Eine Mutter erzählt, wie Gott das Unrecht wiedergutmachte
Im Besuchsraum eines Gefängnisses in Missouri fiel Judy Henderson 2017 auf die Knie. Die damals 60-Jährige hatte 36 Jahre hinter Gittern verbracht, verurteilt zu lebenslanger Haft ohne Bewährung für ein Verbrechen, das sie nicht begangen hatte.
Doch an diesem Tag liefen ihr die Tränen über das Gesicht, als Gouverneur Eric Greitens hinter ihr stand und eine Nachricht verkündete, die in die Geschichte Missouris eingehen sollte: Sie wurde begnadigt.
Er legte seine Hände auf ihre Schultern und sagte: «Judy, das ist eine gute Nachricht. Heute werde ich deine Strafe auf die Zeit reduzieren, die du bereits verbüsst hast – sofortige Entlassung.» Endlich hatte dieser schreckliche Alptraum ein Ende.
Der Moment der Verurteilung
Sie erinnert sich an den Tag ihrer Verurteilung: «Ich kann nicht in Worte fassen, wie zerstörerisch es ist, wenn man weiss, dass einem gerade das Leben genommen wurde. Vor allem, wenn man seine Mutter im Hintergrund weinen hört und sie nicht halten und trösten kann. Aber ich wusste, dass ich in diesem Moment stark sein musste.»
Henderson war Unternehmerin und selber Mutter, als ihr Leben aus den Fugen geriet. Sie erlebte häusliche Gewalt und emotionalen Missbrauch. Sie liess sich von ihrem gewalttätigen Mann scheiden, um ihre beiden kleinen Kinder zu schützen, und geriet in eine verletzliche Phase, die ihr zum Verhängnis werden sollte.
Ein tödlicher Raub
«Ich wünschte mir dieses perfekte Leben mit einem weissen Lattenzaun», blickt Judy Henderson zurück. «Dann lernte ich meinen späteren Mitangeklagten kennen. Er war charmant, freundlich und überzeugend. Ich hatte keine Ahnung, dass in ihm eine Seite schlummerte, die zu so etwas fähig war.»
Ihr neuer Freund brachte sie dazu, einen Juwelier in Springfield, Missouri, auszurauben. Der Raub endete jedoch tödlich, als der Juwelier sich weigerte, einen Ring und andere Wertgegenstände herauszugeben. Ihr Freund gab mehrere Schüsse ab und tötete den Juwelier, während Henderson selbst verletzt wurde.
Beide wurden des Mordes angeklagt, aber nur Henderson wurde verurteilt. Ein zentraler Punkt in ihrem Prozess – ein Interessenskonflikt – wurde später für verfassungswidrig erklärt: Sie und ihr Mitangeklagter hatten denselben Anwalt.
Die Aussage
«Ich kam zuerst vor Gericht und konnte nicht ehrlich aussagen, weil es seinem anderen Mandanten geschadet hätte», erklärt Judy Henderson. «Man kann nicht dem einen einen fairen Prozess gewähren und dem anderen nicht.»
Was folgte, war de facto eine «Todesstrafe auf Raten»: Lebenslänglich ohne Bewährung für 50 Jahre wegen eines Kapitalverbrechens. Henderson trat ihre Strafe in einem Zustand des Unglaubens und der Wut an, als sei sie in einem fremden Land gelandet.
Lichtstrahl in der Dunkelheit
«Am Anfang war ich sehr, sehr wütend. Gott und ich mussten uns mit vielen Dingen auseinandersetzen», sagt sie. Doch alles änderte sich, als sie an einer dreitägigen christlichen Einkehr für lebenslänglich Inhaftierte teilnahm.
«In der Bibel spricht Gott von Liebe. Er hat uns so sehr geliebt, dass er für uns gestorben ist. Als ich sah, wie viel Liebe in diesen Einkehrtagen war, und dass diese Freiwilligen ihre Zeit opferten, um mit uns zu sprechen, ohne Zwang dahinter – das gab mir Hoffnung.»
Es war hart, aber in ihr folgte ein Wandel. Sie erneuerte ihr Leben in Christus und fand Trost in der Bibel, in Jeremia Kapitel 29, Vers 11, einem Vers, den sie Jahrzehnte lang über ihrem Zellenspiegel hängen hatte: «Denn ich weiss wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.»
Judy Henderson: «Ich wusste, dass das Gefängnis nicht Gottes Plan für mich war. Aber während ich dort war, hatte er einen Plan für mich.»
Hinter Gittern weiterentwickelt
Henderson wurde Mentorin für andere Gefangene, zertifizierte Paralegal-Anwältin, Hundetrainerin, Fitnesstrainerin und Friseurin. Später wurde sie zur treibenden Kraft einer Gesetzesreform, die Opfern häuslicher Gewalt mehr rechtliche Möglichkeiten einräumte. Ihr Engagement führte dazu, dass das «Battered Women's Syndrome» in Missouri als juristische Verteidigung anerkannt wurde.
«Man kann entweder verbittert werden oder sich weiterentwickeln», reflektiert sie. «Ich habe mich für die Weiterentwicklung entschieden, denn die Wut hat nur mir selbst geschadet.»
Heute hilft sie Frauen, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, wieder auf die Beine zu kommen. «Das ist meine Mission, mein Lebensinhalt. Das werde ich bis zu meinem letzten Atemzug tun.»
«Wie könnte ich nicht vergeben?»
Ihre Erlebnisse schildert sie nun im Buch «When the light finds us» (in englischer Sprache). Sie spricht nicht nur von unschuldiger Gefangenschaft, sondern von radikaler Vergebung. Sie empfindet keinen Groll – weder gegen den Mann, der sie betrogen hat, noch gegen das System, das sie eingesperrt hat. «Gott hat uns vergeben. Wie könnte ich als seine Tochter nicht auch anderen vergeben?»
Durch ihr Schreiben, ihre Arbeit und ihren Glauben hilft Henderson heute anderen, den gleichen Weg zur Freiheit in Christus zu finden.
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Datum: 07.04.2025
Autor:
Leah MarieAnn Klett / Daniel Gerber
Quelle:
Christian Post / Übersetzung: Jesus.ch