Warum die alte Hymne modern ist
Gemäss einer Umfrage kennen keine zehn Prozent der Schweizer den Text der Nationalhymne, schreibt der «Blick». Die Zeitung fragt, wer hinter der Hymnen-Revolte steckt. Die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft (SGG) wolle sie ändern. «Der Text ist nicht mehr der Realität entsprechend», sagt deren Geschäftsleiter Lukas Niederberger. Die Melodie könne behalten werden, aber der Text mit Worten wie Alpenfirn, Abendglühn und Nebelflor seien veraltet.
Sie ist anerkannt
Unlängst zitierte die Zeitung etliche Prominente, welche dafür sind, dass die bestehende Hymne beibehalten wird. Auch bei den Lesern in der Kommentarspalte stösst eine neue Hymne auf wenig offene Ohren. Wenn sie in der Schule gelernt würde, würden sie die Leute auch wieder kennen, steht im derzeit beliebtesten Kommentar. Und jemand anderes äussert den Verdacht, dass eigentlich das Vorkommen von Gott und dem Beten der Stein des Anstosses ist – und nicht malerische, lyrische Worte wie Alpenfirn und Abendglühn.
Sie ist modern
Ein Gedanke wurde in der Diskussion noch nicht geäussert. Dass laut Umfragen bis zu achtzig Prozent der Schweizer beten – wenn auch nicht alle regelmässig. Somit behandelt die Nationalhymne eine Handlung, welche heute, in der modernen Schweiz ausgeübt wird. Also nicht etwas Verstaubtes aus vergangenen Tagen. Sollte die Hymne etwas behandeln, das noch mehr Menschen tun als beten, dann müsste der Schweizerpsalm lauten: «Esset, freie Schweizer, esset.» Oder «Schlafet, freie Schweizer, schlafet».
Dann – und nur dann – wären restlos alle Menschen angesprochen. Wobei die Variante mit dem Schlafen doch etwas passiv daherkommt; man stelle sich die Schweizer Fussball Nationalmannschaft vor einem WM-Spiel vor, welche diese Version inbrünstig singt. Und eine «Dolce-Vita»-Hymne mit Essen könnte – um beim Singen vor dem Länderspiel zu bleiben – etwas arrogant auf den Gegner wirken; er würde sich nicht ernstgenommen vorkommen (und dadurch zusätzlich motiviert).
Ein Text aber, der sich auf eine höhere Instanz beruft, in einer Zeit, in der Glaube, Kultur und Religion wieder wichtiger wird, ist nicht veraltet, sondern am Puls der Zeit.
Datum: 08.08.2014
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet