Ein Mathematiker rechnet mit Gott
Wer von der Princeton Universität dreimal fürs beste Schreiben über Mathematik ausgezeichnet wird, versteht offenbar nicht nur seine Materie, sondern kann sich auch noch ausdrücken. Das stellt Francis Su recht gut dar. Der Harvard-Absolvent lehrt als Mathematikprofessor Kombinatorik, ihre Anwendung in der Wissenschaft und Spieltheorie.
Daneben arbeitet er an dem, wovon viele Schülerinnen und Schüler immer geträumt haben: einem allgemeinverständlichen und interessanten Zugang zu Mathematik – unter anderem mit einer Fun-Fact-Seite zu mathematischen Problemen. Dass Su ausserdem mit Gott rechnet, wurde ihm allerdings nicht in die Wiege gelegt.
Migrantenschicksal
Die USA definieren sich fast darüber, dass sie ein Schmelztiegel von Menschen aus verschiedensten Nationen sind. Das hört sich so lange gut an, bis man selbst als Kind von Einwanderern versucht, seinen Weg zu finden. Francis Su erklärt in einem Artikel über sein Leben: «Ich wurde dazu erzogen, Bildung als Eintrittskarte für ein gutes Leben und gesellschaftliche Akzeptanz zu schätzen.» Religion spielte dabei keine grosse Rolle, obwohl er wegen der Qualität der Ausbildung in einer kirchlichen Grundschule landete.
Bis auf eine gewisse Ehrfurcht vor sakralen Räumen blieb davon auch wenig übrig. Und als guter Schüler lernte er bald, über Mathematik zu staunen. «Das Universum hatte eine bezaubernde Ordnung, die sich damit erschliessen liess. Ich lernte zu schätzen, dass mathematische Wahrheiten real sind, obwohl sie nicht physisch sind, und dass sie die Welt beeinflussen, obwohl sie ausserhalb von ihr existieren. Das fühlte sich an wie spirituelle Einsichten.»
Erfolg und seine Grenzen
Die Faszination für Mathematik wurde bei Su jedoch bald von seiner Sehnsucht nach Erfolgen überlagert. Er blieb ein herausragender Schüler. Regelmässig gewann er Mathematikwettbewerbe. Natürlich studierte er Mathematik und mit seinen Noten wollte er sich selbst und allen anderen beweisen, was er wert war. Als er 1985 sein Studium begann, war der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt. Die Angst vor einem Atomkrieg beherrschte die Gesellschaft und Asiaten wurden sehr argwöhnisch betrachtet.
Dem konnte Su nur seine eigene Erfolgsgeschichte entgegensetzen – und das tat er. Die Grenzen wurden ihm allerdings schmerzlich bewusst, als kurz nacheinander bei beiden Eltern schwere Krankheiten diagnostiziert wurden: Sein Vater litt an Darmkrebs mit einem unklaren Ausgang, seine Mutter an ALS, einer unheilbaren Schädigung des Nervensystems, die dazu führen würde, dass sie bald im Rollstuhl sitzen müsste – mit klarem Verstand in einem gelähmten Körper gefangen – und schliesslich daran sterben würde.
Verzweiflung
Su war verzweifelt. Zum ersten Mal war er mit der schrecklichen Realität des Todes konfrontiert und sein brillanter Verstand bot ihm keinerlei Hilfe. Eines Abends fragte er William, seinen Mitbewohner im Studentenwohnheim: «Gibt es irgendeine Hoffnung?» «Nur wenn du an Gott glaubst», antwortete dieser. William war Christ, aber er sprach nicht oft über seinen Glauben. Doch er beantwortete Sus Fragen, so gut er es konnte.
Das Gespräch half Su weiter – gleichzeitig fragte sich der Mathematiker, wie sein intellektueller Mitbewohner seinen Glauben rational begründen konnte. Doch William war nicht der letzte Christ, den er im College kennenlernen sollte, der ausnehmend klug war, ohne dabei nur nach persönlichem Erfolg zu streben. Zunächst aber holte Su die Verzweiflung ein: Was war das Leben wert, wenn die Welt atomar bedroht war und seine Eltern im Sterben lagen? Seine guten Leistungen bedeuteten in diesem Zusammenhang gar nichts.
Hoffnung und Umkehr
Als ihm die Schwere seines Lebens besonders bewusst war, traf Su zwei Kommilitonen im Aufzug, die mit ihm über Jesus reden wollten. Normalerweise lehnte er solche Gespräche ab – diesmal nicht. Er verabredete sich mit ihnen zum Essen und dabei stellte er die Fragen, die ihn umtrieben. Im Rückblick meint er: «Sie stellten mir den christlichen Glauben nicht als eine Reihe religiöser Überzeugungen vor, die dazu dienen, Moral zu erzwingen, sondern als eine Beziehung zu Jesus. Das war neu für mich. Sie zeigten mir, dass Jesus ein Mann der Schmerzen war, der mit Kummer vertraut war. Er litt, was bedeutete, dass er das Leiden meiner Familie verstehen konnte. Zum ersten Mal verstand ich die Notwendigkeit der Gnade…»
Dass Leistung ihre Grenzen hat, hatte er längst begriffen und an frommer Leistung war er nicht interessiert. Plötzlich ergab der christliche Glaube Sinn für ihn und er beschloss, die Bibel zu lesen und ihre Aussagen zu prüfen – der Verstand war ihm immer noch sehr wichtig! – und kurz darauf wagte er den Schritt und vertraute sein Leben Jesus an. Als er William, seinem Mitbewohner, davon erzählte, freute der sich mit ihm und gestand: «Ich habe schon das ganze Jahr für dich gebetet.»
Schönheit in Mathematik und Leben
Die gesundheitlichen Herausforderungen in seiner Familie blieben, doch Su hatte inzwischen eine Hoffnung gefunden, auf die er bauen konnte: Jesus Christus. Die Nachfolge veränderte sein Leben. Er sah teilweise Sinn im Leid, das seinen Blick fürs Leben schärfte. «Der Weise geht dorthin, wo man trauert, aber der Unverständige hat nichts anderes im Sinn, als sich zu vergnügen», sagt der biblische König Salomo dazu in Prediger, Kapitel 7, Vers 4. Sein Sinn für Logik und Schönheit entwickelte sich auch während seiner Doktorandenzeit in Harvard weiter. Sie wurde so gleichzeitig zu einer spirituellen Reise, um zu verstehen, «warum manche Dinge im Leben so mies und andere so herrlich sind».
Dass die Schönheit des Denkens Gott selbst widerspiegelt, erkannte er damals und gibt es bis heute an seine Studierenden weiter. Für sich selbst fand er Frieden vor dem Kreuz. Su engagiert sich inzwischen für Randgruppen, weil Jesus dem Priorität einräumt. Und nebenbei verfasste er ein vielbeachtetes Buch «Mathematics for Human Flourishing» (Mathematik, die das Menschsein aufblühen lässt). Ein Kritiker meinte dazu: «Der tiefgründige und weitreichende Vortrag von Su ist schwer zusammenzufassen, aber lassen Sie es mich so versuchen: Die Mathematik kann das menschliche Herz verwandeln und es auf Mitgefühl ausrichten.» Offensichtlich sehen auch andere, was sich im Leben von Francis Su verändert hat. Mit Gott kann man nicht nur rechnen, mit ihm kann man leben.
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