Ehe für alle – der grosse Spagat
Gegen einen homosexuellen Lebensstil sprechen mehrere Bibelstellen und auch die kirchliche Tradition von zwei Jahrtausenden. Dennoch hat die «Ehe für alle» heute gute Chancen, im Parlament durchzukommen. Rund zwei Drittel der Schweizer stehen diesem Ziel homosexueller Organisationen positiv gegenüber. Die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern veranstaltete daher am 5. September im Gemeindesaal der EMK an der Nägeligasse in Bern eine Podiumsdiskussion, an der Exponenten der Reformierten, der Christkatholiken, der Mennoniten und der Orthodoxen teilnahmen.
Vor einer Volksabstimmung
Der Organisator der Tagung, Pfarrer Christoph Knoch, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern, machte deutlich, dass wir wohl bald vor einer Volksabstimmung über die «Ehe für alle» stehen, nachdem sich die vorberatenden Kommissionen beider Parlamentskammern für die Initiative aus den Reihen der Grünliberalen ausgesprochen haben. Die Diskussion wurde von der Journalistin Rita Jost professionell geleitet. Es kam danach zu einem engagierten Austausch mit dem Publikum, an dem sich sowohl junge schwule Männer wie auch Verteidiger des biblischen Neins zur homosexuellen Lebensweise beteiligten.
Positionen liegen weit auseinander
Die Diskussion zeigte, wie weit die Positionen auseinanderliegen. Auf dem Podium sass der aus dem Jura kommende christkatholische Pfarrer mit libanesischen Wurzeln, Nassouh Toutounghi; ein Betroffener, für den es in erster Linie darum geht, dass der Grundsatz «gleiches Recht für alle» in der Bundesverfassung auch im Zivilgesetz durchgesetzt wird. Auch in der Kirche möchte er nicht länger zwischen Trauungen für Mann und Frau und Segnungsgottesdiensten für gleichgeschlechtliche Paare unterscheiden.
Der Mut, Nein zu sagen
Ihm stand der orthodoxe Theologe Stefanos Athanasiou gegenüber, der feststellte, dass es sich beim Thema aus orthodoxer Sicht um ein Problem des Westens handle. Zwar erlaube jetzt auch der griechische Staat die Ehe von gleichgeschlechtlichen Menschen, das halte aber die Kirche nicht davon ab, auf der traditionellen Position zu bleiben. Die Kirche solle den Mut haben, gesellschaftlichen Trends zu widerstehen.
Dazwischen sassen die reformierte Theologin Christine Aus der Au Heymann und der mennonitische Theologe Jürg Bräker, der Pastor in Bern und Generalsekretär der Konferenz der Mennoniten der Schweiz (KMS) ist. Christine Aus der Au hielt sich mir ihrer Meinung eher zurück und betonte stattdessen, es komme eben darauf an, wie man die Bibel lese. Eine Feststellung, die im Laufe der Diskussion leider nicht vertieft werden konnte. Für die reformierte Theologin ist wesentlich, dass sich die Kirchen an der Gestaltung einer angst- und diskriminierungsfreien Zivilgesellschaft beteiligen, was immer dies im Blick auf das Diskussionsthema bedeutet.
Aufeinander hören
Jürg Bräker verwies bei der Frage, ob allenfalls gleichgeschlechtliche Paare in einer Mennonitengemeinde gesegnet oder getraut werden, auf die Unabhängigkeit der Gemeinden in der KMS. «Wir müssen darüber sprechen», so Bräker, auch wenn die Gefahr von Spaltungen drohe. Und er hofft: «Man wird aufeinander hören, ohne sich einig sein zu müssen.Zum Thema:
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Datum: 14.09.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / idea Schweiz