Jakob und Israel – eine persönliche Begegnung
Heute geht es um einen weiteren Teil des ersten Kapitels vom Johannesevangelium. Auch hier leuchtet im Hintergrund eine Geschichte des Alten Testaments auf: «Als Jesus Natanaël kommen sah, sagte er: 'Da kommt ein wahrer Israelit, ein Mann ohne Falschheit.' Natanaël fragte ihn: Woher kennst du mich? Jesus antwortete: 'Bevor Philippus dich rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen. Da sagte Natanaël: Rabbi, du bist der Sohn Gottes! Du bist der König von Israel! Jesus sagte: Glaubst du das jetzt, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah? Du wirst noch viel grössere Dinge erleben. Und er fuhr fort: Amen, ich versichere euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und erleben, wie die Engel Gottes zum Menschensohn herab- und von ihm zum Himmel hinaufsteigen!» (Johannes Kapitel 1, Verse 47-51)
Ich mag an diesem Bibelwort, zu sehen, wie ein skeptischer Mensch dadurch von Jesus berührt wird, dass er von ihm in der Tiefe seines Herzens erkannt wird. Ausserdem mag ich es, wie hier im Hintergrund eine Geschichte aus dem Alten Testament aufleuchtet.
Bezug zum Erzvater Israels
Die ersten Jünger haben den Messias gefunden. Natanaël ist erst sehr skeptisch, weil er nicht weiss, dass Jesus der Verheissung nach in Bethlehem geboren wurde. Doch Jesus sagt ihm etwas sehr Persönliches: «Da kommt ein wahrer Israelit, ein Mann ohne Falschheit.» Damit trifft Jesus Natanaël ins Herz. Er fühlt sich erkannt und erkennt Jesus als den Messias. Offensichtlich ist Natanaël ein wahrheitsliebender Mensch, was in seiner anfänglichen Skepsis deutlich wird.
Da ist er anders als sein Vorfahre Jakob. Weil er später von Gott «Israel» genannt wird, liegt bei einem «wahren Israeliten» der Gedanke an den biblischen Jakob nicht fern. Dieser Erzvater Israels hatte die Bedeutung des Bundes seiner Väter und des Segens Gottes erkannt. Er war einerseits zielstrebig und geistlich wach. Andererseits war er jemand, der andere Menschen übervorteilen konnte. Er schreckte sogar nicht davor zurück, seinen Vater Isaak zu belügen und seinen Bruder Esau zu bestehlen (1. Mose Kapitel 27). Mit dieser Überlebensstrategie konnte er gut leben, bis er in eine aussichtslose Situation kam, in der ihn seine ganzen Fehler einholten. In dieser Krise kämpfte er mit einem Engel Gottes und musste lernen, seine Überlebensstrategie aufzugeben (1. Mose Kapitel 32, Verse 23-33). Aus Jakob, dem Fersenhalter oder Betrüger, wurde Israel, der mit Gott gekämpft hat und dadurch ein anderer, wahrhaftiger Mensch wurde.
Ich denke, dass sich Natanaël gerade mit diesem Urvater beschäftigt hat. Und Natanaël war offensichtlich nicht verschlagen wie Jakob, sondern ehrlich und wahrhaftig wie Israel. Das trifft Jesus auf den Punkt mit seiner Aussage «Da kommt ein wahrer Israelit, ein Mann ohne Falschheit.» Und dann verspricht Jesus seinen Jüngern, dass sie etwas sehen werden, das für Jakobs Weg von entscheidender Bedeutung war: «Ich versichere euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel zwischen Gott im Himmel und dem Menschsein auf der Erde hinauf- und heruntersteigen!» Jesus knüpft an die Begegnung zwischen Gott und Jakob an, als dieser die Vision von einer Leiter zum Himmel hat (1. Mose Kapitel 28, Verse 10-22). Das war ein Bild einer lebendigen Beziehung zu Gott. Jesus nimmt dieses Bild auf und spricht die Möglichkeit dieser Beziehung seinen Nachfolgern zu.
Individuell und kenntnisreich
Jesus hat eine sehr feine und kenntnisreiche Art, bei den einzelnen Menschen anzuknüpfen, denen er begegnet. Auch heute noch tut er dies nicht nach Schema F. Er weiss genau, wer wir sind und was in unserem Leben wichtig ist und holt uns da ab. So habe ich es selbst erlebt, als ich zum Glauben gekommen bin, und so können wir es immer wieder neu erleben. Ausserdem wird an der Geschichte mit Jakob deutlich, dass Gott uns unsere falschen Überlebensstrategien nimmt und wir seinen Segen haben, wenn wir Jesus nachfolgen.
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