, veränderte sich seine Ausgangslage völlig …
Jemenitischer Stammesfürst
Humanitäre Hilfe in Jemen

Durch den seit März 2015 andauernden Bombenkrieg Saudi-Arabiens im Jemen ist die Lage im Land, das vor längerer Zeit als «die Schweiz Arabiens» gepriesen worden war, prekär geworden. «Ein Scheich aus einer eher wilderen Gegend – sein Name und die Herkunft bleibt zu seinem Schutz ungenannt – wollte deswegen auswandern», erinnert sich M. Schwab, Nahost-Projektleiter der Hilfsorganisation «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» mit Sitz in Thun.

«Dieser Scheich war zudem Christ, er dachte, er sei der einzige im ganzen Land.» So geht es vielen Menschen, die zum Beispiel durch ein christliches Fernsehprogramm in einem Land des Nahen Ostens zum Glauben an Jesus Christus finden. «Und so machte sich der Scheich mit seiner Familie auf, mit dem Ziel, in ein westliches Land zu reisen. Die Pässe hatte sich die Entourage ausstellen lassen können.»

Die Rückkehr

Beim Hafen kam der Scheich ins Gespräch mit einem Jemeniten, der mit dem Umschlag von Hilfsgütern beschäftigt war. «Im arabischen Raum sind dies höchst interessante Gespräche», weiss Schwab, der selbst fliessend Arabisch spricht, schreibt und lange im Nahen Osten lebte und arbeitete. «In kriegerischen Gebieten unter Stammesfürsten kann die Begrüssung bis zu einer halben Stunde dauern. Oft beinhaltet jeder Satz eine religiöse Anspielung oder Floskel. Durch das, was man sagt oder weglässt, schimmert nach und nach die eigene Gesinnung durch. Es ist ein Abtasten, um gegenseitig festzustellen, wie man eingestellt ist.»

Im Laufe des Gesprächs entpuppten sich beide als Christen. Der Scheich war erstaunt, dass er nicht der einzige Christ war. Der Mann, der mit Hilfsgütern beschäftigt war, bekräftigte dies. Und weiter hielt er fest, dass es jetzt jede Hilfe brauche und gerade die Christen ein Zeichen der Hoffnung setzen sollten. «Der Scheich gab ihm Recht. Er verzichtete nicht nur auf das Auswandern, sondern kehrte ein paar Tage später selbst mit Hilfsgütern in die Landesgegend zurück, die als recht gefährlich gilt.»

Glauben verbergen

Es sei ein sehr ursprüngliches, wildes Stammesgebiet. «Dort leben auch reiche Stämme, die durch Kaffee und Kat vermögend geworden sind. Im Jemen herrscht bis heute Feudalismus.» Christ zu sein und dies zu bezeugen, sei lebensgefährlich. Eine junge Frau erzählte anderen interessierten Frauen von ihrem christlichen Glauben.. Das störte den Bruder einer dieser Frauen, da sie bereits ganz begeistert von Jesus sprach – und so tötete der Bruder diese Frau mit ihrem kleinen Sohn.

«Deshalb war auch der Scheich sehr vorsichtig. Er war als Stammesleiter gleichzeitig Bürgermeister und Kantonsregent, also die absolute Autorität», erklärt Schwab. Stämme hätten in diesen Gegenden mehr zu sagen als die Regierung. «Er hat eine hohe gesellschaftliche Position. Dennoch muss er seinen Glauben verbergen. Seine Familie dürfte ein bisschen etwas wissen. Die Familie war überrascht, dass sie nun doch nicht ausreisten. Das ist ein enormes Opfer. Der Mann kann in dieser Gesellschaft allein bestimmen und sagen: «Wir bleiben hier!», aber innerhalb der Familie muss er das begründet haben.»

Christen loyal

Dieser Scheich zeige die geistliche Reife der jemenitischen Christen, die Schwab bei verschiedenen Besuchen im Land erlebt hat. «Statt auf den sicheren Hafen im Ausland zu setzen, zeigt er sich loyal zu seinem Land. Viele Christen sagen, dass sie jetzt Licht uns Salz sein wollen. Saudi-Arabien bombardiert im Namen des Islam. Jemens Christen sagen auch deshalb, dass ihre Landsleute sie gerade jetzt besonders brauchen.»

Die HMK steht der einheimischen Untergrundkirche bei, damit sie Nothilfe-Programme selbst durchführen kann. «Zu denen, die sich für ihre Land engagieren, gehören auch Scheichs und Stammesleiter, die Christen sind. Als Einheimische wirken sie über die Stammesgrenzen hinweg und haben Zugang zu Orten, wo selbst die UNO keinen Zugang hat.» Jemens Christen sähen fast alle ihren Platz im Inland. Sie seien in schwierigster Zeit loyal, das werde ihnen von ihren Nachbarn hoch angerechnet, obschon sie von Extremisten angefeindet würden.

Zum Buch:
Sonnenaufgang im Todestal (Deutschland / Schweiz)

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Datum: 31.05.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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