Dem eigenen Selfie sterben
Narziss ist eine Figur aus der griechischen Mythologie: ein schöner junger Mann, der alle Liebe zurückweist und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Er sitzt endlos am Teich, starrt ins Wasser und betrachtet sich selbst. Als er sich selbst umarmen will, fällt er ins Wasser, stirbt und wird in eine Blume verwandelt, die nach ihm Narzisse genannt wird.
Ähnlichkeiten mit unserer Kultur sind zufällig und völlig beabsichtigt. Wir sind eine Selfie-Gesellschaft, die das Ziel hat, sich selbst möglich oft zu zeigen und zu posten, in der Hoffnung, mehr Likes zu bekommen und unsere «Marke» zu stärken. Aztekische Pyramiden, amerikanische Wolkenkratzer, afrikanische Wildtiere oder isländische Geysire – nichts ist vollkommen ohne mein lächelndes Touristen-Gesicht dazu. Eigentlich zeige ich in endlosen Varianten mich selbst, alles andere ist Zugabe. Hat da jemand Narzissmus gesagt?
Die grössere Herrlichkeit
Wenn wir unser Leben damit verbringen, unsere eigene Marke aufzubauen und an unserem Ego zu basteln, vergessen wir schnell, wie es dem Narziss erging: Am Ende ertrinkt er «in sich selbst». «Wer sein Leben um jeden Preis erhalten will, der wird es verlieren», ist einer der rätselhaften, aber wahren Sprüche von Jesus.
Irgendwann kommt die Ego-Krise. Da kommen andere, die schöner, wichtiger, interessanter oder bekannter sind als ich. Wenn wir klug sind, lernen wir dann eine der wichtigsten Lektionen im Leben: Ich bin nicht vor allem «Ich», sondern ich bin ein Ebenbild Gottes.
Jesus sagte einmal zu seinen Freunden: «Seht, wie die Wildblumen wachsen. Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Nicht einmal Salomo in all seiner Pracht war gekleidet wie eine von ihnen» (Lukas Kapitel 12, Vers 27).
Leben aus der Auferstehung
Narziss starb, um etwas Besseres zu werden. Unser Körper, unsere Persönlichkeit und unsere (vergängliche) Schönheit sind eigentlich da, um «unbekümmerte Blumen für Gott» zu sein. Das ist die gnadenvolle Botschaft in der Narziss-Geschichte.
Die Story des Evangeliums ist eine Geschichte der Auferstehung. «Ich bin mit Christus gestorben» – das ist so ein weiterer rätselhafter, aber um so wahrerer Vers aus der Bibel, diesmal von Paulus. Der Tod des unersättlichen und unbarmherzigen Egos ist der Schritt zum wahren Leben, zur herrlichen Unbekümmertheit, die sich nicht dauernd pflegen, anschauen, perfektionieren und um sich selbst drehen muss.
Blumen denken nicht über sich selbst nach; sie sind einfach da. Sie blühen und tanzen im Wind und erfreuen Gott, uns und die Bienen. «Wenn Gott so mit dem Gras auf dem Feld umgeht, wie viel mehr könnte er das mit uns tun», meint Lukas im Neuen Testament.
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Datum: 23.11.2023
Autor:
Reinhold Scharnowski / Sandra McCracken
Quelle:
Jesus.ch / Christianity Today