Drei Tage wie ein Mönch
Ich sitze in meinem Auto, das seit drei Tagen an einer Waldlichtung in der Nähe von Marburg parkt. Seit einigen Minuten denke ich über den nächsten Schritt nach. Mache ich es oder mache ich es nicht?
Drücke ich diesen einen Knopf, wird das nachhaltige Auswirkungen auf meinen Alltag haben. Auswirkungen, die ich in den letzten drei Tagen nicht wirklich vermisst habe. Ein paar Minuten denke ich noch nach, dann kann ich nicht anders, drücke den Knopf und gebe den sechsstelligen Code ein. Ich bin wieder online.
Immer dieser Digital Detox
Mein Handy, das die letzten drei Tage «geschlafen» hat, ist wieder an und ich lege es so weit wie möglich von mir entfernt weg auf den Beifahrersitz. Digital Detox nennen meine Instagram-Freunde den aktuellen Trend. An sich probiere ich Trends so gar nicht gern aus. Der hier ist aber doch ganz okay. Nur komisch, dass alle immer öffentlich darüber reden müssen. Mit einem verschmitzten Grinsen fällt mir ein, dass ich hier nicht wirklich was anderes mache.
Die letzten drei Tage habe ich so echte Mönch-Sachen gemacht, allein in einer Hütte im Wald verbracht und mit Gott geredet – ohne Handy und Kontakt zu anderen Menschen. Die abrupte Entschleunigung meines Alltags war angenehmer als ich dachte.
Ich glaube, das liegt aber auch an meiner neuen Morgenroutine: ein Gebetsrhythmus, in dem ich mehr bewusst atme als rede und mich auf die Anwesenheit vom Erfinder der Welt einlassen lerne. Ist spannender als es klingt, versprochen.
Leben im Originaltempo
Eins meiner wenigen Ziele in diesem Jahr ist es, mein Leben etwas mehr zu entschleunigen – mit Mönch-Sachen, solchen Aktivitäten, die sich seit Jahrhunderten über den Beschleunigungstrend hinwegsetzen, weil sie ein naturgemässes Tempo besitzen. Spazierengehen zum Beispiel oder mit einem Kugelschreiber auf Karten schreiben, anstatt digitale Nachrichten zu senden. Essen kochen, das länger dauert, Kerzen beim Brennen zuschauen, beten oder mal still die Natur beobachten. Ich glaube, im Leben gibt es Erlebnisse, die sich nur im Originaltempo voll und ganz entfalten. Genau solche will ich mehr erleben.
Vor kurzem habe ich mir ein Stück von meinem rechten Daumen abgeschnitten. Das hat mehr geblutet als ich dachte und in dem Moment war ich extrem dankbar für meine Kollegin, deren Erste-Hilfe-Kurs nicht schon dutzende Jahre zurück lag. Was mich neben der enormen Menge an Blut begeistert hat, war die Fähigkeit meines Körpers, den verlorenen Teil des Daumens wiederherzustellen. In einem für mich natürlich viel zu langsamen Tempo, aber halt auch ziemlich genau und detailliert.
Was Mönche draufhaben
Heilen braucht seine Zeit. Warum denn auch nicht? Alles im Leben braucht seine Zeit. Wer bin ich, dass ich dem Leben vorschlagen möchte, das doch bitte etwas schneller zu tun. Und zu welchem Zweck? Damit ich noch mehr Termine in meinen übergewichtigen Kalender packen kann? Damit ich mich wichtiger nehmen kann, als ich tatsächlich bin? Damit ich stöhnen kann über die viele Arbeit und die Fülle meines Lebens? Besonders gesund klingt das nicht, finde ich.
Wie sieht dein Leben gerade aus? Wahrscheinlich reich gefüllt mit erfüllenden und alltäglichen Sachen, die dein Leben schöner machen. Vielleicht manchmal aber auch so überfüllt mit Aktionen und Terminen, die dich das Wesentliche vermissen lassen: das Menschsein. Das soll nicht nur philosophisch klingen – ich bin wirklich davon überzeugt, dass das «vor Gott sein» unser grösster Lebenssinn ist und Menschen wie Mönche darin manchmal ganz gut sind. Auf jeden Fall stelle ich mir ihr Leben so vor und es ermutigt mich, mehr entschleunigt in natürlichen Geschwindigkeiten zu leben. Bist du dabei?
Zum Thema:
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Datum: 03.08.2024
Autor:
Felix Padur
Quelle:
Magazin Dran 4/2024, SCM Bundes-Verlag