Ein Helfer in den schlimmsten Zeiten
In einer Welt, in der es Negatives und Böses, aber auch die Freiheit des Menschen gibt, ist Leiden an der Tagesordnung. Dabei kann Leid die verschiedensten Ursachen haben: Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Sünde, dämonisches Wirken, Hunger, Armut, Gewalt, Enttäuschung und Verletzung, Verlust von Menschen, Lüge, Krankheit und Tod.
Unterschiedliche Schwelle
Auch Christen erleben Leid, ganz gleich in welcher Form. Gott hat zwar verheissen, dass er mit denen ist, die zu ihm gehören, und dass er sie schützt, doch das ist keine Versicherung, dass Christen grundsätzlich Leid erspart bleibt. Leid und leidvolle Erfahrungen gehören zum Leben jedes Menschen.
Die Schwelle, ab wann jemand seine Situation als Leid erlebt, kann sehr unterschiedlich sein. Natürlich werden existentielle Bedrohungen wie Gewalt, Unterdrückung und Armut in jedem Fall als Leid empfunden. Doch in anderen Bereichen wie dem zwischenmenschlichen Miteinander kann der eine etwas als tiefe Verletzung empfinden, was ein anderer nicht so leidvoll erlebt.
Jesus ging einen Leidensweg
In keiner Religion ist Leiden so eng mit Gott verbunden, wie im Christentum. Nirgendwo sonst hat sich ein Gott selbst so mit dem Leiden des Menschen identifiziert. Leid und Leiden ist im christlichen Verständnis keine Nebensache und auch kein Unfall. Der Sohn Gottes, Jesus, war bereit, seine besondere Stellung hinter sich zu lassen, um einen Leidensweg zu gehen, der ihn zur Folter und zum Tod am Kreuz führte. Damit wird Leid im christlichen Glauben nicht verherrlicht, aber es ist ein besonderer Teil des Lebens von Jesus.
Brief an Menschen, die leiden
In der Bibel befasst sich der erste Petrusbrief mit dem Thema Leid. Er richtet sich an Christen, die im östlichen Teil der heutigen Türkei lebten, in einer nicht-christlichen Umwelt. Sie wurden als Sonderlinge, nicht selten sogar als unsozial und störend empfunden, weil sie nur an einen einzigen Gott glaubten – in der damaligen Zeit ein Unding. So wurden sie ausgegrenzt und erlebten Benachteiligungen, unter denen sie litten. Diese Christen werden in dem Brief so angesprochen: «auch wenn ihr jetzt noch für eine kurze Zeit auf manche Proben gestellt werdet und viel erleiden müsst.» (1. Petrusbrief, Kapitel 1, Vers 6)
«Erwählte Fremde»
Ganz am Anfang des Briefes werden diese Christen als «erwählte Fremde» bezeichnet. Was aber will der Briefschreiber damit sagen? Zum einen, dass Christen ihre Heimat, ihren wirklichen Herkunfts- und Bestimmungsort, bei Gott haben. In dieser Welt sind sie Fremde, andere Übersetzungen sprechen von Gästen oder Pilgern. Zum anderen soll jeder Christ wissen, dass er erwählt ist. Er ist nicht allein gelassen in der Welt, sondern von Gott auserwählt, begleitet, kostbar und sein ganz besonderes Eigentum.
In der Nähe des Vaters
An einer anderen Stelle heisst es in dem Brief weiter: «Christus hat also am eigenen Leib erfahren, was Leiden heisst. Macht euch daher seine Einstellung zu eigen, damit ihr für alle Herausforderungen gewappnet seid.» (Kapitel 4, Verse 1-2) Um welche Einstellung aber geht es hier? In der Bibel wird berichtet, dass Jesus in allem, was er tat, die Nähe zu seinem Vater im Himmel suchte. Das war seine Haltung, sein besonderer Fokus.
So innig, wie Jesus mit seinem Vater lebte, forderte er auch seine Freunde dazu auf, es ihm gleich zu tun. Bevor er gefangengenommen wurde und seinen Leidensweg ging, sagte er zu ihnen: «Dann werde ich den Vater bitten, dass er euch an meiner Stelle einen anderen Helfer gibt, der für immer bei euch bleibt… Aber ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch leben. Nein, ich lasse euch nicht als hilflose Waisen zurück.» (Johannes-Evangelium, Kapitel 14, Verse 16 und 18)
Der Helfer, den Jesus hier meint, ist sein Heiliger Geist. In jedem Menschen, der an Jesus glaubt, lebt dieser Geist. Er ist es, der im Menschen wohnt und ihn nie verlässt, der ihm Kraft gibt, ihn tröstet, ihn leitet und ihm immer wieder an Aussagen des Wortes Gottes erinnert.
Das klingt paradox
Was aber bedeutet das nun für den, der leidet? Jeder Mensch darf und soll wissen, dass er nicht einsam und verlassen durch diese Welt und das Leid stolpern muss. Er darf und soll wissen, dass er erwählt ist und Gott ihn nicht als Waisen behandelt. Jeder Mensch ist ein von Gott geliebtes Kind, trotz des Leids, das er durchlebt. Das klingt paradox und ist schwer zusammenzubringen, aber es gehört zusammen! – Leid auf der einen Seite sowie die Nähe und Liebe Gottes auf der anderen.
Jesus ist den Weg des Leids gegangen. Er hat – trotz grösster Zweifel an der Nähe Gottes – dieses Leid durchlebt und überwunden. Er hat damit sogar über den grössten Feind des Menschen triumphiert – den Tod.
Zum Thema:
Ostern ganz persönlich: Durch den Tod zu neuem Leben
«Der Ozean in mir»: Janice Braun: Leben mit Depression
René Christen im Talk: «Wenn wir Dinge verstehen, verlieren wir Ängste»
Datum: 21.05.2023
Autor:
Norbert Abt
Quelle:
Livenet