«Wir sind an einem ungesunden Punkt»
Immer wieder wird die Kirchenlandschaft von Skandalen erschüttert. Das betrifft auch die charismatische Welt, wo Gottes Wirken manipuliert und vorgetäuscht wird. Und da ist jeder Einzelfall zu viel. Wie gehen wir mit solchen Machenschaften um? Im Livenet-Talk spricht Annina Baer mit Marius Bühlmann und Andrea di Meglio von der Vineyard Bern, welche dafür bekannt ist, offen für Prophetien zu sein.
Wir dürfen Teil von Gottes Handeln sein
«Christsein heisst nicht einfach, dass wir an Gott glauben, sondern dass wir einen Teil seiner Geschichte werden.» Marius spricht von Gottes Plan für uns. «Er lädt uns ein, Teil seiner Geschichte zu werden. Und wo wir Teil seiner Geschichte werden, dort wirkt er.» Entsprechend ist es seit jeher Gottes Gedanke, uns an seinem Wirken teilhaben zu lassen. Eindrücklich schildert er das Beispiel eines Jugendfreundes, welcher durch einen Unfall auf einem Auge erblindet war und nach Gebet plötzlich wieder sehen konnte. «So habe ich schon in jungen Jahren erlebt, wie ein Mensch, der auf einem Auge blind gewesen ist, plötzlich wieder sehen konnte.» Zu sehen, wie Gott das Unmögliche möglich macht und was dies im Leben von Menschen auslöst, das begeistert Marius.
Das Übernatürliche entdeckt
Andreas' Mutter war tief in Esoterik und Okkultismus verstrickt. «Aufgrund einer Nahtoderfahrung im Alter von 18 Jahren wusste sie, dass nach dem Tod etwas kommt. Und so begann sie zu suchen.» Leider habe sie zuerst am falschen Ort gesucht. Als Kind erlebte Andrea diese spirituelle Suche mit, bis sie schliesslich als Familie entschieden, Jesus nachzufolgen. «Ich war damals ungefähr zehn Jahre alt und habe erlebt, wie sich das Leben meiner Mutter radikal veränderte. Sie wurde frei von Süchten und ihr Leben drehte sich um 180 Grad. Das ging mir enorm nahe.»
Im Talk erzählt Andrea, wie er das Übernatürliche entdeckte und in einen Dienst fand, durch welchen Menschen durch Gottes Kraft geheilt und befreit werden. Unter anderem machte er Filme, welche Gottes Wirken dokumentieren.
Fake-Prophetie entlarvt
«Als Vineyard Bern haben wir das Verlangen, Gottes Kraft zu sehen», betont Andrea. Hierzu würden regelmässig Konferenzen durchgeführt. Vor einigen Jahren luden sie eine Person ein, die einzelnen Konferenzteilnehmern explizite Informationen als göttliche Erkenntnis weitergab. Doch es entstand Skepsis und schliesslich ergaben Nachforschungen, dass die Person nur über Menschen prophezeite, die sich über Facebook zur Konferenz angemeldet hatten und alle Informationen, welche die Person als Gottes Erkenntnis weitergab, konnten eben dieser Plattform entnommen werden.
«Unmittelbar nach der Konferenz nahm ich mit der Person telefonisch Kontakt auf, um sie damit zu konfrontieren. Sie stritt die Vorwürfe ab.» Andrea fand dann interessant, mit welcher Begründung das Vorgehen verteidigt wurde: Man müsse doch beachten, wie die Leute reagierten und dabei Gott erlebt haben. «Psychologisch gab ihr die emotional positive Reaktion der Leute die Rechtfertigung, auf diese Weise zu handeln.» Andrea war geschockt. «Es zeigt uns aber auch auf, dass wir an einem ungesunden Punkt sind, an welchem wir der emotionalen Erfahrung zu viel Gewicht geben, ohne die Wahrheit dahinter sehen zu wollen.»
Die Chance zur Wiederherstellung wurde nicht genutzt
Der Fall wurde dann in der Leitung der Vineyard Bern diskutiert. Marius berichtet, dass sie besagter Person die Möglichkeit geben wollten, die Sache in Ordnung zu bringen. Da sie dies nicht wollte, wandten sie sich an die Leitung der Organisation der Person. So telefonierten sie mit Leitern in den USA, welche den Sachverhalt zuerst einmal als «das ist unmöglich» abtaten. «Fünf Minuten später riefen sie zurück und sagten: Es ist wahr!» Andrea fragt sich bis heute, was in diesen fünf Minuten passiert ist. Die fehlbare Person folgte auch dem Ruf zur Umkehr von ihren Leitern nicht. In der Folge wurde sie entlassen.
Die Personen, welche an der Konferenz eine «Prophetie» erhalten hatten, wurden früh informiert. Eine offizielle Orientierung innerhalb der Vineyard folgte auf Wunsch der amerikanischen Organisation etwas später, um der Person Raum zur Umkehr und Wiederherstellung zu geben.
Trump und die prophetische Bewegung in den USA
Ein anderes Thema, welches Marius zu denken gibt, ist das Verhalten der prophetischen Bewegung der USA während den letzten Präsidentschaftswahlen. Die starken schwarz-weissen Meinungen seien mit dem Prophetischen vermischt worden. «Das ging so weit, dass sie Aussagen, dass die Wahl gefälscht worden sei, mitgetragen haben.» Marius bezeichnet dies als «furchtbar»: «Da fragst du dich: Kam man jemandem von ihnen überhaupt noch glauben?» Das könne das Gefühl auslösen, mit dem Prophetischen nichts mehr zu tun haben zu wollen. Und genau deshalb ist es Andrea und Marius wichtig, über das Thema zu sprechen. Das prophetische Reden sei etwas sehr Wertvolles. Deshalb würde es auch kopiert und deshalb sei das Thema auch umkämpft.
Vorsicht vor Menschenkult
Nachdem Andrea wiederholt mit Fake-Propheten konfrontiert gewesen war, kam ein gewisser Frust in ihm hoch. Er fragte sich: «Was bedeutet das für mein Leben?» Er will von Menschen lernen, die gefallen und in ihrem Dienst gescheitert sind. Er spricht auch von Druck, den prophetisch begabte Menschen empfinden können und der sie zu unlauteren Methoden verleiten kann. «Deshalb ist es enorm wichtig, dass ich meine Identität nicht in meiner Gabe sehe», hält er fest und erzählt im Talk, wie er mit Drucksituationen umgeht. Auch Marius betont die Wichtigkeit, Begabungen nicht zu stark zu betonen und sich bewusst zu sein, dass Gott sein Reich durch schwache, einfache und zerbrochene Leute aufrichtet.
Sehen Sie sich den Talk mit Andrea di Meglio und Marius Brühlmann an:
Zum Thema:
Livenet-Talk: Prophetie: Ein Wegweiser, aber wohin?
Andreas Keller: Prophetie – jetzt erst recht!
In «Jerusalem Post»: Biblische Prophezeiungen werden erfüllt
Datum: 18.06.2024
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Livenet