Ayaan Hirsi Ali findet Antwort im christlichen Glauben
«Ayaan» heisst Glück auf Somali. Doch das ist es nicht, was man in der Regel zuerst mit Ayaan Hirsi Ali (54) assoziiert. Die streitbare Frauenrechtlerin und Islamkritikerin stammt aus Mogadischu. Sie wuchs zwar in einem eher liberal geprägten Elternhaus auf – ihr Vater war Akademiker und politisch stark engagiert –, wurde aber trotzdem als kleines Mädchen zwangsbeschnitten und sollte als junge Frau gegen ihren Willen verheiratet werden. Zunächst war sie sogar Mitglied der islamistischen Muslimbruderschaft, doch seit ihrer Flucht in die Niederlande und der späteren Ausreise in die USA wurde sie zu einer der profiliertesten Islamkritikerinnen weltweit.
Kritik am Islam
Hirsi Ali kritisierte den Islam immer wieder als rückständig und repressiv. Ihre eigene Geschichte half ihr dabei, als glaubwürdige Zeugin gegen Unterdrückung und Verstümmelung von Frauen zu kämpfen. Schon vor 20 Jahren hielt sie fest: «Schluss mit dem Wegsehen im Namen eines Multikulturalismus, wenn dabei die Werte der Demokratie unter die Räder kommen. Das hat mit Respekt vor anderen Kulturen nichts zu tun.» Zusammen mit dem Regisseur Theo van Gogh drehte sie dazu einen dokumentarischen Kurzfilm, «Submission» (Unterordnung).
Kurz darauf wurde van Gogh von einem muslimischen Extremisten ermordet, der an seiner Leiche einen Drohbrief an Hirsi Ali zurückliess. Sie bekam Polizeischutz. Regelmässig geriet sie in den folgenden Jahren mit ihren Forderungen, aber auch mit provozierenden Äusserungen in die Schlagzeilen. Hirsi Ali unterstrich dabei immer wieder ihren Atheismus, der für sie ein Ausweg aus einem angstgetriebenen Islam war – in ihrer Argumentation setzte sie dabei auch gemässigte Muslime mit radikalen Islamisten gleich. Grundlage ihres Denkens war unter anderem ein fast 100 Jahre alter Vortrag des Religionskritikers Bertrand Russell, «Warum ich kein Christ bin».
Bekenntnis zum christlichen Glauben
Daran knüpft sie nun an und schreibt in einem Artikel: «Warum ich nun Christin bin». Hirsi Ali unterstreicht, dass der Atheismus die Welt nicht für die kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ausrüsten könne. Sie begründet ihre Hinwendung zum Glauben unter anderem mit der Bedrohung der westlichen Zivilisation aus drei Richtungen: «dem Wiederaufleben des Autoritarismus und Expansionismus der Grossmächte durch die Kommunistische Partei Chinas und Wladimir Putins Russland, den Aufstieg des globalen Islamismus, der eine grosse Bevölkerung gegen den Westen zu mobilisieren droht, und die virale Verbreitung der Ideologie des Westens, die die Moralvorstellungen der nächsten Generation auffrisst».
Auf der Suche nach einer Lösung entdeckt sie: «Wir können diese gewaltigen Mächte nicht abwehren, wenn wir nicht die Frage beantworten können: Was ist es, das uns eint? Die Antwort ‘Gott ist tot!’ scheint nicht auszureichen. Ebenso unzureichend ist der Versuch, in der ‘auf Regeln basierenden liberalen internationalen Ordnung’ Trost zu finden. Die einzige glaubwürdige Antwort liegt meiner Meinung nach in unserem Wunsch, das Erbe der jüdisch-christlichen Tradition zu bewahren.»
«Leben ohne spirituellen Trost unerträglich»
Ist das Bekenntnis von Ayaan Hirsi Ali zum Christentum nun ein rein politisches? Nein, in ihrem Artikel stellt sie klar: «Ich wäre jedoch nicht ehrlich, wenn ich meine Hinwendung zum Christentum allein auf die Erkenntnis zurückführen würde, dass der Atheismus eine zu schwache und spaltende Lehre ist, um uns gegen unsere bedrohlichen Feinde zu stärken. Ich habe mich auch deshalb dem Christentum zugewandt, weil ich das Leben ohne spirituellen Trost letztlich als unerträglich, ja fast als selbstzerstörerisch empfand. Der Atheismus konnte eine einfache Frage nicht beantworten: Was ist der Sinn und Zweck des Lebens?»
Die Aktivistin betrachtet sich daher «nicht mehr als abtrünnige Muslima, sondern als abgefallene Atheistin». «Natürlich muss ich noch sehr viel über das Christentum lernen. In der Kirche entdecke ich jeden Sonntag ein wenig mehr. Aber ich habe auf meiner eigenen langen Reise durch eine Wildnis der Angst und der Selbstzweifel erkannt, dass es einen besseren Weg gibt, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, als ihn der Islam oder der Unglaube zu bieten hatten.»
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