Buch zur Jahreslosung

Hören. Prüfen. Behalten.

Kerstin Wendel
Kerstin Wendel hat ein Buch zur neuen Jahreslosung verfasst. Im Interview berichtet sie, warum sie die Jahreslosung 2025 fasziniert und was prophetische Rede damit zu tun hat.

Du hast ein Buch über die Jahreslosung 2025 geschrieben. Gleich am Anfang nennst du ein häufiges Missverständnis…
Kerstin Wendel: Ich glaube, wir verstehen dieses Wort wie ein biblisches Sprichwort, wie eine Einladung dazu, bestimmte Dinge kritisch zu sehen: Texte, Parteiprogramme, Sonderangebote… Mein Aha-Effekt war, genau hinzuschauen: Wie ist denn dieser Vers eingebettet? Was ist denn die ursprüngliche Absicht? Es geht ja um eine frisch entstandene kleine Gemeinde, die sich auf den Weg macht. Paulus spricht die Einladung aus, dem Heiligen Geist Raum zu geben und das eben auch in Bezug auf prophetische Rede. Die soll dann geprüft werden.

Beim Stichwort Prophetie denkt man schnell an Aussagen über die Zukunft. Was wird in der Bibel unter prophetischer Rede verstanden?
Ich habe es für mich mal so definiert: Offenbarungen zum Weitergeben. Es sind also Informationen, die nicht aus einem selber, sondern von Gott kommen. Und die sind gedacht für einen Menschen oder eine Kirche oder eine Situation, manchmal sogar für eine Nation. Dafür gibt es ja unterschiedliche biblische Beispiele. Prophetische Rede hat auch oft mit Zukunft zu tun, aber man darf sie auf keinen Fall wie ein christliches Horoskop verstehen.

Wie mache ich mich denn empfangsbereit für prophetische Eindrücke Gottes?
Früher wäre ich dafür gar nicht offen gewesen, weil ich Vorbehalte hatte. Ich kenne viele Leute, bei denen ich das ähnlich einschätzen würde. Prophetie ist deshalb etwas, womit viele Christen sich noch nicht beschäftigt haben. Irgendwann lernte ich, mich mehr für den Heiligen Geist zu öffnen, und das ging bei mir unter anderem über das Hörende Gebet – das ist ein Teilbereich von prophetischer Rede. Verschiedene Menschen haben für mich gebetet und mir dann ihre Eindrücke weitergegeben. Damit habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht und dadurch Lust bekommen, mich weiter damit zu beschäftigen.

Welche Form haben diese Eindrücke?
Menschen, die diese Gabe haben, können ein Wort empfangen, ein ganz menschliches Wort unserer Zeit oder auch ein Bibelwort. Es könnte auch ein inneres Bild sein. Ich denke, das hängt damit zusammen, auf welcher Ebene dieser Mensch gut ansprechbar ist.

Wie können wir denn prophetische Rede prüfen? Gibt es dafür Anhaltspunkte, Kriterien?
Meiner Meinung nach gibt es die. Zum Beispiel finde ich es wichtig, dass man gemeinsam mit anderen prüft, wenn es zum Beispiel ein Wort ist, das in einer Kirche gesagt wird. Dass sich nicht ein Einzelner dazu Gedanken macht, sondern dass man gemeinsam in Verantwortung geht. So haben es die Thessalonicher auch gemacht. Natürlich ist es immer total wichtig, das, was man da gehört hat, abzugleichen mit der Bibel.

Dann geht es darum, zu schauen, wer etwas Prophetisches gesagt hat: Wie ist dieser Mensch? Lebt er glaubwürdig als Christ? An dieser Stelle darf man richtig kritisch sein. Und dann: Was folgt aus diesem Wort? In Apostelgeschichte 11,28 sieht jemand namens Agabus eine Hungersnot voraus. Die Konsequenz war, zu spenden und die Christen in Judäa zu unterstützen. Dieses Verhalten hat einen guten biblischen Hintergrund – auch an anderen Stellen in der Bibel werden wir eingeladen, zu teilen.

