«Betet für uns und vergesst uns nicht!»
Nachdem Aserbaidschan die armenische Enklave Arzach (Bergkarabach) zehn Monate lang belagert hatte, startete im September 2023 eine militärische Offensive, welche über 100'000 Menschen in die Flucht trieb. 5000 Soldaten verloren ihr Leben, dazu kamen auf dem Weg nach Armenien viele Geflüchtete um. Das Team von JAH («Fackel», der Name von Campus für Christus Armenien) half praktisch mit, sie unterzubringen und mit dem Nötigsten zu versorgen. Heute bieten die Mitarbeitenden Englisch-Unterricht an, Workshops für Psychologie-Studierende und Psychologen, Treffen für Geschäftsfrauen, und sie verteilen Lebensmittelpakete für bedürftige Familien. Viele der geflohenen Armenier aus Arzach leben auf engem Raum zusammen. Da sie Armenier sind, gelten sie nicht als Flüchtlinge, die nach einer Starthilfe weiter Anspruch auf staatliche Unterstützung haben. Wer Arbeit gefunden hat, versorgt mit seinem Einkommen die Grossfamilie.
Anteilnahme ermutigt
Agape international ermöglicht Teilnehmenden eines Kurzzeiteinsatzes, das JAH-Team und Geflüchtete zu treffen. «Betet für uns und vergesst uns nicht!», lautet ihre Bitte. Sie haben den Eindruck, wegen der Konflikte in Israel und der Ukraine nicht mehr wahrgenommen zu werden. Dass Christen aus der Schweiz und Deutschland sie besuchen, ihnen zuhören, mit ihnen beten, ermutigt die Glaubensgeschwister. Sie erzählen von ihrem Ergehen, von der Flucht, und als einem jungen Vater dabei Tränen kommen, wischt sie seine kleine Tochter liebevoll weg.
Essen und Freude bringen
Die Teilnehmenden des Einsatzes besuchen mehrere Familien, die am Existenzminimum leben. Zusammen mit JAH-Mitarbeitenden überbringen sie ihnen Lebensmittelpakete. Eine Grossmutter erzählt, dass sie während des Gebets in der alten Heimat den Eindruck hatte, das Haus verlassen zu müssen. Sie forderte die ganze Familie dazu auf mitzukommen. Kurze Zeit später zerstörten Drohnen ihr Zuhause. Sie verbrachten mehrere Tage und Nächte im Wald. Nun versuchen sie, in der neuen Heimat Fuss zu fassen. In einer anderen Familie lassen sich die Kinder gern auf das Spiel mit Ballonen ein und nehmen freudig ein Plüschtier in Empfang.
Gemeinsam Gott anbeten
Die JAH-Crew und die Besucher tauschen über Leben und Glauben aus und singen gemeinsam Loblieder. Viele der Gastgeber sind sehr musikalisch, sie stimmen lautstark mehrstimmige Lieder an, einer begleitet mit seiner Geige. Auch wenn in der eigenen Muttersprache gebetet wird, fühlen sich die Christen miteinander verbunden. Sie erzählen von ihren Familien, von ihrem Engagement, das Evangelium weiterzugeben, ihren Erlebnissen mit Jesus.
Kulturelle Unterschiede werden interessiert, manchmal überrascht wahrgenommen. So ist die Gastfreundschaft überwältigend. Wenn Gäste zum Essen eingeladen sind, findet sich kaum mehr ein leeres Plätzchen auf dem Tisch. Salat aus frischen Tomaten und Gurken, schmackhafte Butterbohnen, gebratenes Fleisch und Fisch, Lavash, das armenische Fladenbrot, manchmal Hummus oder gefüllte Kohlblätter werden aufgetischt, immer auch ein Teller voll frischer Kräuter – köstlich! Als Geschenk stösst Schweizer Schokolade auf grossen Anklang.
Klöster als Zeugen
Überall im Land finden sich zahlreiche Klöster, sie bezeugen das christliche Erbe des Landes. Etliche boten Bildung vom Schulunterricht bis Universitätsniveau. Die wertvollen Bibeln und Bücher wurden, wenn Gefahr drohte, jeweils fantasievoll im Gemäuer versteckt, Geheimgänge erlaubten, sich zu verstecken. Auch armenische Kreuze sind überall zu sehen. Die blühenden Ranken, die aus den Enden der Kreuze hervorbrechen, symbolisieren die Erlösung des Menschen durch den Opfertod Jesu.
«Er ist unsere einzige Hoffnung»
Die Gruppe reist durch die weite Landschaft, entlang an Feldern, Obst- und Weinplantagen, über Berge, durch Schluchten. Vieles erinnert an Israel – ein Land, wo dank dem Fleiss der Bewohner «Milch und Honig» fliessen. Armenien ist umgeben von muslimischen Ländern: Aserbeidschan, Iran und Türkei. Viele Einheimische leben nun in ständiger Angst, dass diese sich immer mehr Land aneignen, um einen Korridor für ungehinderten Warentransport zu schaffen. Auf die Frage: «Und wie lebt ihr damit?», antwortet eine JAH-Mitarbeiterin: «Wir vertrauen auf Gott. Er ist unsere einzige Hoffnung.»
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