Damit Kirche lebendig bleibt
Sein Name klingt nicht isländisch, sondern spanisch. Das kommt daher, dass Carlos Ferrers leiblicher Vater aus Puerto Rico aus der Karibik stammt. Nach dessen Tod zog er als Achtjähriger mit seiner deutschen Mutter nach Island, in die Heimat des Stiefvaters. Dort besuchte er die Schule. Er ist nicht christlich aufgewachsen und beschreibt seine Familie sogar als kirchenkritisch. Ein Umstand, der ihn in gewisser Weise bis heute prägt.
Sein Interesse fürs Christentum wird im Religionsunterricht geweckt. Er entscheidet sich schliesslich für ein Theologiestudium in Island. In seiner Doktorarbeit schreibt er über den Dialog zwischen den Anglikanern und den Katholiken. Ein Versuch, die beiden Kirchgemeinden miteinander zu versöhnen. Sein Doktorvater ist niemand Geringeres als Hans Küng (1928–2021). Die Zusammenarbeit mit einem Katholiken und einem der bekanntesten Kirchenkritiker Europas prägt ihn bis heute. Doch die Doktorarbeit will und will nicht enden. Ferrer bricht ab, er will endlich als Pfarrer arbeiten.
Ein «Ewig-Fremder»
Kein Wunder, dass sich der heute 63-jährige Carlos Ferrer als Mensch bezeichnet, der sich als «Ewig-Fremder» überall anpasst. Er ist in Island aufgewachsen und aus dem Elsass in die Schweiz gekommen. Carlos Ferrer arbeitete zunächst als Dänischlehrer und trat 1994 seine erste Stelle als Pfarrer in Island an. Nachdem das Land 2008 von der Finanzkrise besonders hart getroffen worden war und ausser Fischfang und Tourismus fast gar nichts mehr funktionierte, war es nahezu aussichtslos, eine Stelle als Pfarrer zu bekommen. Carlos Ferrer verdiente sich fortan sein Geld als Fremdenführer und als Barista in einem Museumscafé. Weitere Meilensteine in seiner Berufslaufbahn waren die Stelle als Projektleiter bei «Save the Children» und die Weiterbildung zum Lehrer. Heute ist er Pfarrer und Lehrer (Schwerpunkt IT und Multimedia), Hobbykoch, Velofahrer, singt gerne im Chor, spielt Ukulele und fotografiert gelegentlich. Er kann mit Werkzeug umgehen und spielt manchmal mit dem Feuer, besonders wenn es darum geht, etwas zu grillieren. In einem früheren Leben jagte er und pflegte Eidervögel. Ab und zu konnte man ihn sogar reitend auf einem Islandpferd beobachten, wie die Solothurner Zeitung berichtet.
Keine Beerdigung der Kirche
Was Carlos Ferrer nicht ausstehen kann, ist eine langweilige Kirche und überzogene Frömmigkeit. Er betont, dass ihm die Gastfreundschaft sehr am Herzen liegt. Auch wenn die Kirche nicht zu jeder Zeit offen sei, werde das Pfarrhaus stets offene Türen haben. Es ist ihm wichtig, dass die Kirche in den nächsten Jahren lebendig bleibt, auch für die jüngere Generation: «Mir liegt sehr am Herzen, dass der nächste Pfarrer in zehn Jahren nicht die Türe schliessen muss und die Kirche beerdigt wird. Ich sehe es als grösste Aufgabe, die Kirchenaustritte zu stoppen.»
In einem Land, wo es viele andersgläubige Menschen gibt und der Zuwachs kleiner wird, ist das eine Herausforderung. Carlos Ferrer hat verschiedene Ideen. Mit einem Herbstfest werden Menschen aus verschiedensten Altersklassen angesprochen. Eine Idee ist, dass zum Beispiel der Stammtisch und Krabbel-/Kindergottesdienste nach dem Fest aufgebaut und weitergeführt werden. Mit den Konfirmanden sind verschiedene Projekte geplant, wie die Organisation des Tages der Menschenrechte oder des Frauengebetstages. Die Verantwortung der Projektarbeiten liegt in der Hand der Konfirmanden. Als krönender Abschluss wird eine Party für die Jugendlichen gefeiert. Das Ziel ist, dass die Erfahrung dieser projektbezogenen Arbeiten auch im späteren Leben angewendet werden können.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dienstagsmail.
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Datum: 03.06.2024
Autor:
Markus Baumgartner
Quelle:
Dienstagsmail