Bei jeder Gabe oder bei allem, was wir im Rahmen von Gemeinde leben, wird es aber Fehler geben. Manchmal ist man, gerade bei solchen besonderen Gaben, geneigt zu denken: Bevor Fehler entstehen, wird das lieber erst mal nicht gemacht. Ich glaube, dass es da eine Fehlerkultur braucht. Paulus ist da sehr einladend und werbend den Thessalonichern gegenüber. Statt sie lange zu schulen, vertraut er die jungen Christen dem Geist Gottes an, schickt sie einfach los und traut ihnen zu, Erfahrungen zu machen. Das finde ich mutig und wertvoll!

Prüfen soll man, wie du schreibst, auch sich selbst…
Ja, ein sehr wichtiger und spannender zweiter Aspekt des Jahreswortes 2025 ist, mich zu prüfen. Wir sind ja oft geneigt, eher darauf zu schauen, ob der andere richtig lebt, der Pastor oder Nachbar, ob der Leitungskreis seine Sache richtig macht. Es geht aber darum, dass ich mich und meine Lebensführung prüfe. Ich glaube, viele Menschen vernachlässigen das.

Wie sollte man sich selbst prüfen?
Man kann es tun, indem man sich Zeit für die Stille nimmt: «Herr, wie siehst du mein Leben?» Ich stelle in meinem neuen Buch konkrete Anstösse und Gebete dazu vor. Und man muss nicht alle Weisheit selbst zustande bringen, sondern kann die Schwarmintelligenz nutzen. Wenn ich also ethische oder sonstige Entscheidungen treffen muss, kann ich den Rat von anderen Menschen in Anspruch nehmen. Wenn ich schliesslich erkannt habe, dass ich etwas ändern sollte, kann ich das sofort tun. Ich muss nicht auf den richtigen Zeitpunkt warten oder die Zustimmung von anderen. Jesus traut uns zu, uns mündig zu verhalten, unser Leben zu verantworten.

Der Vers hat ja noch eine zweite Hälfte: «Das Gute behaltet.» Wie kann das aussehen?
Wenn man so ein prophetisches Wort bekommt, ob als Einzelner oder als Kirche, kann ich darauf achten, ob das ein Echo in mir auslöst – und es dann festhalten. Bei einem anderen Wort, das einen nicht berührt, kann man getrost sagen: Das war jetzt nicht für mich. Ein schwieriger Bereich bei der Prophetie ist das Thema Zeit. Nicht immer enthält ein prophetisches Wort, wann etwas passiert oder wichtig ist. Manchmal sage ich mir, das ist jetzt nicht dran, aber ich halte es fest und die Zeit wird noch kommen.

Persönlich habe ich ein solches Wort in Bezug auf Menschen erhalten, die ich kenne. Da wusste ich gleich: Das ist jetzt noch nicht dran, das wird irgendwann kommen. Mittlerweile, nach mehreren Jahren, hat sich die erste Hälfte erfüllt. Manchmal ist es wichtig, dass man abwartet.

Ausserdem werden wir aufgefordert, allgemein das Gute zu behalten. Die Gefahr für uns Menschen heute besteht darin, im Negativen zu versinken. Die letzten Jahre haben uns das gezeigt. Corona, Ukraine-Krieg… In der Welt gibt es viel, das in uns Angst und Sorge auslöst. Dazu kommen Probleme im persönlichen Leben. Es ist eine Herausforderung, das Gute im Fokus zu behalten. Das muss regelrecht eingeübt werden.

Du hast dich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Was hast du daraus gelernt, was ist dein Fazit?
Zum einen habe ich gelernt, dass es spannend ist, tiefer in der Bibel zu graben, weil man sich dann manchmal von alten Meinungen verabschieden muss. Zum anderen habe ich vier Codewörter für unsere Zeit aus dem Jahreswort abgeleitet: lernen, träumen, wachsen und vertrauen. Es sind Mut machende Wörter, die dazu anregen, gross zu werden als Einzelner oder als Kirche. Und nicht zuletzt hat es Freude bereitet, ein «best practice» Buch zu schreiben. Es soll helfen, das Jahreswort in unser Leben zu bringen.

Ähnliche Impulse gibt es im Magazin LebensLauf. Infos zum günstigen Jahresabogutschein des Magazins findest du hier.

Zum Buch:
Kerstin Wendel: Prüft alles und behaltet das Gute

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Datum: 05.01.2025
Autor: Agnes Wedell
Quelle: Magazin LebensLauf 06/2024, SCM Bundes-Verlag

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