Israel steht vor schwierigen Entscheidungen
Die jüngsten Entwicklungen sind nicht aus dem Nichts gekommen, erklärt der in Israel aufgewachsene Autor und Israel-Reiseführer Assaf Zeevi. Sie haben sich vielmehr Schritt für Schritt aufgebaut.
Etwa eineinhalb Wochen vor dem iranischen Angriff habe Israel eine schnelle und erfolgreiche militärische Serie gestartet. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass ein Angriff auf die Hisbollah dazu führen könnte, dass sich Israel danach auf anderen Ebenen verteidigen müsse. «Aber die Frage war, ob, wann und in welchem Ausmass das passieren würde – es war eine ‘50:50-Situation’.»
«Ich hätte nicht gedacht, dass der Iran so dumm ist»
Assaf Zeevi sieht die iranische Einmischung kritisch, gerade weil sie zivile Opfer in Kauf genommen hat. «Das war eine Dummheit, von der ich nicht dachte, dass der Iran sie begehen würde», so Zeevi. Seiner Analyse nach war der Iran seit der Islamischen Revolution 1979 nie daran interessiert, die direkte Konfrontation zu suchen.
«Stattdessen hat er Krakenarme um Israel gebaut und dafür Milliarden investiert. Der Iran hat eine Situation geschaffen, in der er eine direkte Grenze mit Israel hat. Israel wiederum hat keine direkte Grenze mit dem Iran, sondern der Iran liegt 2000 Kilometer entfernt.»
Mit den Angriffen auf die Hisbollah scheint Teheran nun Stärke demonstrieren zu wollen. «Aber der Iran weiss auch, dass Israel jetzt reagieren muss.»
Diese drei Szenarien sind am wahrscheinlichsten
Zeevi betont, dass Israel darüber nachdenkt, wie es am besten auf die Bedrohung reagieren soll. Drei Szenarien seien dabei wahrscheinlich:
- Angriff auf die Nuklearanlagen des Iran: Dies würde jedoch einen offenen, überregionalen Krieg auslösen. «Israels primäres Ziel ist es momentan, die Sicherheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten, so dass die Menschen wieder in ihre Häuser im Norden zurückkehren können. Und es geht um die Freilassung der Geiseln in Gaza. Ein Krieg mit dem Iran ist wahrscheinlich, aber nicht unmittelbar.»
- Zerstörung von Irans Wirtschaftsquellen: Dies könnte Ölanlagen und Häfen betreffen und die ohnehin angeschlagene iranische Wirtschaft weiter schwächen. «Der Iran könnte dann versuchen, Bohrinseln anzugreifen. Doch der Iran möchte wohl keinen direkten Krieg, bevor er über Atomwaffen verfügt.»
- Angriffe auf Regimesymbole: «Dazu könnten das Parlament, Regierungsgebäude und andere wichtige Symbolbauten gehören. Dies wäre eine Botschaft, dass Israel noch viel mehr tun könnte, aber vorerst nicht will.»
Israel dürfte bald reagieren
Assaf Zeevi rechnet mit dem zweiten oder dritten Szenario. Für jede dieser Optionen, sagt Zeevi, brauche Israel die Zustimmung der USA. «US-Regierungen, besonders in Wahlkampfzeiten, können Entscheidungen treffen, die nicht immer im besten Interesse Israels sind.»
Zum Beispiel wäre der Druck zu einem Waffenstillstand «fatal für Israel». «Die Bodenoffensive im Südlibanon muss abgeschlossen werden.» Damit die Menschen nach den ständigen Angriffen der Hisbollah in ihre Häuser zurückkehren können. Und was die Antwort auf den iranischen Angriff betrifft, so rechne er mit einer baldigen Reaktion.
Israel hat in Region an Ansehen gewonnen
Trotz der düsteren Lage sieht Zeevi auch Hoffnung, aber keine pazifistische. «Ich wäre gerne Pazifist.» Die Realität mache das unmöglich. «Aber die Werte von Demokratie, Freiheit und Toleranz werden letztlich stärker sein als die ihrer Feinde.» Das bedeute aber auch, dass in manchen Fällen militärische Gewalt notwendig sei, um den Frieden langfristig zu sichern.
Zeevi glaubt, dass die westliche Achse, zu der auch Israel gehört, gestärkt aus der gegenwärtigen Krise hervorgehen wird – aber nur mit Stärke und Geduld. Israel sei bereits jetzt stärker und es sei naiv zu glauben, dass nach einem Schlag wie dem gegen die Pager oder gegen Hisbollah-Führer Nasrallah der Frieden in weite Ferne rücke.
Im Gegenteil: «Die Ehre in der Schamkultur in der Region wächst, das ist der wichtigste Parameter, und der wächst in der muslimischen Welt. Letzten Endes gewinnt man Freunde, weil man stark ist, und man will auf seiner Seite sein. Man zeigt Männlichkeit – das ist nicht zeitgemäss – aber das Ansehen Israels ist in der Region gestiegen, ganz anders als am 7. Oktober.»
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