Die älteste Kirche der Welt auf Reisen
Wenn ein Fussboden in die Jahre gekommen ist, denken die meisten daran, ihn einmal auszuwechseln oder aufzufrischen. Nicht bei diesem! Als 2005 im nordisraelischen Megiddo ein Hochsicherheitsgefängnis erweitert werden sollte, stiess man beim Graben auf einen 54 Quadratmeter grossen Mosaikfussboden. Ein kreisförmiges Fischsymbol schien auf christlichen Ursprung hinzuweisen. Eine Inschrift, die von Jesus Christus handelt, bestätigte dies. Von vornherein schien klar, dass dieses Mosaik aus einer Art Gebetsraum oder Kapelle stammte, wahrscheinlich als Versammlungsraum bei einem normalen Wohnhaus. Inzwischen ist das Mosaik auf 230 nach Christus oder früher datiert. Damit gehört es zur ältesten bisher bekannten «Kirche» der Welt – auch wenn diese nicht die später typischen Merkmale einer Kirche aufwies.
Ausstellen oder vor Ort belassen?
Früher wurden Funde wie dieser möglichst schnell gesichert und dabei meist aus ihrer ursprünglichen Umgebung entfernt. Heutige Archäologie belässt Bodenfunde oft «in situ», am Ort, um sie weiterhin in ihrem Kontext betrachten zu können. Oftmals werden Mauerreste und Ähnliches nach dem Untersuchen und Fotografieren sogar wieder zugeschüttet. Was an der Oberfläche und damit der Luft inklusive Verschmutzungen ausgesetzt ist, muss stark geschützt werden, damit es nicht zerfällt.
Das Megiddo-Mosaik wurde eingehend untersucht, fand jedoch nie seinen Weg in eine öffentliche Präsentation. Das hat sich gerade geändert. Der Erweiterungsbau des Gefängnisses vor 20 Jahren unterblieb, doch inzwischen soll hier wahrscheinlich eine Autobahn gebaut werden. Um das Mosaik zu erhalten und es doch noch einer grösseren Zahl an Interessenten zu präsentieren, hat die israelische Altertumsbehörde es gerade an das «Museum of the Bible» verliehen, das Washingtoner Bibelmuseum. Dazu wurde das Mosaik aufwendig in ein Dutzend Bodenplatten zerteilt und wird seit dem 15. September 2024 für neun Monate in den USA ausgestellt.
Details aus dem Leben der ersten Christen
Abgesehen davon, dass der Boden zur ältesten Kirche überhaupt gehört, beinhaltet das Mosaik einige Informationen über das Leben der ersten Christen.
- Wie damals üblich gibt es dabei keine Portraits oder Ähnliches, eine Ausnahme bildet das zentrale Fischsymbol, das entweder schon an das «Ichthys»-Zeichen erinnert (die Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes für Fisch weisen dabei auf Jesus Christus hin) oder an die Speisung von 5'000 Menschen mit Brot und zwei Fischen.
- Interessanterweise ist der Handwerker im Mosaik namentlich genannt: Brutius. Seine detailreiche und akribische Arbeit zeigt, dass er mehr Künstler als Handwerker und sehr engagiert bei der Sache war.
- Ein weiterer Text würdigt den römischen Offizier Gaianos als Spender des Mosaikfussbodens. In Legio, wie die Römer den Ort nannten, war eine grosse römische Garnison. Gaianos wird darin «unser Bruder» genannt und war wohl einer der frühen Heidenchristen in Israel.
- Akeptous – höchstwahrscheinlich eine Frau – wird als «Gottesliebhaberin» vorgestellt, die «den Tisch dem Gott Jesus Christus zum Gedächtnis gestiftet hat». Damit wird zum einen eine wohlhabende Frau der Gemeinde als Sponsorin genannt, zum anderen wird beschrieben, dass kein Altar oder Kreuz als Mittelpunkt des sakralen Raums diente, sondern ein leider nicht erhaltener Tisch (griech: trapeza). Kirche war damals offensichtlich ein Raum der Gemeinschaft, vielleicht des Abendmahls. Ausserdem ist die Inschrift das früheste Zeugnis dafür, dass Jesus Christus als Gott bezeichnet wird.
- Ebenfalls genannt werden vier weitere Frauen: Primilia, Kyriake, Dorothea und Christa. Es bleibt unklar, warum sie genannt werden, doch die häufige Nennung von Frauen in dieser frühchristlichen Gemeinde fällt auf.
Mehr als Kunst
Das Megiddo-Mosaik ist ein einmaliges Kunstwerk und gleichzeitig ein interessanter Zeitzeuge. Für Christen lässt es daneben einen Blick auf die ersten Gemeinden zu, der bis heute befruchtend sein kann: Gemeindeleben mit einem Tisch als Mittelpunkt ist ein Bild für Gemeinschaft, die immer noch attraktiv ist. Darüber hinaus vermitteln die Namensnennungen nicht nur ein fortschrittliches Frauenbild, sondern eine inklusive Willkommensgemeinde, wie sie sich auch der Apostel Paulus wünschte: «Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Knecht noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.» (Galater, Kapitel 3, Vers 28)
Zum Thema:
Jesu Kreuzigung dargestellt: Israelische Archäologen entdecken antike Münze
Mehr als Silber und Gold: Die Schätze der Bibelarchäologie
Antike Tafel ausgewertet: Älteste hebräische Schrift gefunden und entziffert