Wie sie über den Tod ihrer Tochter hinwegkam
Rahel Mattera wird 1967 als zweites von fünf Geschwistern geboren. Sie wächst auf einem Bauernhof in Ossingen ZH auf, besucht mit ihren Eltern die Landeskirche. Trotz viel Arbeit und Betrieb – «meine Eltern hatten immer ein offenes Haus» – fühlt sich das Mädchen oft einsam.
Rahel zieht sich zurück, tankt auf in der Natur. Schon früh entdeckt sie ihre kreative Ader, dekoriert und gestaltet ihr Zimmer regelmässig um – eine Gabe, die sie noch heute in Haus und Garten leidenschaftlich lebt. Auf Ischia begegnet Rahel 16-jährig einem rassigen Italiener. Die beiden verlieben sich. Bis zur Hochzeit werden zehn Jahre vergehen. Rahel lernt Gärtnerin, arbeitet danach als Floristin. In St. Gallen wohnt sie in einem evangelischen Pflegeheim, bindet für einen Floristen tagsüber Sträusse.
Neue Identität
Damals fühlt sich Rahel besonders einsam. Der Glaube einer Mitbewohnerin, die keine grossen Worte darüber verliert, ihn aber auf humorvolle, offene Art lebt, macht Rahel neugierig. Nach der Konfirmation war Gott für sie kein grosses Thema mehr gewesen.
Ihre Schwester schenkt ihr das Buch «Ein Riss in der Mauer». Es ist die Geschichte der Engländerin und Christin Jackie Pullinger. In den Elendsvierteln von Hong Kong erlebte sie, wie Drogensüchtige, Prostituierte und Mafiabosse durch Gottes Liebe verändert wurden. Rahel ist tief berührt: «Ich sagte mir, wenn Jesus all diese Wunder heute noch tun kann, dann möchte ich ihn auch in meinem Leben haben.» Still für sich betet Rahel und lädt Jesus in ihr Leben ein. Eine nie gekannte Gelassenheit und Sicherheit erfüllen sie. Rahel realisiert, dass sie von Gott geliebt und wertgeachtet ist. Sie sucht sich eine Kirchgemeinde und absolviert einen Glaubensgrundkurs. Ihre neue Identität in Jesus beflügelt sie. Das erlebt Rahel besonders, wenn sie singt oder mit Gott redet.
Gehalten und beschenkt
1992 entscheidet sich Sandro, zu Rahel in die Schweiz zu ziehen. Als Ältester hätte er den Familienbetrieb, ein kleines Hotel, übernehmen sollen. Rahel ist glücklich und kann auch ihn für Jesus begeistern. Im Juni 1993 heiraten die beiden. 1995 kommt Sarah zur Welt, zwei Jahre später Naomi. Die junge Familie erlebt eine sehr fröhliche Zeit.
Sarah und Naomi sind fünf und sieben, als Sandro seine Arbeit verliert. Diese Krise stürzt ihn in ein tiefes Loch, aus dem er nicht so schnell herausfindet. Rahel ist massiv herausgefordert. Zudem belastet sie die finanzielle Situation. Sie erinnert sich: «Eines Abends sass ich heulend über einer Rechnung von 500 Franken – ratlos, wie ich sie bezahlen sollte. Am nächsten Morgen fand ich ein Couvert im Briefkasten mit fünf blauen Scheinen!» Solche Wunder erlebt Rahel wiederholt. Auch Kirchgemeinde, Familie und Freunde unterstützen Matteras in der schweren Zeit. Diese Hilfe anzunehmen, fällt Rahel nicht immer leicht. Täglich schöpft sie Kraft aus ihrem Glauben, sagt heute: «Jesus hat mich nie im Stich gelassen. Er war mir greifbar nah.» Zehn Jahre ziehen ins Land – als der nächste Schlag folgt.
Der grosse Verlust
Tochter Sarah kommt eines Tages schwer erkältet nachhause. Kurz darauf hat sie hohes Fieber. Zweieinhalb Wochen Hoffen und Bangen – dann stirbt Sarah 17-jährig nach einer Hirnblutung. Für Rahel bricht eine Welt zusammen. Bis zuletzt hatte sie geglaubt, Sarah würde gesund werden. Die Mutter erinnert sich: «Ich war ganz unten angelangt und habe Gott nicht mehr verstanden – vor allem in seiner Rolle als Vater. Ich habe viele Kämpfe mit ihm ausgefochten, ihm Schimpf und Schande gesagt. Und Gott? Er redete durch eine innere Stimme zu mir und sagte: 'Rahel, ich kann das vertragen. Schön, dass du zu mir kommst.' In diesem Moment fühlte ich mich unendlich geliebt, geborgen und von Gott ernstgenommen. Ich spürte, dass Wunden heilten.»
Zurück ins Leben
Auf ihrem Weg zurück ins Leben gibt sich Rahel die Zeit, die sie braucht. Regelmässig schüttet sie ihr Herz bei Gott aus und findet Trost bei ihm. Auf Spaziergängen mit Hund Bosco, den sie erfolgreich zum Trüffel suchen trainiert hat, erfährt sie Gottes Nähe besonders intensiv. «Es war mir wichtig, nicht zu verdrängen, sondern mich dem Schmerz zu stellen», sagt Rahel. «Ich habe erlebt, Gottes Liebe ist grösser als aller Schmerz. Meine Freundschaft mit Jesus kann mir niemand nehmen!»
Heute hilft die ausgebildete Seelsorgerin selbst Ratsuchenden – auch indem sie sich kreativ mit ihnen betätigt. «Menschen, die durch Krisenzeiten gehen, sollen wieder Lebensfreude und -sinn finden. Das ist mein grösster Wunsch», sagt Rahel. Ihr Künstler-Logo «Aufblühen» passt da perfekt.
Brauchen Sie Hilfe oder einfach ein offenes Ohr? Dann melden Sie sich bei der anonymen Lebenshilfe von Livenet, per Telefon oder E-Mail. Weitere Adressen für Notsituationen finden Sie hier.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Neuauflage. Er erschien bereits im Juni 2020 bei Livenet.
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Datum: 16.09.2023
Autor:
Manuela Herzog
Quelle:
Livenet