Carey Nieuwhof und die Veränderungs-Gegner
Veränderung überwindet Hindernisse
Die wenigsten Menschen lieben Veränderung, deshalb muss ein gewisser Schmerz oder Handlungsdruck vorhanden sein, um sich auf den Weg zu machen. Das ist völlig normal – problematisch wird es laut Nieuwhof erst, wenn man die Zeichen der Zeit ignoriert und sich dem Thema Veränderung nicht stellt. Als Beispiel nennt er Firmen, die noch vor ein paar Jahren alle kannten: Da gab es mal den Videoverleih «Blockbuster», der an jeder zweiten Strassenecke (in den USA) ein Geschäft betrieb und dessen Leitung sich zu Beginn noch über Streamingdienste wie Netflix lustig machte. Es gab mal Kodak, einen Pionier für Fotomaterial und vor allem Filme, der gegen die Digitalisierung auf den klassischen analogen Film setzte. Und im deutschsprachigen Raum gab es einmal (oder gibt es gerade noch) Kaufhäuser wie Galeria Kaufhof/Karstadt. Allen gemeinsam ist, dass sie Trends verschlafen und sich damit letztlich überflüssig gemacht haben.
Wenn die Gemeinde nach 1952 riecht
Zu Beginn seiner Pastorenzeit war Nieuwhof in drei Kleingemeinden angestellt – mit sechs bis 23 Mitgliedern. «Das hatte den Vorteil, dass die Gemeinde schon signifikant gewachsen war, als meine Frau und ich dazukamen», schmunzelt er. Bei einem Gang über den lokalen Friedhof stösst er auf einen Grabstein – hier ist allerdings niemand begraben, er steht dort als Hinweis auf eine ausgestorbene Gemeinde. Dem frischgebackenen Pastor ist klar, dass Veränderung nötig ist, wenn man leben möchte. «Kennt ihr das, wenn ihr in eine Kirche geht, die nach 1952 riecht?», fragt er und ergänzt für Deutschland: «oder nach 1776?»
Nieuwhof änderte im Laufe der Zeit so ziemlich alles in seinen drei Gemeinden: Er installierte Kinderprogramme, um Kinder anzuziehen, die noch nicht da waren, legte die Gemeinden zusammen, schaffte das «Ältestenamt auf Lebenszeit» ab, trat einer Denomination bei, löste sich wieder aus diesem Verband und leitete jahrelang die «Connexus Church», eine der grösseren kanadischen Gemeinden. Inzwischen ist er dort immer noch Mitglied, aber kein Pastor mehr, und wenn er durch die Reihen geht und Gründungsmitglieder aus seiner Anfangszeit trifft, fragt er sie manchmal: «Hättest du damals gedacht, dass das hier aus unseren Anfängen wird?» Nieuwhof beschreibt sich als schlechten Pastor, weil er Veränderung wollte und nicht einfach Menschen halten, doch er fordert die Zuhörenden damit heraus: «Wenn sich in deiner Gemeinde heute 30 Leute über 70 treffen, dann braucht ihr Veränderung…»
Fünf Prinzipien
Weil Veränderung mit Hindernissen umgehen muss, beschreibt Nieuwhof fünf Prinzipien, die ihm dabei geholfen haben (hier nur verkürzt dargestellt!):
1. Schau genau hin
Bei jeder Veränderung gibt es verschiedene Typen: die frühen Anwender, die sich für neue Ideen begeistern, die frühe Mehrheit, die Neues bald umsetzen möchte, die schweigende Mehrheit, die wartet, bis es alle machen und sich anschliesst und die Gegner der Veränderung. Diese letzte Gruppe ist zwar klein (meistens unter 10 %), aber sie ist die lauteste. Deshalb lohnt es sich, genau hinzuschauen, wer wirklich gegen Veränderung ist, und Lautstärke nicht mit Menge gleichzusetzen.
2. Wähle deinen Fokus
Menschen kommen dazu und Menschen gehen – auch in der Gemeinde. Die Frage bei Veränderungsprozessen ist, worauf man den Fokus legt: auf die, die bleiben sollen, oder auf die, die man erreichen will.
3. Finde einen Filter
Ohne eigenen Massstab hört sich fast alles verlockend an, selbst wenn es sich widerspricht. Da hilft es, nach der biblischen Grundlage für eine Veränderung bzw. nach der Kritik daran zu fragen – oder auch die Frage zu stellen, ob das Gegenüber eine Vision für die Zukunft hat oder nur eine für die Vergangenheit.
4. Trenne Menschen von Problemen
Wenn man Menschen empathisch begegnet, kann man sie leichter auf schwierige Wege mitnehmen: «Du hast Recht – die Gemeinde ist nicht mehr so wie früher…» Ausserdem ist es hilfreich, z.B. auf eine Kritik per Mail direkt zu reagieren – nicht zeitlich, sondern durch ein direktes Gespräch oder einen wertschätzenden Anruf.
5. Gib nicht auf!
«Der Moment, in dem du aufgeben möchtest, ist meist der kurz vor dem Durchbruch», gibt Nieuwhof am Schluss noch den Zuhörenden mit.
Sein Appell am Ende ist es, wenigstens einen der gehörten Schritte zu gehen, weil eine angedachte Veränderung, die man nie umsetzt, seiner Meinung nach nur zur Reue führt. Laut ihm ist es das Wagnis wert, denn: «Die nächste Generation steht auf dem Spiel.»
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Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet