Verantwortung verteilen

«Wertschätzung ist nicht zu unterschätzen»

MIcha Somadin in seinem Element in der Schreinerei.
Micha Somandin ist Geschäftsführer der Schreinerei Baumann+Eggimann AG in Zäziwil. In dieser bietet er Arbeitsplätze an für sozial schwächere Menschen, solche mit Lernbeeinträchtigung oder anderen Herausforderungen.

Micha Somandin ist leidenschaftlicher Schreiner. Vor 23 Jahren begann er als Monteur für die Schreinerei von Roland Baumann zu arbeiten. Ebenfalls 2001 übernahm Baumann den Betrieb von Heiner Eggimann, der damit eine gute Nachfolgelösung für sein Unternehmen gefunden hatte. Baumann+Eggimann AG wurde zur Aktiengesellschaft, heute bietet sie Arbeitsplätze für 53 Personen, inklusive Lernenden.

Aufwachsen im Paradies

Micha Somandin ist seit 2006 mit Rahel verheiratet und Vater von drei Kindern zwischen acht und dreizehn Jahren. Aufgewachsen ist der 46-Jährige in Papua-Neuguinea, wo seine Eltern mithalfen, Schulen und Spitäler aufzubauen. Dazu erzählten sie den Einheimischen durch Geschichten aus der Bibel von Gottes Liebe und behandelten sie mit Wertschätzung. Anfangs lebte seine Familie im Hochland, mitten in der Natur. Das war eine herrliche Umgebung für Micha und seine drei Geschwister. Doch es schien nur so, als seien sie im Paradies: «Es herrschte eine Atmosphäre der Angst und Gewalt – Stammesfehden und Rachsucht kosteten vielen das Leben.» Wenn Menschen lernten, zu vergeben und sich zu versöhnen, verändere sich ihr Leben zum Positiven, erklärt Micha Somandin.

Weder Fisch noch Vogel

«Wir haben als Familie einen guten Zusammenhalt und viel Sozialkompetenz entwickelt. Die Eltern waren immer für uns da.» Es war vieles einfach anders, und die Geschwister lernten, damit umzugehen. Auch, dass sie ab der 3. Klasse wegen der Schule zu Gasteltern in die Stadt oder in ein Internat ziehen mussten. Sie spürten aber, dass ihre Eltern am rechten Platz waren. Mit 16 Jahren kehrte Micha für seine Ausbildung in die Schweiz zurück. Er lebte bei Onkel und Tante. «Am Anfang war es nicht ganz leicht, hier anzukommen, ich war weder Fisch noch Vogel. Aber dank eines guten Freundes und einem guten Umfeld habe ich mich immer besser eingelebt.»

Friede wird möglich

Auch die Eltern verliessen schliesslich die Insel, damit alle Kinder in der Heimat eine Ausbildung absolvieren konnten. Als junger Schreiner reiste Micha für einen freiwilligen Arbeitseinsatz nochmals an den Ort seiner Kindheit. Während dreier Monate half er mit, Häuser zu bauen und bekam wieder Einblick in den Alltag der Insulaner. Sie nahmen ihn sehr freundlich auf, erinnerten sich gut an das Engagement seiner Eltern und sagten: «Du bist einer von uns, wir haben dich als Kleinkind gefüttert.» Er konnte sich auf Pidgin mit ihnen verständigen, auch wenn er heute nicht mehr jedes Wort auf Anhieb findet. Doch der Unterschied im Miteinander war offensichtlich. «Wo das Evangelium angenommen worden war, änderten Menschen ihre Verhaltensmuster, Friede wurde möglich», berichtet er. 

Schwächere integrieren

Heute arbeitet er mit grosser Freude für Baumann+Eggimann AG. Der Betrieb ist vor allem im Küchen-, Möbel- und Innenausbau tätig und für den Fachhandel bietet er Türen, Furnier- und Lohnarbeiten an. Spezialisiert ist er auf Brandschutz-, Sicherheits- und Klimatüren. «Sicherheitsanforderungen werden immer strenger, Brandschutztüren müssen bei Anforderung EI30 einem Feuer mindestens 30 Minuten lang widerstehen», erklärt der Fachmann. Er zeigt die mehrschichtige Aussentüre mit Aluminiumschicht, welche von ihnen entwickelt wurde. Die Firma hat sich mit vier weiteren Betrieben zusammengetan und eine Interessengemeinschaft gegründet, um Brandschutztüren zu entwickeln, zu prüfen und zu zertifizieren – eine Win-win-Situation für alle.

Auch Menschen, die im regulären Arbeitsmarkt schlechte Chancen haben, arbeiten mit. «Sozial Schwächere zu integrieren, gehört zu unserer DNA», bestätigt Micha Somandin. Ein Betrieb ihrer Grösse könne etwa 10 Prozent der Arbeitsplätze Menschen mit psychischer Beeinträchtigung oder Junge mit Lernschwäche zur Verfügung stellen. Dieses Engagement war schon Roland Baumann sehr wichtig. Dass sie zur Rentabilität des Betriebs beitragen, verleihe ihnen Würde. Schon zweimal wurden dieses Engagement ausgezeichnet, 2019 mit dem Sozialstern, 2021 mit dem PRIX-Lions-Club. Nicht nur deshalb spricht Micha Somandin mit Hochachtung von Baumann. Er habe ihn während fünf Jahren mitgenommen, ihm immer mehr Verantwortung und 2022 schliesslich die Geschäftsleitung übergeben. «Damals war er 60 Jahre alt und seither unterstützt er mich weiter und ist voll für den Betrieb da. Das ist nicht selbstverständlich!»

Beziehungen pflegen

Heute bildet ein Dreierteam die Geschäftsleitung, Micha Somandin ist Geschäftsführer, Roland Baumann sein Stellvertreter und verantwortlich fürs Marketing, Peter Oester Verantwortlicher Fachbereich Türen. Das Bild eines Vogelzugs in seinem Büro veranschaulicht, dass es Sinn macht, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. «Wenn die Leitgans müde wird, überlässt sie ihren Platz einer anderen und fliegt weiter hinten im Windschatten mit», erklärt Somandin. Grundlegende Werte wie diesen findet er in der Bibel und orientiert sich daran. So geht er möglichst jeden Tag einmal durch den ganzen Betrieb, um seinen Mitarbeitenden persönlich zu begegnen und die Stimmung wahrzunehmen, ansprechbar zu sein. «Sie sind unser wertvollstes Kapital», hält er fest. Dem wolle er Sorge tragen.

Sowohl Roland Baumann wie Micha Somandin lassen sich durch ihre Beziehung zu Jesus Christus leiten, persönlich wie im Beruf. Sie hören auf die Stimme Gottes, wenn sie Entscheidungen fällen. «Wertschätzend mit unseren Mitmenschen umzugehen ist uns ein grosses Anliegen», erklärt Somandin. Er weiss: mangelnde Wertschätzung ist Kündigungsgrund Nummer eins. «Wir haben alle Stärken und Schwächen, wir tragen einander.» Auch die Zusammenarbeit mit Kunden und Geschäftspartnern basiere vor allem auf guten Beziehungen, Ehrlichkeit, erstklassiger und termingerechter Arbeit.

Herausforderungen

Dennoch erlebten sie, dass Auftraggeber die Rechnung nicht bezahlen. Vor fünf Jahren ging ein Kunde Konkurs, das Handwerker-Pfandrecht wurde abgelehnt und ein beachtlicher, existenzieller Betrag blieb aus. Ein herber Verlust. Auch einer Cyberattacke war die Firma schon ausgesetzt, dazu den Auswirkungen der Covid- Pandemie. Da heisse es, auf Gottes Durchhilfe zu vertrauen. «Gott ist gut, egal wie es kommt: Unsere Einstellung zählt», betont Somandin. Im Fall des Konkurses lohnte sich das Vertrauen – der Verlust wurde nach rund fünf Jahren schliesslich ausgezahlt.

Dienen kommt vor Verdienen

Ein Kadermitarbeiter habe sich schwergetan, mit beeinträchtigten Mitarbeitenden zu arbeiten. Nach dem Besuch des Kurses «Umdenken am Arbeitsplatz» der Stiftung LabOra änderte sich sein Verhalten: Statt an deren Schwächen hängen zu bleiben, unterstütze er sie darin, ihre Stärken auszubauen. Ausserdem machte er die Geschäftsführung darauf aufmerksam, dass die Stiftung Coaching und Gebet für Betriebe anbietet. Somandin, Baumann und Oester sahen darin eine Möglichkeit, ihren Mitarbeitenden einen Mehrwert zu bieten. Ende 2023 engagierten sie die Coachin Sarah Fong. Alle zwei Wochen kommt sie vorbei und kann von den Mitarbeitenden für ein Gespräch gebucht werden. Worüber gesprochen wird, bleibt anonym, Anliegen können beruflicher, persönlicher oder gesundheitlicher Art sein. «Man nimmt seine Probleme mit zur Arbeit – wenn man dabei unterstützt wird, diese anzugehen, dient das allen», findet Somandin.

Die Stiftung LabOra (Arbeite und bete) begleitet Führungskräfte in der Transformation, nicht den Gewinn, sondern den Menschen mit seinem ganzheitlichen Wert ins Zentrum des Unternehmens zu stellen. Das Leitungsteam von Baumann-Eggimann unterstützt dieses Engagement, indem es seine Ausstellungsräume in Lyssach für einen nächsten Kurs «Umdenken am Arbeitsplatz» zur Verfügung stellt. Micha Somandin wird daran teilnehmen. Er ist überzeugt davon, dass die Kultur der Wertschätzung ansteckend wirkt.

Zur Website:
Baumann+Eggimann AG
LabOra

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Datum: 27.06.2024
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Hope Regiozeitungen

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