Alice Cooper und Johnny Depp unter derselben Fuchtel?
«Die Schweiz ist jetzt offiziell untot!», titelte das Bieler Tagblatt und nahm Bezug auf den Bandnamen «Hollywood Vampires». Nimmt man Vincent Damon Furnier (Cooper) als christlichen Musiker, passt die Bezeichnung untot auch ganz gut. Er ist überzeugt, nach dem irdischen Tod mal himmlisch weiterzuleben.
Geboren wurde wiederum das «Summerside Festival» am Jurasüdfuss. Es erlebte am 23. und 24. Juni 2023 die Premiere.
Thema Tod und der Lebensretter
Mit vielen Totenköpfen dekoriert wird häufig über den Tod gesungen; auch über verstorbene Freunde und andere Zusammenhänge. Am Open Air Konzert wird dann umso mehr das Leben gefeiert!
Alice Cooper selber ist nur knapp dem Tod entronnen. In seinem Lebenstief und Karrierehöhepunkt, als der Alkohol regierte, hatte ihn der zerstörerische Alltag fast zum tödlichen Ende geführt. Da erinnerte sich der Pastorensohn an die wortwörtlich rettende Botschaft von Jesus, dass da ein Gott ist, der die Menschen liebt und nur Gutes für sie möchte. Er ergriff dieses Angebot und begann eine lebendige Beziehung mit Gott.
Gerade mit diesem Hintergrund passen Lieder wie «Raise the Death» (Erweckt die Toten) perfekt ins Repertoire der Band.
Hommage an Verstorbene
Jeff Beck, der erst diesen Januar verstarb und mit Johnny Depp zusammenarbeitete, wird als einer der Top 5 der besten Gitarristen gehandelt. Ihm wurde am Konzert ein Lied gewidmet.
Bei «People who died» (Leute, die starben) schliesst der Refrain mit der Zeile «Sie waren alle meine Freunde, und sie starben». In einem anderen Song wurde vieler Musikgrössen gedacht, die nicht mehr unter uns weilen: Jimmy Hendrix, Janis Joplin, Amy Winehouse und Weitern.
Geschichte der Hollywoodianer
Alice Cooper, der in seinen Bühnenerfolgen zeigt, dass er Leute versammeln und Feste feiern kann, gründete in den 1970er Jahren mit «trinkfesten Musikerkollegen» die Urformation der «Hollywood Vampires». Alles Grössen der Szene, wie Keith Moon (The Who), Ringo Starr und John Lennon, der ab und zu reinschaute; plus Micky Dolenz von «The Monkees».
Die Super-Group spielte mit Provokationen und vieles war nicht ganz ernst gemeint. So entstanden Aussagen wie etwa, dass sie «Am Eingang vom Hades des Alkohols» waren oder «Wir versprechen, dass keine Mitmusiker oder Tiere zu Schaden kamen». Ihr Ziel war an erster Stelle, Freude an der Musik und den Mitstreitern zu haben und es wurde viel gelacht. Auch mit Paul McCartney und Christopher Lee (berühmter Schauspieler) entstand eine Zusammenarbeit für ein späteres Album.
Vier Jahrzehnte später gründete Cooper zusammen mit Johnny Depp und Joe Perry (Aerosmith) die Rockband gleichen Namens.
Das Konzert mit dem Meister
Mit professionellem Video-Clip und viel Animation startete das Live-Erlebnis und baute die Spannung auf, bis sich dann die ganze Crew auf der Bühne versammelte; Cooper (Gesang, Mundharmonika, Rhythmusgitarre), Depp (Gitarre, Gesang) und Perry (Gitarre, Gesang) plus den weiteren Weggefährten von Aerosmith oder der Alice Cooper Band.
Der theatralische Meister der Inszenierung, Cooper, führte mit sicherer Stimme, Stock (Fuchtel) und Hut durch die Show. Es rockte, stampfte, und sie liessen die Gitarren kreischen. Nebst Eigenkompositionen waren einige bekannte Songs zu hören.
Gegen Konzertende wandte sich Cooper ans Publikum: «Ihr fragt euch bestimmt, wer all die gutaussehenden Leute auf der Bühne sind,». Er bezeichnete Joe Perry als einen der grossartigsten Gitarristen in der Geschichte des Rock n Roll, erwähnte weitere Band-Mitglieder, um schlussendlich beim umschwärmten Entertainer zu landen, weswegen viele (weibliche) Besucher ans Konzert kamen: «…der Mann mit den 1000Gesichtern: Johnny Deeeeeeeepp!»
Und als Gipfel meint er zu einer tobenden Menge: «Und wer spielt heut Abend Alice Cooper – ICH!» Das ist nicht zuletzt 100 Prozent zutreffend, weil dies Vincent Damon Furnier tatsächlich als eine Rolle versteht, in der er diese Figur Alice Cooper performt.
Songs statt Schockrock
Als drittes Lied ertönte das «I'm Eighteen» – ich bin 18 und ich liebe es! Das versprüht viel von Freiheitsgefühl, was auch beim «School’s Out!» durchkommt. Was gibt es Schöneres, als nie mehr lernen zu müssen! Wahrlich, später «will» man plötzlich lernen, aber man muss nicht mehr so unfreiwillig – das ist eben die Freiheit dahinter.
Humor zeigte sich ebenfalls im schwarz-weissen Intro-Video, das einen Buckligen zeigt, der den Besucher führt und sagt: «Walk this way!» Das führt nahtlos zum «Run DMC»-Klassiker, den sie mit Aerosmith zu einem Welthit erschufen.
David Bowies «Heroes» ist der Moment, wo sich Johnny Depp erst spät mit Gesang in den Mittelpunkt stellt. Sympathisch, fast schüchtern.
Das wohl berühmteste Lied Coopers «School’s Out», wurde als Zugabe aufgespart. Es wurde gemixt mit «Another Brick in the Wall» von Pink Floyd zum definitiven Höhepunkt des Konzertes und ganzen Abends.
Die Auserwählte mit vielen Helfern
Diesmal handelt es sich nicht um Menschen, sondern um den solothurnischen Ort Grenchen. Die Einheimischen wurden wahrlich mit der Auswahl der Austragung beglückt, viele feierten die Musik und die Chance, alte Bekannte wieder mal zu treffen. Die Stimmung war teils euphorisch.
Besonders auffällig war im Vorfeld, wie viele Helfer sich zum Anpacken meldeten – sogar unaufgefordert. Dazu Alain Schaffner, ein OK-Mitglied: «Wir bekamen echt viele Mails aus der Region Grenchen von Menschen, die mithelfen wollten, das Gelände herzurichten. Das hat uns sehr gefreut und ist sehr schön zu sehen, besonders in der heutigen Zeit.»
Dies alles zeigt, Alice Cooper, als Hauptact und Anziehungs-Punkt Nummer 1 (mit Depp zusammen), hat mit Zusammenbringen seinen unbezahlbaren Beitrag geleistet; nicht nur für seine eigene Band, sondern auch für ein ganzes Festival, die Region und sogar über die Landesgrenzen hinweg. Die Premiere dieses Summerside-Festivals ist geglückt.
Die Schule ist aus – nun kann man das Leben feiern. Sogar, wenn es zu Ende ist.
Zum Video:
Summerside Festival 2023
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Datum: 29.06.2023
Autor:
Roland Streit
Quelle:
Livenet