«Ich bin nicht jemand, der das Rampenlicht sucht»
Andreas Gafner ist Landwirt in Oberwil im Simmental, verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und seit neustem ein Enkelkind. 2019 wurde er in den Nationalrat gewählt. Im Livenet-Talk spricht er mit Chefredaktor Florian Wüthrich.
Andreas Gafner persönlich
«Ich bin aus Leidenschaft Bauer geworden», betont Andreas und will sich nun auch als Nationalrat für die Landwirtschaft stark machen. «Es war mein Beweggrund, mich für die Landwirte und auch die Randregionen einzusetzen. Dazu kommen natürlich die parteipolitischen Punkte, welche die christlichen Bereiche betreffen und diese liegen mir auch sehr am Herzen.»
In seiner Freizeit engagiert sich Andreas seit vielen Jahren im Gospelchor Oberwil, welcher aus seiner Freikirche heraus entstanden ist. «Das Singen macht frei und es macht Spass, zusammen Musik zu machen.» Grundsätzlich hält er sich gerne in der Natur auf, was er als Landwirt oft kann. Und sonst ist er gerne für eine Bergtour mit Freunden zu haben.
Welche Bedeutung hat Gott in der heutigen Politik?
«Ich erlebe es so, dass Gott in der Politik keine zentrale Rolle mehr spielt», bedauert Andreas. «Mit verschiedenen Vorstössen wurde sogar versucht, Gott zu verdrängen.» Auch der Gottesbezug in der Präambel der Bundesverfassung wurde angegriffen. «In der letzten Session konnten wir einen entsprechenden Vorstoss glücklicherweise recht deutlich abwehren.» Gott bleibt also in der Verfassung drin und wird auch nicht durch den Begriff «Natur» ersetzt. «Man spricht auch nicht mehr von der Schöpfung, sondern einfach von der Natur.» Als bodenständigen Christ gebe ihm diese Entwicklung schon zu denken.
In vielen aktuellen Diskussionen sieht er sich mit seinen Überzeugungen in der Minderheit. Er musste lernen, dass er wohl eine Stimme im Nationalrat ist, in vielen Fragen aber der Minderheit angehört. Bei seinen Reden zum 1. August habe er aber die Gelegenheit, die Verbindung zur Nationalhymne oder der Präambel herzustellen. «In der Zeit, in welcher wir heute stehen, ist auch ein Aufruf zum Gebet etwas, das ich einbauen werde.»
Als Nationalrat während Corona
«Meine erste Session habe ich noch normal erlebt. Man hat sich gegrüsst und kennengelernt – damals gab es ja viele Neue.» Die zweite Session wurde dann aufgrund der Pandemie abgebrochen und man ging auf physische Distanz. «In meinem Fall hat sich das hindernd oder sogar hemmend ausgewirkt.» Andreas sei nicht der Typ, der einfach auf jeden zugeht und Politik lebe ja von Kontakten und Gesprächen. «Genau dies hat aus meiner Sicht während der Coronazeit massiv gelitten.» Auf jeden Fall ist er froh, dass der Betrieb wieder normal läuft. «Die Situation, was den Austausch zwischen den Parlamentariern betrifft, hat sich wieder verbessert. Seither sind Begegnungen, die wir nicht mehr hatten, wieder möglich.»
Kein Typ der grossen Auftritte
«Ich bin nicht jemand, der das Rampenlicht sucht und auch kein Vielredner, der jede Gelegenheit nutzt, um vorne zu stehen.» Andreas arbeite aber gerne mit Vorstössen und Interpellationen, die er schriftlich einreicht. Vor ungefähr zwei Jahren reichte er eine Interpellation mit zehn Fragen zum Umgang mit dem Tierschutz ein. Die Fragen sollten den Tierschutz in der Schweiz mit demjenigen in Nachbarländern vergleichen. In der Folge wurden umfassende Abklärungen gemacht. «Die Aussagen waren sehr deutlich: In der Schweiz sind wir betreffend Tierschutz gut unterwegs.»
Politischer Standpunkt in aktuellen Streitfragen
Andreas Gafner ist Vertreter der EDU (Eidgenössisch-Demokratische Union), welche sich für die Werte der traditionellen Familie stark macht. Bezüglich Homosexualität will er niemanden vor den Kopf stossen, hat betreffend Familie aber klar Position bezogen.
Auch die Abtreibungsdebatte wurde durch die Geschehnisse in den USA neu entfacht. «Was dort zu den vorliegenden Gerichtsentscheiden geführt hat, beruht sicher auf dem standhaften Dranbleiben von Christen und konservativen Kräften, welche die Sache immer wieder thematisierten.» Auch in der Schweiz stehen zwei Initiativen in der Pipeline, bei welchen Andreas aktiv mitwirkt. «Im vergangenen Jahr wurden bei uns 11'000 Kinder abgetrieben und für mich ist dies eine sehr erschreckende Zahl.» Aus Sicht von Andreas und der EDU handelt es sich dabei um Menschenleben, die ausgelöscht werden. Deshalb will er sich für das ungeborene Leben, welches schwach und wehrlos ist, engagieren. «Rechtlich ist es heute schlimmer, eine tragende Kuh zum Schlachthof zu bringen, als abzutreiben.» So beleuchtet der Bauer das Thema aus seinem Blickwinkel. Durch ein Engagement für das ungeborene Leben wird man nicht populär. Trotzdem sollten sich Menschen dafür stark machen – besonders Christen.
Die Diskussion um EDU und EVP
Warum braucht es in der Schweiz zwei christliche Parteien und weshalb können sie nicht gemeinsame Sache machen? Andreas scheinen sich diese Fragen nicht schwerwiegend zu stellen. «Als die EDU Oberwil gegründet wurde, war ich Gründungsmitglied. Die EVP gab es bei uns im Simmental nicht.» Die Politik der EDU entspreche der bürgerlich-konservativen Linie, welche seiner ländlichen Herkunft entspricht. «Persönlich habe ich keine Berührungsängste mit der EVP und pflege guten Austausch mit ihr – beispielsweise mit Nik Gugger. Auch wenn wir politisch oft anders abstimmen, schätze ich ihn als Menschen sehr.»
Die EVP vertrete einfach eine etwas liberalere Ausrichtung der christlichen Politik. «Zum Glück haben wir Themen, bei denen wir uns wirklich finden.» Es seien besonders die ethischen Themen, bei denen sie «auf derselben Welle surfen».
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Datum: 01.08.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet