Menschen mit Behinderungen sind Teil unserer Kirchen
Als grössere betriebliche Veränderungen anstanden, musste sich Markus Zuberbühler nach 32 guten Arbeitsjahren bei der Post Gedanken über seine Zukunft machen. Er war gerade mal 52 Jahre alt und spürte mit Hilfe eines Coaches seiner Berufung nach. Es hat sich herauskristallisiert, dass Markus seine vielseitigen Erfahrungen, die er in unterschiedlichen Führungs- und Managementfunktionen sammeln konnte, zum Wohl von Menschen und eher nicht mehr in einem Grossbetrieb einsetzen möchte. Als dann Glaube und Behinderung (GuB) einen neuen Geschäftsführer suchte, dachte er: «Das könnte passen.» So bewarb er sich. Er erhielt den Job und das Anliegen für Menschen mit Behinderungen packte ihn immer mehr.
GuB: Glaube und Behinderung
GuB ist eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerisch Evangelischen Allianz mit Teilnehmern mit unterschiedlichem kirchlichen Hintergrund. Der Verein ist knapp 35 Jahre alt und wurde in der Zeit gegründet, als die Heilungsbewegung aus den USA nach Europa überschwappte. Mit grossem Enthusiasmus wurde mit Menschen mit Behinderung für Heilung gebetet. Die meisten wurden aber nicht geheilt und Enttäuschung machte sich breit. «Viele haben an ihrem Glauben gezweifelt», erzählt Markus. «Und oft fühlten sie sich in ihren Gemeinden nicht mehr wohl, weil sie sich dort nur noch als Gebetsziel vorkamen.»
In dieser Zeit bildete sich eine Gruppe von Betroffenen, die als Reaktion auf diese Heilungsbewegung einen Verein gründete, um Menschen mit Behinderungen geistlich und praktisch zu unterstützen. «Die Kernbotschaft ist seit der Gründung, dass wir alle geliebte Kinder Gottes sind, egal ob wir mit oder ohne Behinderung leben.»
Anfangs wurde ein jährliches Wochenende organisiert, doch dann wuchs die Arbeit. Bald kamen die Fachtagungen und Ferienwochen im In- und Ausland dazu. Bereits mehrmals reisten Gruppen von rund 70 Personen nach Israel. Bei der Planung dieser Reisen wurden die Einschränkungen der Teilnehmenden berücksichtigt. Übernachtet wurde in Hotels mit genügend rollstuhlgängigen Zimmern. Für die Ferienangebote erhält GuB wertvolle Zuwendungen von Stiftungen wie der «Stiftung denk an mich» oder der «Stiftung Celebral». Hauptsächlich wird der Verein durch Spenden finanziert.
Es gibt viel zu tun
Heute ist Markus 57 Jahre alt und kommt in seiner Aufgabe bei GuB richtig in Fahrt. Der Verein organisiert neuerdings auch eine Wanderwoche und ein Wochenende für junge Menschen mit Behinderung (young@gub). Besonders freut er sich über neue Möglichkeiten, wie beispielsweise beim letzten PraiseCamp, wo GuB dazu beitragen konnte, den Anlass barrierefrei zu gestalten. «Wir organisierten zum Beispiel Dolmetscherinnen zum Übersetzen in die Gebärdensprache und waren mit einem Team vor Ort, um den Jugendlichen die gewünschte Unterstützung zu bieten.» Ein solcher Aufwand lohne sich auf jeden Fall. «Viele Teilnehmende am PraiseCamp haben den Verein GuB durch unsere Präsenz erstmals wahrgenommen. Teilweise haben sie Geschwister mit Behinderung zu Hause, die beim nächsten PraiseCamp auch gerne dabei sein möchten.»
Auch das Thema Seelsorge soll erweitert werden. So gilt es zum Beispiel, Seelsorger, die sich auf die Begleitung von Menschen mit Behinderung spezialisiert haben, zu vernetzen. «Wir wollen keine Konkurrenz zur Seelsorge in der Kirche aufbauen, sondern unsere Hilfe anbieten, wenn jemand keinen Zugang hat zu einem passenden Seelsorgeangebot.»
Inklusion in der Kirche
«Einer unserer strategischen Schwerpunkte ist Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Kirche.» Markus ist sich bewusst, dass es viele vorbildliche Kirchen gibt, dass diesbezüglich aber noch viel getan werden muss. Deshalb ist die Sensibilisierung von Kirchen zunehmend im Fokus von GuB. Entsprechend sind ein Film und Lehrmittel in Entstehung, welche Anfang nächstes Jahr zur Verfügung gestellt werden sollen.
Anfang Juli fand wiederum eine Ferienwoche in Interlaken statt und Markus ist neu begeistert, wie Menschen mit Behinderung ihren Glauben leben und welche Tiefe ihm dabei begegnet. «Wenn Menschen mit Behinderung in der Kirche keinen Platz finden, dann fehlt uns vieles: ihre Persönlichkeit, ihre Freundschaft, ihre Gaben und ihr wertvoller Blick auf Gott und die Welt.» Mit einer Rampe für Rollstuhlfahrer sei es aber noch nicht getan. Zuerst braucht es eine entsprechende Herzenshaltung. Wichtig scheint Markus, sich mit Betroffenen auszutauschen und sie zu fragen, was ihnen hilft, Teil der Kirche zu werden. Dies ist ein untrügliches Signal, dass alle willkommen sind – auch wenn nicht alles ideal ist.
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Datum: 24.07.2023
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Livenet